Hersteller blicken durch Mechaniker-Augen statt IT-Brille

Autobranche muss bei embedded Software Gas geben

27.03.2006 von Christiane Pütter
Ob Navigationssysteme oder Lichtmaschinen: Embedded Software in Autos kommt meist dann ins Gespräch, wenn sie versagt. Um das Negativ-Image abzuhängen, müssen Hersteller wie Zulieferer aufs Gas drücken. Doch obwohl in deutsche und japanische Wagen mittlerweile bis zu 100 elektronische Control Units eingebaut sind, hat die Entwicklung der Software laut einer Expertise der Beraterfirma McKinsey einen zu geringen Stellenwert.

Von Handys über Waschmaschinen bis zu Flugzeugen sehen die Berater die wesentlichen Herausforderungen heute nicht mehr bei der Hardware, sondern in der Entwicklung der eingebauten Software. So beschäftigt Siemens mittlerweile mehr Software-Ingenieure als Microsoft.

Herausforderungen an embedded Software
Foto: McKinsey

Als beispielhaft gilt die Automobilbranche. In deutschen und japanischen Wagen stecken zwischen 65 und 100 elektronische Control Units, die aus jedem Auto ein kleines rollendes real-time Computer-Netzwerk machen. Dabei kommt es vor allem auf Zuverlässigkeit an.

Technik hinkt hinterher

Gegenwärtig, so die McKinsey-Experten, weist die Elektronik in den Autos eine große Bandbreite an Qualitätsunterschieden auf. In den Zeitungen ist vor allem dann davon zu lesen, wenn die embedded Software versagt.

Das mag an Sensationslust liegen, doch grundsätzlich teilen die Autoren der Expertise die Kritik. Sie halten die Technik für noch lange nicht ausgereift. Autohersteller wie Zulieferer müssen die Qualität der embedded Software gemeinsam verbessern. Dafür spricht McKinsey vier Empfehlungen aus:

1. Die Komplexität der Elektronik reduzieren:

Autobauern muss klar sein, dass eine 500-Seiten-Bedienungsanleitung beim Kauf eines Neuwagens nicht unbedingt zu mehr Wertschätzung durch den Endverbraucher führt. Die Elektronik soll nicht ausufern.

2. Die Software-Architektur als Dreh- und Angelpunkt begreifen:

Oft zeigt sich in der Praxis, dass die Entwickler von embedded Software auf eilig zusammengeschusterten Architekturen aufbauen. Die Autoren der Studie lassen das Schlagwort vom "Spaghetti Code" fallen. Entwickler von embedded Software seien noch nicht auf dem Stand von traditioneller PC-Software angekommen.

3. Ökonomisches Verständnis entwickeln:

Kostendruck verleitet dazu, an den falschen Enden zu sparen und eben auch an der Software. Während billige mechanische Teile schlicht brechen oder sich schneller abnutzen, können Fehler bei der embedded Software massive Kosten nach sich ziehen.

4. Die Entwicklungsprozesse verbessern:

Sei es die Automobilbranche oder welche Sparte auch immer – viele klassische Industriezweige haben ihre mechanistische Sicht auf die Produktion von Waren bis jetzt nicht aufgegeben. Dadurch hinkt die Entwicklung von embedded Software hinterher. Es gibt weniger Tools als nötig, und die Spezialisten müssen sowohl das technische Verständnis eines Mechanikers als auch das Software-Wissen mitbringen. Für die Entwicklung rät McKinsey daher, übergreifende Teams aus den jeweiligen Fachabteilungen zusammenzustellen.

Jeder werkelt und entwickelt vor sich hin

Ein generelles Manko: Es fehlt an Standards. Außerdem lassen sich sowohl Autobauer wie auch ihre Zulieferer ungern in die Karten schauen. Wenn aber jeder vor sich hin werkelt und entwickelt, sinken die Chancen, dass die Komponenten zusammenpassen.

Letztlich gilt die Automobilindustrie für McKinsey nur als ein Beispiel für den Einsatz von embedded Software. Der Berater sieht insgesamt Verbesserungsbedarf, um hohe Qualitätsansprüche zu erfüllen. Es sei Aufgabe der Firmenleitungen, diesen Punkt auf die Tagesordnung zu schreiben und intern entsprechende Maßnahmen durchzusetzen.

Die Expertise wurde von Wolfgang Huhn und Marcus Schaper vom McKinsey Global IT-Practice erstellt.