Wie innerer Friede hilft

Besser führen ohne durchzudrehen

14.10.2014 von Thorsten Firlus-Emmrich
Professor Michael Bordt ist Vorstand des Instituts für Philosophie und Leadership an der Hochschule für Philosophie in München und gibt Seminare, damit Unternehmensführer ihren Weg "zur inneren Freiheit" finden lernen.

Herr Bordt, Ihr Buch "Die Kunst sich selbst auszuhalten - Ein Weg zur inneren Freiheit" illustriert Wege, sich selber kennen zu lernen und mit sich umzugehen. Das sei besonders wichtig für Führungskräfte in Spitzenpositionen. Warum?

Michael Bordt: Etwas zugespitzt formuliert: Wer führen will, muss sterben können. Das bedeutet, dass derjenige, der als Führungskraft für das Unternehmen die richtigen Entscheidungen treffen will, sich innerlich unabhängig machen muss. Er muss sich frei machen können von all dem, was ihn an eigenen Motiven, Ängsten und Machtphantasien beschäftigt und bewegt.

Dazu gehört ein kritischer Blick auf sich selbst und eine Kenntnis des eigenen inneren Lebens. Nur so kann man sich tatsächlich in den Dienst der Sache stellen. Das heißt aber auch, dass man viele Dinge wie Ansehen oder Macht, die einem zunächst einmal als wichtig und erstrebenswert erscheinen, loslassen können muss. Das ist im Übrigen etwas, was alle Menschen im Leben lernen können und spätestens im Sterben dann lernen müssen.

Die sechs Führungsstile
Die Unternehmensberater der Hay Group haben sechs verschiedene Führungsstile ermittelt, die ein Chef ausüben kann. Je größer der Mix aus allen sechs ist, desto zufriedener sind seine Mitarbeiter. Sie leisten mehr und sind weniger krank.
1. Der Chef ist der Chef ist der Chef
Im direktiven Umgang erwartet der Chef, dass die Mitarbeiter seinen Anweisungen ohne Wenn und Aber folgen. Das Warum erfährt der Mitarbeiter meist nicht. Das kann bei Umstrukturierungen hilfreich sein, wenn man ein Unternehmen aus der Krise holen muss. Zum normalen Arbeitsalltag passt dieser Führungsstil nicht.
2. Der Erklärer
Der visionäre Chef setzt darauf, seine Mitarbeiter zu entwickeln und erarbeitet mit ihnen Perspektiven. Ihm ist es wichtig, dass seine Kollegen verstehen, warum sie etwas tun sollen.
3. Der Coach
Dem Erklärer ähnlich ist der coachende Chef, dem die Entwicklung seiner Angestellten sehr am Herzen liegt.
4. Alle für einen!
Andere Vorgesetzte fördern den Zusammenhalt: Ihnen ist es wichtig, dass alle gut miteinander umgehen. Vor allem in Stresszeiten ist das ein guter Führungsstil, denn das Team rückt näher zusammen.
5. Der Chef packt selbst an
Dieser Führungsstil wird eher von Jüngeren ausgeübt: Ein partizipativer Chef drückt seine Befehle nicht durch, sondern setzt auf Teamarbeit. Das fördert die Motivation der Mitarbeiter sehr.
6. Der Perfektionist
Wehe, einer spielt nicht im Takt! Der Perfektionist stresst seine Mitarbeiter schon mal mit seinen hohen Anforderungen an die Qualität der Arbeit. Andererseits greift er ein, wenn man selbst nicht weiter weiß.

Sollen Führungskräfte das, was sie privat oder persönlich beschäftigt, im Beruf ausblenden?

Nein, genau das sollen sie nicht tun. Sie sollen nur lernen, die dunklen, manchmal auch chaotischen Aspekte, das jeder Mensch in sich vorfindet, wahrzunehmen, um die Kontrolle über sich nicht zu verlieren. Wenn man versucht, innere Impulse wie Ängste oder Machtphantasien zu verdrängen, bekommen diese Impulse noch mehr Macht über uns, als sie ohnehin schon haben. Nur das, was einem bewusst ist, kann man kontrollieren. Was einem nicht bewusst ist, das kontrolliert uns. Je genauer wir wissen, was da in uns an Wünschen, Sehnsüchten, Verletzungen und Phantasien lebt, desto mehr werden wir zum eigenen Herren über unser Innenleben, gewinnen darüber Autorität und können dann frei entscheiden. Wir werden durch sie nicht mehr genötigt, dem inneren Druck nachzugeben oder diesen Druck laufend zu verdrängen.

