IT-Governance

Bei Cloud Computing droht Kontrollverlust

24.02.2012 von Kolja Kröger
Kriselt es zwischen IT und Business, gehen Firmen in die Cloud. Zu dem Schluss kommt eine Accenture-Studie - ohne Cloud Computing aber per se zu verteufeln.
Hauke Heier befasst sich bei Accenture schon seit einigen Jahren mit IT Governance.
Foto: Accenture

Unternehmen scheinen Cloud-Angebote gerne als Rettungsanker zu benutzen, wenn die hauseigene IT nur schlecht auf die Bedürfnisse des Business eingeht. So liest sich eine Untersuchung von Hauke Heier, der bei Accenture für Strategie und Transformation zuständig ist, sowie seinen Co-Autoren Hans P. Borgmann und Bouchaib Bali (beide von der ESC-Wirtschaftshochschule Rennes). Ihr Aufsatz heißt: "Cloudrise: Opportunities and Challenges for IT-Governance at the Dawn of Cloud Computing."

Die Autoren waren zuerst überrascht. Anders als erwartet gingen die Unternehmen eher seltener in die Cloud, bei denen die Zusammenarbeit zwischen IT und Business schon gut harmonierte. "Auf den zweiten Blick ist dies gar nicht so verwunderlich", schreiben sie dazu. Diese Firmen könnten sich eigene IT-Experimente vielleicht eher leisten.

IT-Abteilungen haben Kontrolle schon verloren

Die Stärken der wichtigsten Cloud-Anbieter
CloudVendor Benchmark 2011
Im Folgenden liefert Experton eine Marktübersicht anhand von Kurzporträts zehn ausgewählter Anbieter. Diese basieren auf den Ergebnissen einer im Frühjahr 2011 vorgenommenen Anbieterbewertung, in der insgesamt 58 Cloud-Anbieter detailliert untersucht wurden (Studie „CloudVendor Benchmark 2011“):
Cisco
Cisco verfügt über ein breit ausgebautes Portfolio an Infrastrukturkomponenten für den Bau und Betrieb von Cloud-Rechenzentren und seit der Übernahme von WebEx über eine führende SaaS-Collaboration-Lösung. Das Joint Venture „Virtual Computing Environment Coalition (VCE)“ zusammen mit EMC und VMware bietet interessante Sourcing-Alternativen im Bereich Cloud Infrastructure. Eine Schwäche ist das fehlende IaaS-Angebot von Cisco.
Citrix
Citrix zählt mit der XenServer-Produktfamilie zu den technologisch führenden Anbietern im Cloud-Middleware-Umfeld, wenn auch auf der Marktseite die Transformation vom klassischen Virtualisierungsanbieter hin zum Cloud-Anbieter lange nicht so schnell vorangeht wie beim Konkurrenten VMware. Ein positiver Aspekt hinsichtlich der Web-Conferencing-Lösung Netviewer ist die auf deutschem Recht basierende Geschäftsbeziehung mit deutschem Gerichtsstand.
Google
Google verfolgt eine absolut klare Cloud-Strategie. So werden fast alle Produkte als Web- beziehungsweise Cloud-Service (IaaS, SaaS, PaaS) frei zugänglich angeboten und nutzungs- beziehungsweise nutzerbasiert abgerechnet. Google bietet mit seinen umgetauften„Google Apps for Business“ eine attraktive Alternative zu gängigen Collaboration- und Office-Lösungen an, die aber unter anderem aufgrund des Images von Google, des Vertriebsansatzes und des fehlenden deutschen Rechenzentrums bei (mittel-)großen Firmen noch nicht sehr erfolgreich ist. Die „App Engine“ genannte Plattform von Google richtet sich – auch aufgrund der geringen An¬passbarkeit – an einzelne Entwickler beziehungsweise kleine Unternehmen, bei denen geringe Kosten und einfache Nutzung im Vordergrund stehen.
Hewlett Packard (HP)
Als weltweiter Marktführer im Segment der x86-Industriestandard-Server behauptet HP auch im Markt für Cloud Infrastructure seine führende Rolle. Hinsichtlich HPs Utility Services, die Enterprise-Applikationen (zum Beispiel SAP) auf einer virtualisierten Plattform flexibel bereitstellen und abrechnen, hat das Unternehmen gegenüber dem vergangenen Jahr große Anstrengungen unternommen, sodass diese deutlich an Attraktivität gewonnen haben und als ausgereiftes Angebot gewertet werden können.
IBM
IBM bietet derzeit das kompletteste Cloud-Infrastrukturportfolio im Markt. Darüber hinaus steht Big Blue seit Anfang 2011 mit seiner Version einer PaaS-Plattform (IBM Smart Business Development and Test on the IBM Cloud) bereit, die aus dem Rechenzentrum in Ehningen geliefert wird. Beim Segment Großkunden ist IBM mit seinem breiten, durchgängigen Angebot aus Hardware, Middleware und Cloud-Management-Komponenten derzeit als marktführend zu betrachten, und die Cloud Services gelten als die derzeit attraktivsten Angebote am Markt.
Salesforce.com
Salesforce offeriert neben seiner ausgereiften SaaS-CRM-Lösung und der attraktiven PaaS-Plattform „Force.com“ mit „database.com“ auch ein reines IaaS-Angebot. Unter anderem arbeitet Salesforce darüber hinaus mit „Chatter“ und der Übernahme der Konferenzplattform „Dimdim“ inzwischen an der Ausweitung des Portfolios in Richtung Collaboration. Neben dem Fehlen eines deutschen/EU-Rechenzentrums ließe sich das unvollständige Portfolio kritisieren. Außerdem stellt sich die Frage, wann die vor über einem Jahr mit VMware angekündigte Enterprise Java Cloud „VMforce“ in Deutschland verfügbar sein wird.
T-Systems
Die von T-Systems „Dynamic Services“ genannten Private Cloud Services für Großunternehmen können im Umfeld des Betriebs geschäftskritischer Applikationen als eine der Pionierleistungen in diesem Umfeld gelten. Zusätzlich bietet T-Systems seinen Kunden seit Anfang 2011 auch eine IaaS-Plattform an, die in Kooperation mit dem Cloud-Management-Anbieter Zimory vorgestellt wurde.
VMware
VMware ist aufgrund seines breiten und ausgereiften Portfolios an Virtualisierungslösungen der klar dominierende Anbieter für Cloud Middleware. VMware bietet mit der „vCloudProduct Family“ nicht nur das breiteste Cloud-Management-Produktportfolio, sondern setzt hinsichtlich der Integration der einzelnen Module sowie deren technologischer Reife auch den derzeitigen Standard.

