Transparenz in Projekten

Blicken Sie hinter die Zahlen

30.01.2019 von Armin Süsser
Ein umfassendes und aussagefähiges Bild zum Status eines Projektes entsteht erst, wenn gängige Metriken ergänzt werden um verhaltensorientierte, qualitative Aspekte.

"Wer freitags einen SPI unter 90 reportet, ist doch selber Schuld". Diese Aussage stammt von einem Projektleiter und ist keine Seltenheit. Und sie zeigt, was alle wissen und dennoch nicht wahrhaben wollen: Zahlen sind eine notwendige Bedingung für Projektsteuerung, aber bei weitem keine hinreichende. Die realistische Einschätzung von erwartbarem menschlichen Verhalten macht ein Projekt erst wirklich transparent.

Der Erfolg eines guten Teams misst sich nicht nur an Zahlen.
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Große internationale Projekte sind ein perfektes Spielfeld für Gruppendynamik. Projektsponsor und Projektleiter stehen in einem komplexen Gefüge aus Interessen - den eigenen, denen der Stakeholder und denen des Unternehmens. Beide wollen das Projekt zum Erfolg führen, müssen sich nach oben absichern und nach unten den möglichst reibungslosen Ablauf sicherstellen. Entsprechend groß ist die Nervosität und entsprechend groß der Wunsch nach Sicherheit.

Gute Projektzahlen dienen kurzfristig Projektsponsor und Projektleiter. So ist die Verlockung enorm, unbewusst Handlungsspielräume zu nutzen und Kennzahlen schönzuschreiben - die Sofortbelohnung ist sichergestellt. Spätestens seit dem Marshmallow-Experiment wissen wir, wie deutlich unsere Kurzzeitorientierung unser Verhalten steuert.

Daran ändert auch die Forderung nach noch mehr Zahlenwerk und Controlling wenig. Risikomanagement, detailliertere Planung, Fortschrittstracking, MTA, kurze Planungszyklen beherrschen die Beteiligten längst. Die Zahl der Problemprojekte ist dennoch nicht kleiner geworden.
Echte Transparenz kann entstehen, wenn mindestens folgende Maßnahmen hinzukommen:

Akzeptieren, dass menschliches Verhalten immer auftritt

Es gibt in IT-Projekten selten einen wirklich objektiven, messbaren Maßstab für das Erreichte, den Fertigstellungsgrad. In allen Werten steckt jede Menge Subjektivität, die noch dazu über viele verschiedene Schätzer kumuliert wird. Das heißt, es gibt eine große Bandbreite möglicher Projektstati, von denen jeder subjektiv "wahr" ist. Sie repräsentieren nicht nur unterschiedliche Infomationsstände, sondern auch unterschiedliche innere Einstellungen zu Risiken und Veränderungen.

Dies zu interpretieren und zu gewichten verlangt vom Projektmanager ein hohes Maß an Empathie und Urteilsvermögen. Nur in regelmäßiger, intensiver Kommunikation mit seinen Teammitgliedern kann er deren individuelle Risikoneigung kennenlernen und so die "alles wird gut"-Typen von den "alles ist immer ganz fuchtbar"-Charakteren unterscheiden. Durch individuelle Zu- und Abschläge entsteht eine gewichtete Gesamteinschätzung, in der der erfahrene Projektleiter seinen intuitiven Durchschnitt bildet. Wenn der größte Pessimist im Team sagt: "unter günstigsten Voraussetzungen könnte es eventuell sein, dass wir doch noch fertig werden" - ja dann ist das Projekt auf einem guten Weg.