Sie beschreiben in Ihrem Buch eine Szene, in dem der Mensch eine E-Mail oder ein Telefonat eines Kollegen oder Vorgesetzten bekommt, die ihn ärgert. Führungskräfte, allemal Vorstandsvorsitzende haben seltener E-Mails, die sie unter Druck setzen. Ein Chef kann als Chef immer auch mal rumbrüllen, seinen Frust über Dinge, die schief laufen im Unternehmen ausleben. Darf der das?

Ich glaube, es ist ein Irrtum, wenn man meint, je höher man in einem Unternehmen aufgestiegen sei, desto geringer sei der äußere und innere Druck. Das Gegenteil ist der Fall. Es ist sicher unklug, wenn eine Führungskraft diesem Druck, ihren Stimmungen und Launen nachgeht und sie auslebt.

Wenn eine Führungskraft weiß, warum sie auch mal rumbrüllt und was sie sich von einem solchen Verhalten für das Wohl des Unternehmens erhofft, dann soll sie das gerne tun. Mein Punkt ist ja nicht, dass wir alle freundlicher miteinander umgehen sollen. Eine Führungskraft muss vielleicht auch einmal mit der Faust auf den Tisch hauen. Aber sie muss sicher sein, dass das jetzt nötig ist statt einfach mal cholerisch durchzudrehen und die Autorität über sein Verhalten zu verlieren.

Wie kann ein Mitarbeiter erkennen, ob sein Vorgesetzter kontrolliert brüllt?

Mitarbeiter spüren und wissen doch in den allermeisten Fällen sehr gut, wann der Vorgesetzte sich nicht im Griff hat und die Spannungen, in denen er steht, nicht mehr aushalten kann. Dann ist das Brüllen ein Zeichen von Schwäche. Der Vorgesetzte zeigt, dass er an der Grenze seiner Belastbarkeit angekommen ist. Aber um das ganz klar zu sagen: In oberen Führungspositionen gehört es dazu, harte Kritik auszuteilen und auch einstecken zu können.

Begeisterungsfähigkeit nutzen
Viele Unternehmen lassen sich bei der Personalauswahl noch zu häufig allein von der Fachexpertise, dem Leistungswillen und der Eloquenz der Kandidaten leiten. Wenn jemand mit Leidenschaft seinem Beruf nachgeht oder gar ein besonders kreativer Querdenker ist, wird ihm das eher negativ ausgelegt. Mehr Mut zu weniger Uniformität und Stromlinienförmigkeit kann sich vor allem in Forschung und Entwicklung, in Marketing und Vertrieb bezahlt machen.
Begeisterungsfähigkeit nutzen ...
Das Management gerade deutscher Unternehmen ist jedoch häufig zu eindimensional auf Effizienz getrimmt. "Beim Optimieren von Prozessen ist das goldrichtig, bei kreativen Prozessen nur bedingt", warnt Jens-Uwe Meyer, Autor des Buches "Das Edison-Prinzip"
Guter Kommunikator sein
Wer Mitarbeiter für die Sache begeistern und damit ihre Motivation erhöhen möchte, muss auch ein guter Kommunikator sein, mit guten Argumenten, aber auch der nötigen Empathie für die menschlichen Belange. Gut kommunizieren zu können, ist auch in der notwendigen Darstellung nach außen enorm wichtig. Dies erst zu lernen, wenn man bereits auf der Zielgeraden für eine Top Position ist, ist eindeutig zu spät. Übrigens gehört dazu auch ein verhandlungssicheres Englisch.
Freien Informationsfluss fördern
Wer Ideenfindung zur Chefsache erklärt, zeigt seinen Mitarbeitern vielleicht, wer in der Hierarchie ganz oben steht. Er läuft aber auch Gefahr, wichtige Details oder Erkenntnisse zu übersehen und damit Fehlentscheidungen zu treffen. Weil Technologiesprünge, Veränderungen von Geschäftsmodellen und Kundenbedürfnisse sich immer schneller drehen, kann ein einzelner - egal wie gut er ist - niemals alle für Geschäftsentscheidungen relevanten Informationen überblicken.
Freien Informationsfluss fördern ...
Wer hingegen in den offenen Ideenaustausch mit seinen Mitarbeitern investiert, braucht zwar mehr Zeit, erntet dafür aber am Ende auch die kreativeren Ideen und durchdachteren Konzepte. Gleichzeitig schafft die direkte Einbindung eine höhere Identifikation mit dem Ergebnis, das Mitarbeiter dann viel motivierter umsetzen, denn es ist ja auch ihr Konzept.
Teamwork statt Hierarchien
Am kreativsten sind Mitarbeiter in Teams mit flachen Hierarchien. Um die Expertise aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen, Fachgebieten und Ländern an einen Tisch zu bringen, hat z.B. der Essener Konzern Evonik sogenannte Forscher-WGs eingerichtet, in denen Experten aus verschiedenen Unternehmensbereichen und Ländern über drei Jahre lang gemeinsam Innovationen ausbrüten.
Teamwork statt Hierarchien ...
Der IT-Dienstleister IBM veranstaltet sogenannte "Innovation Jams", bei denen sich über Hunderttausend IBM-Mitarbeiter, deren Familien, Wissenschaftler und Kunden aus der ganzen Welt drei Tage lang via Computerbildschirm über neue Ideen, Innovationen und die Lösung kniffliger Probleme austauschen.
Rollen vergeben
Führungskräfte umgeben sich häufig am liebsten mit Personen, die ähnliche Stärken aufweisen wie sie selbst. Wer gerne kommuniziert, arbeitet gerne mit kommunikativen Menschen. Wer detailverliebt ist, schätzt Mitarbeiter mit ähnlichen Präferenzen. Wer seine Stärken und Schwächen kennt und sich vornimmt, das volle Potenzial seines Teams zu heben, kann sich als Führungskraft darauf konzentrieren, die verschiedenen Talente so einzusetzen, dass sie sich ergänzen - zum Erfolg aller.
Rollen vergeben ...
Teams sind dann besonders stark, wenn jeder eine eigene Rolle seinen Fähigkeiten entsprechend übernehmen kann. Der Job des Teamleiters ist es, jedem die passende Rolle zuzuteilen.