Knirscht es zwischen Business und IT schon, lassen Firmen die Experimente wohl lieber andere machen - eben Cloud-Anbieter. Zudem zeigte sich: Cloud-Anwender klagen über eine schlechte Partnerschaft von IT und Fachabteilung. Es geht sogar so weit, dass dort die Fachabteilungen gerne mal Cloud-Angebote an der IT vorbei einschalten.

Zwar belegen die Ergebnisse keinen Kontrollverlust der IT, wenn die eigene Firma IT-Services in die Wolke outsourced. Vergleicht man aber den Stand von 2009 und 2012, wie die Autoren es getan haben, wird deutlich: Damals hatte die IT oft schon längst die Kontrolle verloren. Hier handele es sich längst um ausgehölte IT-Abteilungen, so die Autoren, die vor allem die grundlegende Infrastruktur aufrecht erhielten. Es lasse sich kein verstärkter Kontrollverlust messen, wenn es kaum noch Kontrolle zu verlieren gebe.

Die Rolle der IT ändert sich durch Cloud Computing: Vom Service- zum Support-Provider.
Foto: itestro - Fotolia.com

Die Studie warnt jedoch, falsche Schlüsse aus den Ergebnissen zu ziehen. "Sie bedeuten nicht unbedingt, dass es per se eine schlechte Entscheidung für IT-Abteilungen und Firmen ist, auf Cloud Computing zurückzugreifen." Vielmehr unterstrichen die Ergebnisse eines: Vernünftige IT-Governance sei notwendig, damit sich Fachabteilungen und IT beim Gang in die Cloud nicht auseinanderleben. In vielen Fällen müsse die IT ihre Rolle neu definieren - vom Service-Provider zum Support-Provider für die neuen Services von außen.

IT bekommt neue Rolle durch Cloud Computing

Für die Studie wurden im vergangenen Herbst CIOs und IT-nahe Business-Entscheider aus 21 Unternehmen gefragt. Etwa die Hälfte der Firmen nutzt Cloud-Dienste, die andere nicht.

