IT-Projekt von Provinzial und Sparkassenversicherung unter Beschuss

Apollo-Projekt trudelt gen Abgrund

19.06.2008 von Nicolas Zeitler
Das ins Trudeln geratene IT-Projekt Apollo soll einer der Gründe sein, warum der Vorstandsvorsitzende der Provinzial Nordwest, Heiko Winkler, zum Jahresende seinen Hut nimmt. Provinzial und Sparkassenversicherung wollen im Rahmen des Projekts ihre IT-Anwendungsentwicklung zusammenlegen. Doch statt erhoffter Einsparungen in Millionenhöhe bringt Apollo bisher vor allem Ärger und Negativ-Schlagzeilen hervor.
Der 60-jährige Heiko Winkler räumt seinen Posten als Vorstandschef der Provinzial Ende des Jahres.
Foto: Provinzial

Das Projekt mit dem Namen Apollo läuft alles andere als rund. Das musste der scheidende Vorstandschef der Provinzial Nordwest, Heiko Winkler, auf der Bilanz-Pressekonferenz dieser Tage erneut eingestehen. Aufgrund der "hohen Komplexität" des Projekts seien Zeitplan und ursprüngliches Kostenbudget nicht einzuhalten gewesen.

Die Verzögerungen im Zeitplan sind beträchtlich. Anfangs war der Umstieg auf ein gemeinsames IT-System für 2008/2009 angedacht. Dieses Ziel wurde zunächst auf 2010, dann auf 2013 verschoben.

Die Schwierigkeiten bei der eigens gegründeten gemeinsamen Tochtergesellschaft Vers-IT waren auch der Grund dafür, dass deren Geschäftsführung unlängst umgebildet wurde. Ihre Arbeit als gemeinsames Unternehmen für die IT-Anwendungsentwicklung von Provinzial Nordwest und Sparkassenversicherung (SV) hatte die Vers-IT Versicherungsinformatik GmbH zum Jahresbeginn 2007 aufgenommen. Dem anfänglichen Geschäftsführer Hans-Josef Homscheid wurde zum 1. April 2007 Günter Nieuwenhuis als Partner zur Seite gestellt. Anfang 2008 trat zusätzlich Claus-Peter Gutt in die Geschäftsführung ein.

Ende Mai dieses Jahres dann wurden Homscheid wie auch Nieuwenhuis von der Gesellschafterversammlung der Vers-IT abberufen. Gutt ist seit 1. Juni alleiniger Geschäftsführer. "Unterschiedliche Auffassungen zum Fortgang des Apollo-Projekts" seien der Grund für diesen Schritt gewesen, teilte das Unternehmen damals mit. Gutt soll demnach in den kommenden Monaten organisatorische Probleme innerhalb des Dienstleisters beheben und dessen Zusammenarbeit mit den Muttergesellschaften verbessern.

Allerdings melden sich mittlerweile auch Zweifler zu Wort, die das gesamte Projekt in Frage stellen. Nach Informationen des WDR würde der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) die laufende IT-Kooperation am liebsten beenden. Der LWL hält 40 Prozent an der Provinzial Nordwest.

Landschaftsverband diskutiert IT-Projekt

Auf Nachfrage von CIO-Online wollte LWL-Sprecher Frank Tafertshofer die Gerüchte nicht kommentieren. Er verwies darauf, dass das IT-Projekt sowie eine mögliche Fusion von SV und Provinzial Thema der Ausschusssitzung am kommenden Freitag seien.

Über einen Zusammenschluss von Provinzial Nordwest und Sparkassenversicherung wird seit längerem spekuliert. Beide sind öffentlich-rechtliche Versicherer und Teil der Sparkassen. In einem Interview mit der in Münster erscheinenden Allgemeinen Zeitung sagte Heiko Winkler anlässlich seines Ausscheidens, auf lange Sicht könne es sinnvoll sein, "öffentliche Versicherer unter Beibehaltung ihrer regionalen Verankerung zu noch größeren wirtschaftlichen Einheiten zusammenzuschließen".

Fusion noch ungewiss

Ob es zu einer Fusion kommen wird, kann allerdings noch nicht als sicher gelten. Die Provinzial hatte zuletzt mitgeteilt, dass die zuständigen Gremien der Eigentümer bis 1. Oktober zunächst klären müssten, ob es überhaupt zu Verhandlungen mit der SV kommen soll. Eigentümer der Provinzial Nordwest sind neben dem LWL die Sparkassen in Westfalen-Lippe mit ebenfalls 40 Prozent und die Sparkassen in Schleswig-Holstein.

Provinzial-Chef Winkler sagte in dem Interview mit der Allgemeinen Zeitung, IT-Fragen würden bei Erwägungen über eine Fusion zumindest auch eine Rolle spielen. Gleichzeitig betonte er, dass der "immense Aufwand" für ein Projekt wie Apollo nur gerechtfertigt sei, wenn beide Unternehmen "unter eine gemeinsame Führung" gestellt würden. Die Financial Times Deutschland hatte berichtet, der 60-Jährige räume seinen Posten, weil er sich in der Auseinandersetzung um die mögliche Fusion nicht zerreiben lassen wolle.

SV-Chef Ulrich-Bernd Wolff von der Sahl bezeichnete ein Zusammengehen beider Versicherer auf der Bilanz-Pressekonferenz seines Unternehmens laut der Stuttgarter Zeitung als "vernünftigen Schritt". Die SV habe bisher 32 Millionen Euro in das IT-Projekt Apollo investiert, wird Wolff von der Sahl in dem Blatt zitiert. Die Provinzial wollte auf Nachfrage nicht sagen, wie hoch ihr finanzieller Einsatz in das Projekt bisher war.

Entwicklung an fünf Standorten

Die Vers-IT beschäftigt derzeit 380 Mitarbeiter. Sitz der Tochter von SV und Provinzial ist Mannheim. Die Entwicklungsarbeit findet dort und an den weiteren Standorten der Unternehmen in Stuttgart, Wiesbaden, Münster und Kiel statt. Die Sparkassenversicherung hält 51 Prozent der Gesellschaftsanteile, die Provinzial Nordwest die übrigen.

Die Vorbereitungen des Projekts Apollo gehen auf das Jahr 2005 zurück. Zunächst führten Sparkassen-Versicherung und Provinzial Nord-West eine Untersuchung über eine mögliche Zusammenarbeit in der Informationstechnologie und beim Asset Management durch. Sie ergab, dass eine Kooperation "sowohl wirtschaftlich als auch strategisch sinnvoll" für beide Konzerne sei.

17 Millionen jährlich einsparen

17 Millionen Euro könnten die Versicherer jährlich einsparen, hieß es im Spätsommer 2005. Vor allem die Bündelung von Investitionen für die Datenverarbeitung sollte die Einsparungen möglich machen. Geplant war, dass beide Unternehmen Anwendungen für die Datenverarbeitung gemeinsam entwickeln. Laut der Vorstudie wären für die Pflege und Weiterentwicklung der gemeinsamen IT-Landschaft statt damals 430 ab dem Jahr 2010 nur noch 290 Anwendungsentwickler notwendig.

Im Frühjahr 2006 billigten die Aufsichtsräte beider Partner das Vorhaben. Die damalige SV Informatik GmbH, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der SV wurde im Juli 2006 in Vers-IT umbenannt. Mit Jahresbeginn 2007 kam die Provinzial als Eigentümer hinzu.