Qwertz-Schmerz ade

Blackberry Q5 im Praxistest

08.08.2013 von Manfred Bremmer
Nach Z10 und Q10 bringt Blackberry nun mit dem Volltastatur-Gerät Q5 sein drittes Smartphone mit dem neuen Betriebssystem Blackberry 10 auf den Markt. Wir haben getestet, wie sich das günstige Basismodell in der Praxis schlägt.

Wer als klassischen Blackberry-Nutzer den typischen Manager mit Anzug und Aktentasche sieht, hat damit nur teilweise Recht. Sicher spielen die Geräte im Business nach wie vor eine wichtige Rolle. daneben sind die Brombeeren aber nicht zuletzt wegen des Blackberry Messenger (BBM) bei Jugendlichen in Großbritannien oder etwa den Niederlanden sehr beliebt. Und während Blackberry hierzulande im niedrigen einstelligen Bereich herumkrebst, verzeichneten die Kanadier in schnell wachsenden Mobilfunkländern wie Südafrika oder Nigeria 2012 noch einen Marktanteil von über 50 Prozent.

Grund genug für den Hersteller, seinen treuen Anhängern für den Wechsel von Blackberry OS7 auf das neue Betriebssystem BB10 ein günstiges Basismodell anzubieten, bevor es sie an Nokia Asha-Modelle oder günstige Android-Geräte verliert. Das rund 400 Euro teure Blackberry Q5, in den Farben Schwarz, Rot, Weiß und (nicht überall) Rosa erhältlich, nimmt damit im Prinzip die Rolle der preiswerteren Curve-Modelle ein, während Q10 und Z10 quasi das Pendant zu Blackberry Bold darstellen.

Blackberry Q5
Blackberry Q5 Schwarz
Blackberry Q5 Pink
Blackberry Q5 Weiß
Blackberry Q5 Rot

Angesichts der Preisdifferenz zu dem über 600 Euro (UVP) teuren Qwertz-Flaggschiff Q10 (Testbericht ) sollte damit klar sein, dass Blackberry bei der Planung des Einsteigergeräts Q5 mit dem Rotstift ordentlich ansetzen musste, um auf seinen Schnitt zu kommen. Tatsächlich ist der Unterschied aber weniger gravierend als bei mehr als 200 Euro Einsparungen zunächst befürchtet.

Design: Schlicht, aber nicht billig

Doch immer der Reihe nach: Natürlich sieht man dem Smartphone den günstigen Preis durchaus an, es wirkt aber keinesfalls billig. Keine Spur von edler Chrom- und Fiberglass-Optik wie beim Q10, stattdessen besitzt das Q5 ein etwas kantigeres Kunststoffgehäuse. Dieses weist mit 120 mal 66 mal 10,8 Millimeter ähnliche Abmessungen wie beim großen Bruder Q10 auf, dank lediglich 120 Gramm (Q10: 139 Gramm) liegt es außerdem gut in der Hand und passt ideal in Jacken- oder Hosentasche.

Schneller schreiben: BB10 liefert während des Tippens Wortvorschläge.
Foto: Manfred Bremmer/Computerwoche

Die Verarbeitung ist soweit passabel, wegen des breiten Spalts zwischen Vorder- und Rückschale ist der Nutzer jedoch bei der ersten Inbetriebnahme leicht versucht, den vermeintlichen Rückdeckel mit roher Gewalt zu entfernen. Vermeintlich daher, denn - wie aus der Anleitung und einem Aufkleber auf der Rückseite hervorgeht - ist der Akku leider fest verbaut, die Klappe für Micro-SIM-Karte und MicroSD-Card befindet sich am linken Gehäuserand.

Auch das Keyboard ist anders strukturiert als beim Q10, nämlich ähnlich wie beim Curve in separate, anstatt (à la Bold) in aneinander grenzende Tasten. Bei der Eingabe waren indes kaum Unterschiede zwischen den beiden Modellen (wurden nacheinander getestet) auszumachen - der Autor hat allerdings generell seine Probleme mit kleinen Handy-Tastatürchen. Praktisch in diesem Zusammenhang: Während der Texteingabe schlägt das System kontinuierlich passende Wörter vor. Zusätzlich funktionieren auf dem Qwertz-Device natürlich auch die zahlreichen von BB OS7 bekannten Shortcuts.

