Fresenius Medical Care

Blutwäsche für SAP-Systeme

08.10.2009 von Hartmut  Wiehr
Übernahmen haben Fresenius Medical Care vom Produkthersteller zum Service-Anbieter gewandelt. Das führt zu Problemen bei den SAP-Prozessen. Mit dem "ReloadIT Project" hat das Unternehmen darauf reagiert.
In Schweinfurt stellt Fresenius Medical Care Dialyse-Maschinen her.

Groß geworden ist Fresenius Medical Care mit Dialyseprodukten. Noch größer wurde das Unternehmen durch zahlreiche Akquisitionen, darunter mehrerer Klinikketten für Dialysebehandlung. In der Folge zeigte sich allerdings die Notwendigkeit, die Geschäftsprozesse an diese neue Service-Ausrichtung anzupassen.

Luca Gialdini, Head of IT Strategy EMEA/LA, Fresenius Medical Care. "In Zukunft wird es möglich sein, alle Abläufe der Prozesse und der IT unter einem gemeinsamen Gesichtspunkt zu sehen."

Doch wer so schnell wächst, hat auch Probleme. Und von denen sind einige hausgemacht, wie Luca Gialdini, Head of IT Strategy in Europa und Lateinamerika (EMEA/LA), in einem seiner seltenen Gespräche einräumt. Zu den Schwierigkeiten gehören bei der Integration der übernommenen Gesellschaften die vielen neuen Produkte und Services, die nicht ausreichend in den vorhandenen SAP-Systemen abgebildet wurden.

Dies führte bereits vor zwei Jahren zu der Einsicht, dass die Business-Prozesse und die sie unterstützenden IT-Infrastrukturen in EMEA/LA neu aufgesetzt werden müssen. Es war die Geburtsstunde des "ReloadIT Project", das zusammen mit Spezialisten von Roland Berger entwickelt wurde. Dabei hat auch FMC den "ganzheitlichen Blick" auf die IT entdeckt: Laut Gial-dini wird es in Zukunft möglich sein, alle Abläufe der Prozesse und der IT unter einem gemeinsamen Gesichtspunkt zu sehen – zum Beispiel sämtliche Supply-Chain-Vorgänge von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende.

Supply Chain braucht Hilfe

Mit dem ReloadIT Project reagiert FMC in erster Linie auf organisatorische Veränderungen im Unternehmen. In schlechter Verfassung befanden sich, wie Gialdini berichtet, gerade jene Geschäftsprozesse und IT-Systeme, denen für das Wachstum eine besondere Rolle zukommt. An erster Stelle nennt er die Supply Chain. Es sei dort schnell gelungen, an mehreren Stellen für eine größere Automatisierung und damit sinkende Kosten zu sorgen; auch könne man die Produktion nun durch stringentere KPIs effizienter steuern.

Über das Unternehmen Fresenius Medical Care.

Die erste Projektphase, die im Sommer abgeschlossen wurde, bestand darin, Mitarbeiter aus verschiedenen Geschäftsbereichen und Regionen des Konzerns an einen Tisch zu bekommen. Es fanden mehrere Konferenzen und Workshops statt, auf denen die geänderten Anforderungen der vergangenen Jahre diskutiert wurden. Ergebnis der Analysen: Neuformulierung der Geschäftsziele und -abläufe in EMEA/LA. Außerdem kam man zu dem Schluss, dass die bestehenden SAP-Systeme nicht mehr geeignet sind, diese Vorgaben und Prozesse zielführend abzubilden.

Jedes Land hatte zudem ein eigenes SAP-System eingerichtet, sodass sich eine Lücke aufgetan hatte zwischen den lokalen Anpassungen und den inzwischen möglichen Vereinheitlichungen. Hier wieder zu einer Harmonisierung zwischen den Ländern zu kommen hatte in der Vergangenheit zusätzliche Kosten verursacht.

SAP-Template entwickelt

Eine Arbeitsgruppe von FMC und Roland Berger wurde deshalb beauftragt, ein neues SAP-Template zu entwickeln, das den neuen Ansprüchen genügt, in allen Ländern zum Einsatz kommt und Betriebskosten einspart: Neben Produktion und Supply Chain sollen gleichberechtigt Lager, Distribution, Presales, Financials und Services in einem gemeinsamen Software-Ansatz erfasst werden. Das ReloadIT Project von FMC wurde aufgesetzt und geplant von den Geschäftseinheiten und nicht in erster Linie von der IT-Abteilung. Darin unterscheidet sich ReloadIT sehr stark von vergleichbaren Projekten anderer Unternehmen.

Das bedeutet für den SAP-Einsatz, dass man zwar die Annäherung an Standard-Templates anstrebt, der Ausgangspunkt aber bei den eigenen Besonderheiten als Unternehmen liegt, das sich von einem Produkthersteller zu einem Service-Anbieter gewandelt hat. So werden zurzeit in der zweiten Projektphase durch Experten aus dem Kompetenzzentrum Infocom von Roland Berger und durch die IT-Tochter Netcare von Fresenius eigene SAP-Module entwickelt, die in der nächsten Phase ab 2010 im gesamten Unternehmen ausgerollt werden sollen.

Wurden früher oft nur die Gestehungskosten für einzelne Produkte als Maßstab der Profitabilität genommen, beziehen sich die KPIs nun auf sämtliche Dimensionen von Supply Chain, Verkaufsunterstützung oder Services. Auf diese Weise will man dem erweiterten Geschäftsmodell von Fresenius Medical Care gerecht werden.