Bundesrechnungshof

Behörden verbrennen mit IT-Projekten Millionen

25.11.2010 von Johannes Klostermeier
1600 Lizenzen einer unbrauchbaren Software, 200 fast neue Drucker und PCs im Lager - was der Bundesrechnungshof Ministerien und Behörden dieses Jahr ankreidet.

Auf 195 Seiten teilt der Bundesrechnungshof seine Beobachtungen und Ergebnisse mit. Das ganze Werk (PDF) trägt den harmlosen Namen "Bemerkungen 2010 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung". In diesem Jahr legen die Prüfer eigenen Angaben zufolge einen Schwerpunkt auf die Wirksamkeit staatlicher Programme. Insgesamt belaufe sich die verschwendete Summe auf einen Gesamtwert von 25 Milliarden Euro. Und auch in diesem Jahr gibt es wieder einige gerügte IT-Prüffälle.

Foto: insure-IT Assekuranz Consulting

Der Bundesrechnungshof unterrichtet mit seinen Befunden den Deutschen Bundestag, den Bundesrat, die Bundesregierung und natürlich auch die Öffentlichkeit über seine wesentlichen Prüfergebnisse des Jahres. Die einzelnen Beiträge sollen im Rechnungsprüfungsausschuss, einem Unterausschuss des Haushaltsausschusses des Bundestages, beraten werden. Aufgabe des Bundesrechnungshofes sei nicht nur die Prüfung, sondern auch de Beratung, schreibt sein Präsident, Professor Dieter Engels, im Vorwort des Berichts.

Der Bundesrechnungshof bemängelt etwa, dass das Auswärtige Amt ein privates Unternehmen mündlich damit beauftragt hat, 1000 gebrauchte Computer mit Monitoren zu kaufen und an Bildungseinrichtungen im Irak zu spenden. Dafür hat es nämlich dem Unternehmen mehr als doppelt so viele gleichwertige Geräte kostenlos überlassen. Der Rechnungshof sagt dazu: "Dies war unwirtschaftlich." Insgesamt sei es zu einem unnötigen und intransparenten Dreiecksgeschäft gekommen. Denn anstatt die Geräte direkt zu spenden und den Rest zu verwerten, hat das dafür beauftragte Unternehmen die Geräte extra bei einem Gebrauchtgerätehändler ("Broker") eingekauft.

Das Bundesinnenministerium hat laut Bundesrechnungshof-Bericht 1600 Software-Lizenzen für ein neues Dokumentenmanagement- und Vorgangsbearbeitungssystem beschafft, ohne vorher zu testen, ob die Software auch den Anforderungen der Nutzer entspricht. Das war nicht der Fall. Die Software wurde dann umfassend überarbeitet. Der Einsatz verzögerte sich um mehrere Jahre. Fünf Jahre nach der Beschaffung nutzten erst 232 Beschäftigte die Software, von der es, wie gesagt, 1600 Lizenzen gibt.

Die mangelhafte Projektsteuerung verursachte Mehrkosten von mindestens 290.000 Euro. Vorschlag der Prüfer: Das Ministerium sollte die Software rasch und vollständig einführen, in der Zukunft für eine bessere Projektsteuerung sorgen und zukünftig die Anforderungen der Nutzer klären, bevor es sich für eine Software entscheidet.

Auch im nächsten Fall geht es um das Bundesinnenministerium: Es habe seine Zusagen, die Empfehlungen des Rechnungshofes zu Miete und Leasing von IT umzusetzen, seit drei Jahren nicht eingehalten, bemängeln die Prüfer hier. Die Behörden haben nicht oder nur mangelhaft untersucht, ob die Miete von IT im Vergleich zum Kauf wirtschaftlich war. Die gemieteten Geräte seien zudem unzureichend verwaltet worden. Einige Behörden hatten sogar Probleme, die gemieteten Teile nach Ablauf der Verträge zu identifizieren und zurückzugeben.

28 Change Requests beim Deutschen Patent- und Markenamt

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat bei einem Dienstleister für 3,1 Millionen Euro ein IT-System in Auftrag gegeben, ohne die benötigten Aufgaben und Funktionen vorher ausreichend zu beschreiben. Um dies nachzuholen, zahlte man dann ohne Ausschreibung weitere elf (sic!) Millionen. Dafür sollte dann ein erheblich erweitertes IT-System entwickelt werden. Sage und schreibe 28 Change Requests galt es zu bearbeiten. Auch von der ursprünglichen Ausschreibung ausdrücklich ausgenommene Funktionen wurden realisiert.

Das Lager der Neugeräte beim Bundesfinanzministerium.
Foto: Bundesrechnungshof

Das Bundesfinanzministerium ist sorglos mit digitalen Daten umgegangen, rügen die Prüfer. Es verschrottete oder verschenkte mehr als 5000 Computer, Monitore und Drucker. Und, noch unglaublicher: Über 200 neue, zum Teil nur zehn Monate zuvor gekaufte und größtenteils noch originalverpackte Computer, Drucker und Monitore, lagerte das Ministerium auf Vorrat ein.

Das Altgeräte-Lager beim Bundesfinanzministerium.
Foto: Bundesrechnungshof

Außerdem lagerte das Ministerium mehr als 1000 gebrauchte, funktionsfähige Computer, die weniger als vier Jahre in Betrieb waren, aber fünf Jahre hätten genutzt werden müssen, ein. In einem Kellerflur, der ohne Kontrollen zugänglich war, bewahrte das Bundesfinanzministerium über 100 gebrauchte Festplatten mit umfangreichen privaten und dienstlichen Daten auf.

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV Bund) hat für mehr als eine Million Euro ein neues Dienstleistungsangebot im Internet aufgebaut. Sie wollte damit erreichen, dass bis zu zehn Millionen Versicherte ihre Anträge elektronisch stellen oder ihr Rentenkonto online abfragen. Tatsächlich nutzten in viereinhalb Jahren aber nur 5000 Versicherte das Angebot. Für den Zugang brauchten die Nutzer nämlich eine elektronische Signaturkarte, die zwischen 80 und 120 Euro im Jahr kostet. Die Investitionen waren unwirtschaftlich, so der Bundesrechnungshof.

Bundeswehr: Durch Standby eine Million Euro sparen

Zum Ende noch eine gute Nachricht: Das Bundesverteidigungsministerium will nach einer Empfehlung des Bundesrechnungshofes durch Standby-Voreinstellungen jährlich eine Million Euro an Energieausgaben bei Arbeitsplatzcomputern der Bundeswehr einsparen. Die Bundeswehr nutzte bislang ausschließlich die Option „Monitor aus", nicht jedoch die Option „Standby". Durch die Kombination beider Optionen könnte in Zukunft die Millionensumme eingespart werden, so meint der Bundesrechnungshof.