Sparmaßnahme: IPS statt AMOLED
Foto: Blackberry

Leicht an der Preisschraube gedreht haben die Kanadier auch beim Display. Die zugrundeliegende Technik ist nicht AMOLED wie beim Q10, sondern IPS (In-Plane Switching), weshalb man auf die leuchtenden Farben und den größeren Betrachtungswinkel verzichten muss. Der Unterschied fällt allerdings nur im direkten Vergleich zwischen den beiden Geräten auf. Wichtiger ist an dieser Stelle die Tatsache, dass Q5 und Q10 die gleiche Auflösung besitzen. Das 3,1-Zoll große (oder besser kleine) quadratische Display verfügt jeweils über 720 mal 720 Pixel, was einer Dichte von 328 PPI entspricht. Die Darstellung von Dokumenten, Websites etc. ist damit also alles andere als pixelig, ob man sich darauf aber längere Videos und Ähnliches ansehen möchte, muss jeder für sich entscheiden.

Der Verzicht auf die AMOLED-Technik hat indes auch kleine Vorteile in Hinblick auf die ohnehin nicht schlechte Akkulaufzeit. So hält das Q5 mit seiner zusätzlich noch leicht vergrößerten Ladekapazität von 2180 mAh (Q10: 2100 mAh) bei mittlerer Nutzung locker einige Tage durch, bis es wieder ans Ladekabel muss - eine Tugend, die man bei den meisten aktuellen Smartphones vergebens sucht.

Kaum Abstriche bei der Leistung

Auch bei der restlichen Ausstattung hat Blackberry relativ gut abgewogen, was für ein gutes Nutzungserlebnis unbedingt erforderlich ist, beziehungsweise, wo man getrost eine Nummer kleiner nehmen kann. So steht etwa der 1,2-Gigahertz-Dualcore-Snapdragon des Q5 dem mit 1,5 Gigahertz getakteten Chipsatz des Q10 nur in wenig nach, zumal auch ihm 2GB RAM zur Seite gestellt wurden. Im Test öffneten sich die Apps relativ schnell, das Scrollen durch Websites funktionierte ohne Ruckeln und auch mehrere geöffnete Anwendungen stellten kein Problem dar.

Nicht geknausert hat Blackberry auch wenn es darum geht, Kontakt mit der Außenwelt aufzunehmen: So unterstützt das Gerät mit HSPA/UMTS, Quadband-LTE ((800/900/1800/2600 MHz), WLAN (802.11a/b/g/n), NFC, DLNA und Bluetooth 4.0 praktisch die komplette Palette. Bemängeln könnte man lediglich, dass das Q5 bei WiFi nur im 2,4-Ghz-, nicht jedoch im meist weniger frequentierten 5-Ghz-Band funkt.

Mit 5 Megapixel Auflösung fiel auch die Rückkamera eine Nummer kleiner aus als beim Q10 (8 Megapixel). Im Praxistest traten allerdings beide Modelle trotz vielfältiger Einstellungsmöglichkeiten (HDR, Bildformat, Stabilisierung etc.) nicht besonders überragend hervor. Neben der grundsätzlichen Schnappschuss-Tauglichkeit dürfte die videofähige 2-MP-Frontkamera (720p) ohnehin wichtiger sein.

Etwas zu bemängeln ist indes, dass der interne Speicher mit 8 GB relativ klein ausfällt, zumal über 3 GB bereits von System und Anwendungen in Beschlag genommen werden. Es besteht jedoch Möglichkeit, bis zu 32 GB weiteren Speicher über eine microSD-Karte hinzuzufügen. Außerdem sucht man beim Q5 einen HDMI-Port für die externe Wiedergabe von Multimedia auf einem Fernseher oder PC vergebens.

Benutzerfreundliche Software

Das QNX-basierenden Betriebssystem Blackberry 10 mit seinen Besonderheiten Flow, Glance und Peek sowie dem praktischen Hub als Anlaufstelle für Anrufe, Mails, etc. hatten wir bereits bei unserem Preview Ende 2012 sowie in unseren Tests zum Z10 und Q10 näher beschrieben. Zusammengefasst kann man sagen, dass das System nach etwas Eingewöhnung eine gute Alternative zu Android, iOS oder Windows Phone darstellt und sich dank der Dua-Persona-Lösung Blackberry Balance (nur in Verbindung mit BES 10) auch gut für den Unternehmenseinsatz eignet.