Seminar nur mit gesamter Führungsetage

In erster Linie muss ein guter Chef aber in der Lage sein, Visionen für seine Mitarbeiter zu zeigen, sie zu motivieren und zu begeistern. Wie macht man das? Sicherlich nicht mit dauernder Kritik und Schuldzuschreibungen. Ich glaube diesbezüglich auch nur sehr begrenzt an irgendwelche Leadership-Tools.

Je höher Sie in einem Unternehmen aufgestiegen sind, je dünner die Luft wird, desto mehr sind es der Charakter und die Persönlichkeit, mit denen eine Führungskraft Menschen führt, sie begeistert und mitzieht. Und da ist ein Mensch dann ganz auf sich gestellt. Dazu braucht man eine gereifte Persönlichkeit und man muss sich selbst kennen. Wenn man sich aber schon selber ein Rätsel ist, wie soll man dann erst verstehen, was einen Mitarbeiter bewegt?

Ausgerechnet Führungskräfte sind oft doch gar nicht genötigt, ihr Verhalten zu überprüfen - denn der Mitarbeiter wird sich bei Kritik erstmal überlegen müssen, wie er darauf reagiert. Wie erkenne ich als Führungskraft, dass ich selber vielleicht meine Persönlichkeit besser kennen lernen sollte - wenn es denn auch alles so läuft?

Oft sind es der Lebenspartner oder die eigenen Kinder, die einem den Spiegel zuerst vorhalten. Auch Führungskräfte in Spitzenpositionen sind keine Maschinen. Sie sind mit ausgesprochen spannungsreichen Situationen konfrontiert und viele fragen sich natürlich auch, wie sie mit dem ganzen Wahnsinn umgehen können. Wenn ein Chef herumschreit, weil er es nicht mehr aushält - dann läuft was schief. Vielleicht nicht gleich fürs Unternehmen - aber für ihn selbst.