10 Basics für Projektmanager der nächsten Generation
Macher-Typen sind nicht mehr gefragt
Der Projektmanager mit rein technischer Expertise ist out, findet Mary Gerush von Forrester Research. Sie beschreibt den Projektmanager der nächsten Generation als kommunikativ, kompetent und stark in Soft-Skills.
1. Emotionale Intelligenz
Das meint die Fähigkeit, Augen und Ohren offen zu halten, um den Input von Projektmitarbeitern und Kunden in Zusammenhang mit dem Ziel in die Arbeit einfließen zu lassen.
2. Anpassungsfähige Kommunikation
Die Fähigkeit, seine Ideen - mündlich oder schriftlich - einem weiten Kreis von Interessenten zu vermitteln, egal, aus welcher Abteilung, aus welchem Kulturkreis und mit welcher Vorbildung sie stammen.
3. Fähigkeit, mit Leuten umzugehen
Die Begabung, schnell positive Beziehungen zu Team-Mitgliedern und Stakeholdern aufzubauen und zu pflegen.
4. Fähigkeit zu managen
Das Können, in einem Team zu arbeiten, es zu motivieren, auf das Ziel zu fokussieren und die Zusammenarbeit im Team zu fördern.
5. Flexibilität
Der Wille und die Fähigkeit, seinen Denkansatz zu überarbeiten, wenn es der Projektgegenstand und das Business verlangen
6. Business-Kenntnisse
Wissen über das Business des Kunden und seine Branche. Die Fertigkeit, seine Strategie zu verstehen und seine Projektarbeit an dieser Strategie auszurichten.
7. Analyse-Fähigkeit
Die Eignung, Probleme analysieren zu können und seine Entscheidungen aufgrund solcher Analysen zu treffen.
8. Blick für den Kunden
Das Vermögen, Kunden- und Anwenderbedürfnisse zu verstehen und den Drang, diese Kundenbedürfnisse im Projekt auch befriedigen zu wollen.
9. Ausrichtung am Ergebnis
Die Fähigkeit, das Projekt effizient und wirksam abzuschließen.
10. Charakter
Der Projektmanager der Zukunft sollte eine ansprechende Persönlichkeit sowie starke Wertvorstellungen und einen moralisch einwandfreien Charakter besitzen.

Basisannahmen müssen zu jeder Zeit systematisch überprüft werden

Fehler werden sehr häufig am Anfang gemacht, und es wird nicht besser, indem man eine initiale Fehlentscheidung durch weitere Fehler zu kaschieren versucht. All dem können objektiv falsche, zum Planungszeitpunkt nicht als solche erkennbare, Annahmen zugrundeliegen.

Häufiger wird aber einfach zu optimistisch geplant um ein Projekt besser verkaufen zu können. Daher ist es für tief in der Krise steckende Projekte plausibel, von grundlegenden Fehlannahmen im Setup erst einmal auszugehen. Diese müssen identifiziert, offengelegt und bekannt gemacht werden, auch wenn das weh tut und sich jemand auf den Schlips getreten fühlt.

Wirksame Gegenstromverfahren müssen ein Projekt verproben

Kommt man auf zwei unterschiedlichen Wegen zu einem ähnlichen Ergebnis, erhöht das seine Plausibilität ungemein. Führen Top-Down-Planung durch das Management und Bottom-Up-Schätzung des Projektteams zu zumindest ähnlichen Zeit- und Kostengrößen, sind die Werte relativ valide und liefern eine solide Basis, auf der ein starkes Committment erwartet werden kann. Führen sie zu gravierenden Abweichungen, liefert ihre Analyse und Diskussion wertvolle Hinweise über möglicherweise implizit verwendete Annahmen und schafft zusätzliche Transparenz.