Blackberry 10 auf dem Q10

BB10 auf dem Q10
Blackberry OS 10 auf dem Q10
Wie beim Blackberry Z10 gibt es auch beim Q10 Karten, die die aktiven Apps anzeigen.
Blackberry OS 10 auf dem Q10
Ganz links ist der Blackberry Hub der Daten aller angeschlossenen Konten sammelt.
Blackberry OS 10 auf dem Q10
BB OS 10 unterstützt eine ganze Reihe von Mail-Diensten.
Blackberry OS 10 auf dem Q10
Der Browser des Q10
Blackberry OS 10 auf dem Q10
Mit dem Peek-Feature kann man die aktive Anwendung zur Seite schieben und kurz neu eingegangene Nachrichten ansehen.
Blackberry OS 10 auf dem Q10
Die Karten-App von Blackberry OS 10
Blackberry OS 10 auf dem Q10
Remember ist eine Notiz-App, die sich noch dazu mit Evernote koppeln lässt.
Blackberry OS 10 auf dem Q10
Neue Apps findet man über die Blackberry World.

Bei Q5 (und Q10) gibt es bedingt durch das 3,1-Zoll-Display, beziehungsweise die Hardwaretastatur allerdings kleinere Einschränkungen: So kommt die schicke Gestensteuerung wegen des kleinen Displays nicht so gut zur Geltung. Ein wunder Punkt ist aktuell leider auch noch die Menge und Qualität der verfügbaren Apps - die Tatsache, dass Blackberry 10 mit zwei verschiedenen Display-Formaten für Touch- und Volltastaturmodelle arbeitet, ist dabei nicht unbedingt hilfreich. Immerhin hat der kanadische Hersteller Sorge getragen, dass etliche der wichtigsten Apps (z.B. Linkedin, Facebook, Twitter) schon von Anfang an in der Blackberry World bereitstehen.