Führung in Teilzeit ...
... ist ein Modell, das man in Deutschland kaum findet. Wir haben eine Managerin gefunden, die das Modell seit einigen Jahren erfolgreich praktiziert.
Claudia Puchta ...
Abteilungsleiterin beim IT-Unternehmen Datev, hat im CIO-Interview von ihren ganz persönlichen Erfahrungen als Teilzeitführungskraft berichtet.
Home-Office
Claudia Puchta bemüht sich, sehr gut erreichbar zu sein. So ist sie an ihren beiden Home-Office-Tagen oft besser erreichbar als an den Bürotagen, an denen sie meist viel Zeit in Terminen verbringt.
Abends E-Mails lesen
Abends liest die Abteilungsleiterin noch einmal ihre E-Mails, um den nächsten Morgen stressfreier zu beginnen.
Aufgaben priorisieren
Puchta priorisiert stark. Sie sieht sich Aufgaben genau an und entscheidet dann, was Vorrang hat und was liegenbleiben kann.
Aufgaben delegieren
Claudia Puchta delegiert Aufgaben und gibt damit Verantwortung an ihre Teamleiter und Mitarbeiter ab.
Zeit für die Mitarbeiter nehmen
Für Gespräche über Privates bleibt wenig Zeit. Doch Puchtas Mitarbeiter wissen, dass sie sich trotz vollem Terminkalender immer an sie wenden können und sie sich dann auch Zeit nimmt.
Ehrlicher Umgang miteinander
Damit das Führen in Teilzeit gelingt, rät Puchta zu einem offenen und ehrlichen Umgang miteinander. Mitarbeiter müssen sagen, wenn sie das Gefühl haben, dass sie zu kurz kommen.
Stressmomente abschalten
Zudem empfiehlt sie, sich zu überlegen, was einem Stress bereitet und diese Dinge zu ändern.
Persönlicher Stressmoment
Bei ihr waren das zum Beispiel die festen Fahrpläne der öffentlichen Verkehrsmittel. Seit sie mit dem Auto zur Arbeit fährt, steht sie unter deutlich weniger Zeitdruck.
Familienzusammenhalt
Eine große Hilfe ist darüber hinaus, dass auch Claudia Puchtas Mann zwei Tage pro Woche im Home-Office arbeitet und die beiden sich abwechseln können, falls eines ihrer beiden Kinder erkrankt und zuhause bleiben muss.

Gibt es aus Ihrer Seminararbeit mit Führungskräften einen Unterschied zwischen Managern und Unternehmern?

Es gibt sicher einen Unterschied zwischen familiengeführten Unternehmen und Konzernen. Ich kenne aber auch viele Manager in Konzernen, die das Unternehmen führen als wäre es ihr eigenes. Für diese Haltung spricht vieles: Sicherlich ist es gut und richtig, dass es in Konzernen einen Aufsichtsrat und Aktionäre gibt, vor dem sich der Vorstand rechtfertigen muss. Aber es ist etwas völlig anderes, ob man ein Unternehmen so führt, dass der Aufsichtsrat nichts zu meckern hat oder ob man sich als Führungskraft persönlich das Wohl des Unternehmens zu eigen macht.

Welche Art von Führungskräften lernt in Ihren Seminaren? Kommen nur die, die im Zweifel sind oder verirrt sich auch jemand dorthin, der vor Selbstbewusstsein kaum laufen kann?

Wir machen für Konzerne und Unternehmen unsere Workshops und Kurse nur unter einer Voraussetzung: Es muss die obere Führungsmannschaft mitmachen. Sonst gibt es wenig Potential, dass sich die Kultur in einem Unternehmen ändern kann. Die Strukturen und die Kultur eines Unternehmens fallen ja nicht vom Himmel, sondern sind von den Führungskräften stark mitgeprägt.

Aber es gibt noch einen anderen Grund: In unseren Workshops geht es darum, die Persönlichkeit zu stärken, und Menschen widerstandsfähiger zu machen, und daran arbeiten wir mit Inhalten, Übungen und Methoden, die aus der 450-jährigen Geschichte des Jesuitenordens und der philosophischen Tradition kommen. Wir Jesuiten haben im Laufe unserer Ordensgeschichte ein sehr intensives Ausbildungsprogramm entwickelt, um innerhalb unseres eigenen Ordens Führungskräfte auszubilden.

Dieses Ausbildungsprogramm hat sich von Anfang an bewährt: Die ersten Jesuiten, die diese Ausbildung durchlaufen haben, konnten zum Beispiel schnell Zugang zur politischen und intellektuellen Führung in China und Indien finden. Die Parallelen zur Situation, in der Unternehmen heute stehen, sind unverkennbar. Unser Ziel am Institut für Philosophie und Leadership ist, dieses jesuitische Ausbildungsprogramm für Führungskräfte in Spitzenpositionen fruchtbar zu machen.