Die schlimmsten Cloud-Ausfälle
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Unsere Kollegen von der InfoWorld haben die zehn schlimmsten Cloud Katastrophen zusammengetragen, die wir Ihnen nicht vorenthalten wollen
Sidekick
Die Besonderheit des Sidekick-Dienstes: Persönliche Daten, Adressen oder Kalendereinträge, können direkt in einer Cloud gesichert werden. So sollen alle Daten auch bei Geräteverlust schnell wiederhergestellt werden. Das versprach zumindest die Werbung. Doch gerade dieser Cloud Service hatte im Herbst 2009 einen Ausfall. Als Folge konnten alle Nutzer eine Woche lang nicht mehr auf Kontakte, Termine und andere Daten zugreifen, die auf Servern gespeichert waren, welche von Microsoft betrieben wurden. Schlimmer noch, es waren nicht einmal Backups angelegt worden. Somit gingen alle persönlichen Daten für immer verloren, sofern sie der Nutzer nicht zusätzlich lokal gesichert hatte.
Googlemail
Googlemail ist mittlerweile auch für Geschäftskunden eine lohnende Alternative zu Microsoft Exchange. Aber auch dieser Cloud-Dienst ist vor Ausfällen nicht gefeit. Eine besonders schlimmer Software-Bug sorgte dafür das rund 150000 Google-Kunden auf leere Posteingänge blickten. Alle Nachrichten, Ordner oder Notizen waren weg. Dank einer Reihe von Sicherungen konnte Google zwar alle Daten wiederherstellen, aber nichtsdestotrotz hatten Anwender tagelang keinen Zugriff auf ihre E-Mails.
Hotmail
Googlemail ist jedoch nicht der einzige Mail-Dienst mit Ausfällen. Auch Microsofts Hotmail hatte, neben einem Phishing-Angriff, bei dem zehntausend Hotmail-Konten ausgespäht wurden, mit leeren Postfächern zu kämpfen. Ein Script sollte eigentlich nur überflüssige Dummy-Accounts löschen. Leider wurden von diesem Skript auch 17 000 real existierende Accounts gelöscht. Aber auch in diesen Fall wurden alle Daten wiederhergestellt, auch wenn einige Nutzer bis zu sechs Tage auf ihre Neujahrswünsche warten mussten.
Intuit
2010 hatte Intuit mit seinen Cloud-Services wie TurboTax, Quicken oder Quickbooks zwei Ausfälle innerhalb eines Monats. Vor allem eine Störung über 36 Stunden im Juni verärgerte die Kunden. Ein Stromausfall hatte die Systeme inklusive Backups lahmgelegt – leider erlitt Intuit wenige Wochen später einen weiteren Stromausfall.
Microsofts BPOSS
Es ist nicht einfach produktiv zu arbeiten, wenn die als SaaS eingebundene Arbeitsumgebung nicht mehr erreichbar ist. Am 10. Mai stocke die Microsoft Business Productivity Online Standard Suite. So gingen E-Mails erst mit neun Stunden Verzögerung ein. Die Störung wurde zwar schnell behoben, trat aber zwei Tage später wieder auf. Noch dazu hatten einige Nutzer nicht einmal mehr die Möglichkeit sich in Outlook einzuloggen.
Salesforce.com
Eine Stunde Ausfall klingt nicht nach viel. Wenn aber ein Dienst nicht mehr erreichbar ist, über den zehntausend Firmen ihren Kundendienst laufen lassen, können 60 Minuten sehr lange sein. Der Rechenzentrumsausfall von Salesforce.com im Januar brachte einige wütende Kunden hervor.
Terremark
Der Cloud-Anbieter Terremark, der kürzlich für einige Milliarden US-Dollar von Verizon gekauft wurde, geriet Anfang 2010 wegen einer Störung in die Schlagzeilen. Am 17. März kam es zu einem Ausfall in einem Rechenzentrum in Miami. In Folge kollabierte der vCloud Express-Service und auf sämtliche Daten konnte sieben Stunden lang nicht mehr zugegriffen werden.
PayPal
Paypal ist ein großer Anbieter im Bereich E-Payment, somit hat ein Ausfall potentiell dramatische wirtschaftliche Folgen. Ein Hardware-Problem legt im Sommer 2009 den Bezahldienst für eine Stunde lang lahm. Keine schöne Erfahrung für Händler wie Kunden, die ihre Waren online ein- und verkaufen wollten.
Rackspace
Ende 2009 musste Rackspace drei Millionen Dollar an seine Kunden zurückzahlen. Der Betreiber hatte mit mehreren technischen Problemen zu kämpfen und die gehosteten Websites gingen dabei jedes Mal offline. Für die Kunden wie Justin Timberlake oder TechCrunch eine kostenintensiver Ausfall. Heute achtet Rackspace nicht nur darauf, solche Ausfälle zu vermeiden, sie informieren die Kunden auch, dass manche Ausfälle unvermeidlich sind.