BB10-Apps
Empfehlenswerte Apps für Blackberry OS 10
Mit dem Blackberry OS 10 kommen auch neue Apps für die Blackberrys. Wir stellen Ihnen einige Anwendungen vor, die Sie in jedem Fall testen sollten.
Linkedin
Das Business-Netzwerk LinkedIn ist in Blackberry 10, ähnlich wie bei Windows Phone, bereits von Anfang an fest integriert. Das bedeutet vor allem auch, dass sich die App direkt in den Blackberry Hub integrieren und Informationen wie neue Kontaktanfragen oder Nachrichten dort anzeigen kann.
Linkedin
Die Mobile App zeigt zudem Aktualisierungen aus dem Netzwerk sowie Informationen von LinkedIn Heute an.
Remember mit Evernote
Remember ist eine in Blackberry OS 10 fest integrierte Notizapplikation, mit der sich beispielsweise E-Mails oder Anhänge einfach und zentral ablegen lassen.
Remember mit Evernote
Zudem lässt sie sich erweitern, etwa mit dem populären Evernote-Dienst. Dann kann Remember Notizen über den Web-Service von Evernote mit anderen Systemen synchron halten.
Blackberry Travel
Blackberry Travel ist bereits aus früheren Blackberry-Versionen bekannt. Damit lassen sich Reisen angenehm planen und übersichtlich verwalten.
Blackberry Travel
Praktisch ist auch, dass Blackberry Travel Reisepläne oder elektronische Reisepläne in eingehenden E-Mails automatisch erkennen und zur App hinzufügen kann.
Facebook
Ohne Facebook kommt heute kaum ein mobiles Gerät aus. In BBOS10 ist Facebook bereits von Anfang an fest in den Hub integriert, dort erscheinen auf Wunsch Informationen zu Status-Updates oder zu direkten Nachrichten.
Facebook
Die Facebook App selbst bietet dann einen mobilen, angenehm schnellen Zugriff auf das Social Network.
Whats App
WhatsApp ist umstritten, aber vor allem bei jüngeren Nutzern enorm beliebt. Mit der passenden Blackberry App hat man auch hier Zugriff auf den Chat-Dienst. (Quelle: WhatsApp)
Whats App
Neben Textnachrichten kann WhatsApp auch Bilder übertragen.
Skype
Der populäre Messenger steht neben Versionen für iOS, Android und Windows Phone auch für Blackberry OS 10 zur Verfügung.
Skype
Im Test hat Skype auch auf dem BlackBerry gut funktioniert.
Blackberry Messenger
Der hauseigene Messenger von Blackberry ist auf den Geräten bereits vorinstalliert. Neu ist in der Version von BB OS 10, dass sich damit auch Video-Gespräche durchführen lassen.
Blackberry Messenger
Außerdem gibt es den Messenger seit Ende Oktober 2013 auch für Android und iOS.
bPod
BBOS10 bringt eine ordentliche Musikverwaltung mit, unterstützt aber keine Podcasts. Dieses Manko lässt sich mit der App bPod beheben.
bPod
bPod bietet zwar kein eigenes Podcast-Verzeichnis, kann die notwendigen RSS und XML-Dateien aber via Google einfach finden.
Amazon Kindle
Amazon hat mit dem Kindle-System wahrscheinlich einen der populärsten digitalen Lesedienste geschaffen. Die passende BBOS10-App bietet den Zugriff auf die eigene Bibliothek vom Blackberry aus.
Amazon Kindle
Auf Wunsch synchronisiert der Blackberry den Lesefortschritt mit anderen Kindle-fähigen Geräten.
Connect to Dropbox
Auch für Smartphones mit BlackBerry OS 10 gibt es die Dropbox.
Connect to Dropbox
Wie von anderen Plattformen her gewohnt lässt sich auch mit der BB-10-App auf die synchron gehaltenen Dateien zugreifen.
DB Navigator
Die Bahn liefert eine Reise-App für den Blackberry. Damit ist der mobile Zugriff auf Reisepläne und eine Auskunft über Abfahrten möglich.
DB Navigator
Leider kann man mit der App aber noch keine Tickets kaufen. Hoffentlich wird diese Funktion zeitnah nachgerüstet.
MyTaxi
Mit der App MyTaxi lassen sich Taxis direkt vom Blackberry aus ordern.
MyTaxi
Besonders praktisch ist, dass innerhalb der App der Anfahrtsweg des jeweils ausgewählten Taxis angezeigt wird.
ADAC Pannenhilfe
Mit der App des ADAC kann man im Problemfall schnell Hilfe anfordern. Die App bestimmt die aktuelle Position und kann direkt mit der ADAC Pannenhilfe Kontakt aufnehmen.
ADAC Pannenhilfe
Ebenfalls enthalten ist eine Checkliste, die die wichtigsten Schritte im Falle eines Unfalls beschreibt.
Hotel Search HRS
Die Hotelsuche von HRS hilft beim Finden von Hotelzimmern. Dabei kann man manuell nach Zimmern suchen oder die App automatisch passende Hotels in der Nähe der des Aufenthaltsortes finden lassen.
Hotel Search HRS
Zudem zeigt die App alle gespeicherten Buchungen an und bietet mobilen Zugriff auf den eigenen HRS-Account.
SoundHound
SoundHound ist eine Suchmaschine für Musiktitel. Die App hört sich dazu einen kurzen Ausschnitt an, schickt ihn zur Analyse und liefert das Ergebnis zurück. Das klappt im Test ziemlich gut.
SoundHound
Die App speichert alle gefundenen Lieder in einer Liste. Ergebnisse lassen sich über Amazon direkt kaufen oder auf YouTube suchen.

Fazit: Das wichtigste Blackberry 2013

Im Großen und Ganzen kommt das Q5 seiner Aufgabe gut nach, auch Blackberry-Fans mit weniger Kaufkraft den Umstieg auf die neue Plattform zu erleichtern. Das Gerät wirkt alles andere als billig, die Einsparungen wurden im Großen und Ganzen mit Sorgfalt bedacht. Zwar ist das Smartphone für Spiele, exzessives Surfen oder generell üppigen Medienkonsum nicht wirklich geeignet, im Vergleich mit älteren Blackberry-Geräten stellt es dennoch eine deutliche Verbesserung dar. Mit Blick auf die Einkommensverhältnisse in manchen Schwellenländern und die Konkurrenz durch 99-Dollar-Androiden ist jedoch die Frage gestattet, ob Blackberry den Preis mit knapp 400 Euro nicht etwas zu hoch angesetzt hat. Hier sollten die Kanadier möglicherweise noch nachbessern, denn in Hinblick auf die Überlebensfähigkeit der Company ist das Q5 wohl das wichtigste Modell für 2013.