Business Process Outsourcing

BPO-Markt Deutschland: Umfang der ausgelagerten Aufgaben nimmt zu

16.09.2009 von Hartmut Lüerßen
Das Auslagern von Geschäftsprozessen hat sich von einem Nischenmarkt zu einer etablierten unternehmerischen Option entwickelt. Die Anbieter von Business Process Outsourcing (BPO) von Verwaltungs- und Querschnittsprozessen übernehmen inzwischen immer komplexere Aufgaben von den Kundenunternehmen.
Hartmut Lüerßen, Partner der Lünendonk GmbH.
Foto: Hartmut Lüerßen

Der Fokus dieser Dienstleistungen richtet sich auf Querschnittsfunktionen wie Finanzbuchhaltung, das Personalwesen, Kunden-Kontakt (Call-Center) oder auch den nicht-strategischen Einkauf.

Darüber hinaus sind in den vergangenen Jahren vielfältige Mischformen von BPO-Dienstleistungen und neue Varianten hinzugekommen. Beispiele für diese Entwicklungen sind etwa die Nutzung von Software für die Geschäftsprozesse als Service (Software as a Service) oder Varianten, die Eigenbetrieb und BPO-Dienstleistungen mischen.

So gibt es beispielsweise Fälle, in denen der Anwendungsbetrieb für die Lohn- und Gehaltsabrechnung in einem kommunalen Rechenzentrum verbleibt und im ersten Schritt lediglich neue Services, etwa die elektronische Personalakte, durch einen Dienstleister erbracht werden. Diese Varianten sind beispielsweise dann für Kundenunternehmen interessant, wenn langfristige Vertragsbeziehungen oder andere Verpflichtungen eine komplette Umstellung verhindern.

Ergänzend zu den branchenübergreifend sehr ähnlichen Querschnittsprozessen entstanden in den vergangenen Jahren vermehrt branchenspezifische Angebote, etwa für Versicherungen, die Medienindustrie oder das Gesundheitswesen, beispielsweise durch Spezialisierung von Callcenter-Anbietern oder Diagnostik-Services.

Heterogener Anbietermarkt

Der Anbietermarkt in Deutschland ist sehr heterogen und noch wenig konsolidiert. Insgesamt wird das Marktvolumen für BPO in Deutschland von verschiedenen Analysten und Anbieterunternehmen auf etwa eine Milliarde Euro in 2008 geschätzt. Die Umsätze der Callcenter-Anbieter sind in diesen Betrachtungen nicht enthalten.

Nur wenige Unternehmen kommunizieren ihre genauen Umsätze mit Business Process Outsourcing. Die Gründe dafür sind vielfältig. Teilweise handelt es sich bei den größeren Anbietern um ausgegliederte Shared Services Organisationen großer deutscher Konzerne, die keine eigenen Umsatzzahlen beziehungsweise keine Umsätze für die Business-Process-Outsourcing-Dienstleistungen veröffentlichen. Beispiele hierfür sind die Bertelsmann-Tochter Arvato Services, Bayer Business Services oder Autovision (Volkswagen AG). Diese captiven Unternehmen erzielen den größten Teil ihres Umsatzes mit der Konzernmutter. Der Anteil der Umsätze mit Kunden am freien Markt variiert stark.

Zu den größten nicht captiven Anbieterunternehmen für Business Process Outsourcing mit Sitz in Deutschland gehören die TDS AG, Neckarsulm, sowie die VRG, Oldenburg, beide Anbieter sind auf das Auslagern von Personalverwaltungsaufgaben spezialisiert. Der bezogen auf die Zahl der monatlichen Lohn- und Gehaltsabrechnungen größte BPO-Anbieter in Deutschland, die Datev e.G., stellt innerhalb der Anbieterlandschaft als eingetragene Genossenschaft eine Sonderform dar.

Steigende Komplexität

Die Anforderungen an die Personalfunktion im Unternehmen steigen kontinuierlich. Dabei wird es für die Verantwortlichen im Spannungsfeld zwischen Kostendruck und hohem Verwaltungsaufwand immer schwieriger, mehr Zeit für die strategischen Personalaufgaben zu gewinnen. Doch diese strategische Personalarbeit entscheidet maßgeblich darüber, wie der Personalbereich im eigenen Unternehmen wahrgenommen wird: Ist er Mitgestalter der wichtigen unternehmerischen Entscheidungen? Oder ist er Umsetzer der Vorgaben der Unternehmensführung?

Dabei verlagert sich der Fokus zunehmend auf komplexere zusammenhängende Aufgabenpakete. In der Personaladministration sind dies Themen wie Seminar-Verwaltung, Führen der Personalakte, betriebliche Altersvorsorge, Kontakt-Center für Anfragen der Mitarbeiter und Pensionäre oder die Kommunikation mit den Krankenkassen und Sozialversicherungsbehörden.

Hoher Automatisierungsgrad bei (Online-)Prozessen

Neben der Komplexität der Prozesse wächst die Vielfalt der Angebote. Das zeigt auch der aktuelle Lünendonk-Guide 2009: "Business Process Outsourcing: Anbieter von Verwaltungs- und Querschnittsprozessen". Der Guide analysiert die Anbieterlandschaft, neue Services-Modelle wie Software as a Service (SaaS) sowie Prozess-Plattformen, die beispielsweise im Thema Finance komplette Prozessketten wie "Order-to-cash" abbilden.

Ein noch neues HR-BPO-Thema, bei dem Dienstleister verschiedener Herkunft bei den Kunden aufeinandertreffen, ist das Recruitment Process Outsourcing, also das Auslagern von Teilen der Mitarbeiterrekrutierung.

Während transaktionsorientierte BPO-Anbieter mit ihrem Bewerbermanagement vor allem auf den Bewerbungseingang sowie formale Unterlagenprüfung und standardisierte Bewerberkommunikation abzielen, gehen integrierte Personaldienstleister mit dem Recruitment Process Outsourcing noch einen Schritt weiter und fokussieren auf das Rekrutierungsergebnis: den eingestellten Mitarbeiter.

So umfasst das Angebot solcher integrierter Personaldienstleister beispielsweise neben durchgängigen (Online-)Prozessen für den Bewerbungseingang auch Online-Assessment-Center für die Bewerber oder die Durchführung von Bewerbungsgesprächen zur Entlastung des Auftraggeberunternehmens. Mehr Verantwortung kann ein Dienstleister im Rekrutierungsprozess wohl kaum übernehmen.

Hartmut Lüerßen ist Partner der Lünendonk GmbH