Coachend
Der Vorgesetzte legt Wert auf die berufliche Entwicklung der Angestellten.
Perfektionistisch
Der Vorgesetzte erwartet Aufgabenerfüllung auf höchstem Niveau.
Partizipativ
Der Vorgesetzte legt Wert auf das gemeinsame Entwickeln von Ideen.
Zusammenhalt fördernd
Der Vorgesetzte legt viel Wert auf ein harmonisches Miteinander.
Visionär
Der Vorgesetzte entwickelt den Mitarbeiter langfristig und zeigt ihm Perspektiven auf.
Direktiv
Der Vorgesetzte gibt Anweisungen und erwartet, dass der Mitarbeiter sie kommentarlos und uneingeschränkt befolgt.

Mit Meditation zum inneren Frieden und Entscheidungsfindung

Dabei geht es uns nicht um die Religion oder die Kirche, wohl aber um die innere Haltung, den spirituellen Aspekt. Wir machen die Erfahrung, dass die Inhalte und Übungen vor allem bei Führungskräften "ganz oben" greifen. Das liegt unter anderem daran, dass sich auf diesen Ebenen die Frage nach Work-Life-Balance oder so etwas nicht mehr stellt. Das Leben IST die Arbeit.

Wie es gelingen kann, ohne größere Schädigungen dauerhaft in so einer Position zu bestehen und in den wichtigen Fragen danach zu entscheiden und zu handeln, was man tatsächlich für richtig hält, dazu versuche ich mit Workshops Hilfestellung zu geben. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie ich mit mir selbst klarkommen kann. Darum geht es ja auch in meinem Buch. Meine Erfahrung ist, dass gerade Top-Führungskräfte ein klareres Gespür dafür haben, dass solche Fragen wichtig sind.

Mit welchen Übungen arbeiten Sie denn?

Wichtig sind zum Beispiel Achtsamkeitsübungen, Meditationsübungen. In der Tradition des Jesuitenordens aber auch vielen anderen Meditationslehren geht es darum, still zu werden - zunächst äußerlich, dann auch innerlich - und einfach nur den Atem zu beobachten. Man wird schnell merken, wie schwierig das ist. Wenn man das mal zehn, fünfzehn, zwanzig Minuten macht, spürt man sehr deutlich, was da alles in einem vorgeht und, oft ohne dass wir es merken, Einfluss hat auf das, was wir tun und entscheiden. Diese Gedanken und Spannungen dann auszuhalten und sich selbst auszuhalten ist die Übung, aber auch der Weg, um frei Entscheidungen treffen zu können.

Eine Gruppe voll mit Führungskräften - das klingt nach Wettbewerb und viel Testosteron und Jungs, die Faxen machen, wenn sie mal so untypische Dinge tun sollen. Benehmen sich da alle Führungsebene gleich?

Insgesamt 71 Prozent der Teilnehmer unserer Kurse sagen, dass ihnen diese Kurse mehr bringen als alle anderen Kurse, die sie als Führungskraft gemacht haben. Und 24 Prozent finden die Kurse sehr gut und nur fünf Prozent können nichts mit den Inhalten anfangen. Die Zahlen zeigen: Da werden keine Faxen gemacht, da geht es zur Sache.

Und ein Rudel Alphatiere macht Stillsitzübungen mit?

Natürlich gibt es manchmal Vorbehalte, aber das ist überhaupt kein Problem. Wer das einmal gemacht hat, der merkt sehr schnell: Das geht schnell an die Substanz - auch in einem positiven Sinn. Es geht an das, was uns Energie gibt und lebendig macht; an das was uns zu den Menschen macht, die wir sind. Wichtig ist deshalb, in den Kursen eine Atmosphäre zu schaffen, die niemanden in den Zwang bringt, etwas über sich preiszugeben, was er nicht preisgeben will. Außerdem achten wir penibel auf Diskretion.

Die Teilnehmer Ihrer Kurse werden alle so um die Lebensmitte sein. Zufall, dass das die Phase der Midlife-Crisis ist?

Viele sind auch schon über die Lebensmitte hinaus, aber es gibt Ähnlichkeiten. In der Midlife-Crisis geht es ja im Kern um die Frage, was das eigene Leben eigentlich soll. Darauf geben wir in den Workshops keine Antwort, aber wir geben Hilfestellungen, dass die Teilnehmer für sich selbst Antworten finden können.

(Quelle: Wirtschaftswoche)