Sylvia Steinmann, CIO bei der Swiss Re

Bindeglied zwischen den Kulturen

03.11.2003 von Johannes Klostermeier
Sylvia Steinmann, seit 1997 bei der Swiss Re und seit Ende 2002 CIO der Business-Gruppe Financial Services, wurde bei ihrer Einstellung beim zweitgrößten Rückversicherer der Welt zuerst als Provokation angesehen. Aber längst sind die Champagner-Wetten darüber, wie lange sie durchhalten werde, Vergangenheit.

"Nicht-Schweizerin, 32 Jahre jung, McKinsey, wohl eher konzeptorientiert und nicht wirklich an praktikablen und nachhaltigen Problemlösungen interessiert" - so die erste Einschätzung einiger Mitarbeiter, als Sylvia Steinmann 1997 ins IT-Management bei Swiss Re einstieg. Inzwischen ist sie CIO der Financial Services Business Group, einem von drei Bereichen beim zweitgrößten Rückversicherer der Welt. Dass einige Kollegen damals Wetten darüber abschlossen, wie lange sie wohl bleiben werde, habe sie nicht gestört, erzählt sie amüsiert. Diese Kollegen haben es ihr hinterher nach dem ersten erfolgreichen Projektabschluss bei einem guten Glas Rotwein erzählt.

Dabei ahnten sie offenbar nicht, mit welchem Hintergedanken Konzern-CIO Yury Zaytsev die Frau geholt hatte: Sie sei, so sagt Sylvia Steinmann heute, von ihm bewusst als Bindeglied zwischen den Business-Kulturen geholt worden, um für Veränderung und Erneuerung - aber eben auch eine Annäherung - zu sorgen.

Die Schweizer hätten einen Hang zum Perfektionismus, meint die 38-Jährige. Das Erfolgsrezept sei jedoch nicht, Fehler zu vermeiden, sondern notwendige Veränderungen aktiv anzugehen. Ihr Motto: "Es ist alles möglich, wenn man sich entschließt, es zu machen." In der Schweiz müsse man allerdings erst einmal sorgfältig prüfen, wie etwas konkret machbar sei. "Ein Schweizer IT-ler spricht zu 80 Prozent über die 20 Prozent, die ihm in seiner Lösung noch fehlen. Ein amerikanischer redet zu 80 Prozent über die 20 Prozent, die er schon hat." Man müsse das selbstbewusste und positive Denken der Amerikaner mit der Sorgfalt der Schweizer kombinieren.

Die IT war eine Buchhaltungsmaschinerie

Sylvia Steinmann steht für den Wandel, den Swiss Re in den vergangenen Jahren durchgemacht hat. Versicherungen, insbesondere Rückversicherungen, haben die IT bis vor zehn Jahren ausschließlich als eine Maschine für die Buchhaltung gesehen. Da die meisten anderen Prozesse personengetrieben waren, hatte die IT weder Prestige noch Priorität. Sylvia Steinmann: "Die IT war eine Buchhaltungsmaschinerie. Die Prozessunterstützung von heute stellt deshalb eine große Veränderung dar. Inzwischen ist sie zum Katalysator des Wandels geworden."

Für Sylvia Steinmann ging es darum, eine Symbiose aus menschlicher Erfahrung und statistischer Informationsaufbereitung herzustellen. Es galt zunächst, das Management zu überzeugen. Das ist ihr schon vor der Berufung gelungen: "Beim Einstellungsgespräch zum Business-Gruppen-CIO hieß es: 'Wir verstehen nicht allzu viel von IT.' Ich sagte: 'Fein, lassen sie uns über ihre Strategien und Ziele sprechen.' "

Das Besondere war die Konsequenz, mit der Swiss Re diesen Globalisierungsprozess durchgezogen hat. "Wir haben mit Java-Programmierung aus 35 lokalen Datenbanken eine globale Kundendatenbank aufgebaut; für andere Applikationen sind wir immer noch mitten im Prozess. Aber wir haben jetzt einen globalen Brand: Swiss Re." Das hat die IT entsprechend nachvollzogen - 1999 wurde ihr zusätzlich ein Teil der Applikationsentwicklung übertragen. "Ich wollte auch beweisen, dass das globale Konzept umsetzbar ist, und habe das erste umfassende Business-System aufgebaut." 2000 gab sie den strategischen Planungsprozess ab und übernahm dafür die Verantwortung für andere globale Systeme wie Portale und Lotus Notes .

"Es geht darum, die Trennung zwischen Business und IT aufzuheben und im Unternehmen transparent zu machen, wie innovative und tragfähige Lösungen im Zusammenspiel von Unternehmensstrategie, Technologie und operativem Geschäft aussehen können, und was zu einem vernünftigen Kosten-Nutzen-Verhältnis möglich ist und was nicht", sagt sie. Essentielle Fragen seien: "Was kann ich im Unternehmen mit den Technologien machen? Wie gestalten wir Prozesse, die neben Automation auch persönliche Interaktion zulassen?" Denn die Entscheidungsprozesse bei der Rückversicherung - etwa die Frage, welche Schadensfälle mit welcher Wahrscheinlichkeit auftreten - bestünden neben guten Statistiken hauptsächlich aus menschlicher Erfahrung, die man nicht automatisieren könne. "Es geht für uns darum, die Maschinen die richtigen Informationen zu den Entscheidungsprozessen liefern zu lassen."

Kein Blindflug mehr fürs Business

Die 38-Jährige ist dabei, diese Prozesse kontinuierlich zu verbessern und ein globales Change-Management aufzusetzen. Ein neues umfassendes Dokumentenmanagement soll die Arbeitsabläufe optimal unterstützen. Steinmann: "Wir wollen den Wandel durchsetzen. Nicht nur in der Buchhaltung, sondern auch im Underwriting, im Claims-Management - aus Administrationsmanagement werden Informationsprozesse. Auch für die Entscheider soll es keinen Blindflug mehr geben. Steinmanns Anspruch ist es, die Antwort auf die Kernfrage zu liefern: "Welche Informationen braucht das Management, um gezielte Entscheidungen treffen zu können?"

Auch bei McKinsey, wo sie fünf Jahre gearbeitet hat, war sie ihrer Zeit voraus: "Ich habe damals schon ein bisschen quer in der Landschaft gestanden", resümiert sie ihre Zeit als Beraterin, die gleichzeitig für die dort getrennten Bereiche Finanz- wie auch für IT-Dienstleistungen zuständig sein wollte. Sylvia Steinmann ist dem übergreifenden Denken treu geblieben und hat jetzt bei Swiss Re Financial Services beides in der Hand.