Tipps für die Mitarbeitermotivation
Zwischendurch Luft schnappen
Da kann es schon für mehr Energie sorgen, zwischendurch kurz an die frische Luft zu gehen. Vielleicht lässt sich ein Meeting nach draußen verlegen.
Ein Kaffee zwischendurch
Wer keinen Kicker oder Sportangebote im Büro vorfindet, dem hilft vielleicht eine kurze Kaffeepause mit Kollegen, um anschließend motiviert und mit neuen Ideen an die Arbeit zu gehen.
Verabredungen am Feierabend
Wer tagsüber im Büro vom Biergartenbesuch träumt, sollte ihn für abends fest einplanen und sich mit Kollegen oder im Freundeskreis verabreden. Die Aussicht auf eine schöne Verabredung motiviert für den Tag.
Ablenkung mit Kollegen
Wer sich kurz mit Kollegen ablenkt - zum Beispiel am Tischkicker - ist danach oft motivierter.
Weg vom Schreibtisch
Besonders bei größeren Arbeitgebern gehören Sport- und Entspannugsangebote genauso dazu wie die Kantine. Sie helfen, danach ausgeglichener und motivierter an den Schreibtisch zurückzukehren.
Entspannung am Schreibtisch
Manchmal muss man für mehr Entspannung den Schreibtisch auch gar nicht verlassen: zum Beispiel für eine kurze Meditation oder wenn der Arbeitgeber einen Massagedienst anbietet.
Entspannung im Sitzen
Mancher entspannt auch lieber allein für einige Minuten und findet in einer Sitzsack- oder Sofaecke Erholung und Motivation für neue Aufgaben.
Eiskalte Motivation
Auch die Aussicht auf ein Eis in der Mittagspause oder nach Feierabend kann die Motivation steigern.
Motivation am Nullpunkt
Gerade wenn es draußen wärmer wird, leidet häufig die Motivation der Mitarbeiter, die gedanklich schon die Füße im Badesee baumeln lassen.

Dezentrales Wissen muss früh verfügbar sein

Team-Mitglieder haben üblicherweise ein feines Gespür dafür, wo sie in ihrem Projekt stehen und welche "Knackpunkte" es gibt. Mögen das auch nur partielle Ansichten und Beurteilungen sein, so sind sie doch meistens inhaltlich begründet und oft gibt es bereits auch Lösungsideen. Dafür muss vielleicht an Schrauben gedreht werden, die für die Teammitglieder nicht erreichbar sind (oder zu sein scheinen) - aber es gibt sie.

Dieses dezentrale Basiswissen kann aktiviert werden und die Chance erhalten, gehört zu werden. Der berühmte informelle Plausch am Kaffeeautomaten, die -vielleicht sogar überraschende- Teilnahme an Standups und Team-Meetings oder ein schönes Abendessen mit dem Team aktivieren abseits der offiziellen Meeting- und Statusagenda einen Informationsschatz, der oft verborgen bleibt.

Projektleiter müssen auf die richtige Weise involviert sein

Es gibt zwei extreme Positionen zu den Anforderungen an einen guten Projektleiter. Auf der einen Seite steht ein technokratischer Ansatz, der die Rolle des Projektleiters auf intime Kenntnis des jeweiligen Vorgehensmodells und seiner obligatorischen Ergebnistypen reduziert und von ihm in erster Linie eine saubere Durchorganisation des Projektkörpers erwartet. Für das Inhaltliche sind Spezialisten verantwortlich.

Am anderen Ende der Skala steht der beste Fachexperten für ein Thema, der zum Projektleiter ernannt wird, ohne über Projektmanagementkenntnisse und -erfahrungen zu verfügen. "Das lernt er/sie dann schon on the job". In beiden extremen Ausprägungen sind Schwierigkeiten vorprogrammiert. Ein guter Projektleiter bringt ein ausgewogenes Portfolio mit und ist bereit, sich in neue Business-Prozesse soweit hinein zu denken, dass er zu eigenen, fundierten Urteilen über Relevanz und Kritikalität des Scopes in seinem Projekt gelangen kann. Nicht nur die Akzeptanz des Auftraggebers auf der Business-Seite, sondern auch sein Standing im Team hängen davon ab, dass er inhaltlich im Bilde ist und die Tragweite fachlicher Entscheidungen beurteilen kann.

Wie sich zeigt: Zahlen sind wichtig, aber als alleinige Grundlage für Transparenz ungeeignet. Der Faktor Mensch liefert nötige Zusatzinformationen, wenn er nicht nur aus dem Bauch heraus erfasst wird - sondern systematisch und strukturell Teil des Projektmanagements wird.