Weltweite SCM-Anwender-Rangliste von Gartner

Burgerkette verdrängt Amazon

23.07.2013 von Werner Kurzlechner
McDonald’s schiebt sich hinter und vor Amazon auf den zweiten Platz des Lieferketten-Rankings von Gartner. Noch höher bewerten die Analysten aber die Fortschritte von Unilever und Intel. Ein aktueller Trend ist momentan die Suche nach Synergien in den Datenströmen.
Die ersten 15 Firmen aus Gartners neuem Ranking.
Foto: Gartner

Apple, McDonald’s und Amazon setzen nach wie vor weltweit die Maßstäbe beim Management von Lieferketten. Das geht aus einer Rangliste von Gartner hervor, die wie in den Vorjahren die 25 erfolgreichsten Unternehmen im Supply Chain Management (SCM) aufführt. Die Fast Food-Kette hat im Vergleich zum Vorjahr den Internethändler vom zweiten Platz verdrängt.

Bemerkenswert am globalen Ranking ist zum einen der satte Vorsprung, den Apple in diesem Bereich auf die Elite der Weltfirmen hat: 9,51 Indexpunkte gegenüber lediglich 5,87 bei McDonald’s, dahinter geht es in einer deutlich moderateren Staffelung weiter. Zum anderen ist hervorzuheben, dass Unilever (im Vorjahr 10.) und Intel (im Vorjahr 7.) Dell (jetzt 11.) und Procter & Gamble (jetzt 6.) aus den Top Five verdrängten. Erwähnenswert ist das zwar schon deshalb, weil es die beiden zentralen Veränderungen im Vorderfeld der Liste sind. Nebenbei bemerkt positioniert sich Unilever damit erneut als bestes europäisches Unternehmen beim SCM, der Aufstieg unter die ersten Fünf signalisiert dabei durchaus das Aufholen europäischer Firmen gegenüber den Platzhirschen aus den USA.

Spannend an Unilever und Intel ist aber vor allem, dass die beiden Unternehmen mit klarem Abstand die größte Wertschätzung von Seiten der Analysten selbst erhalten. Diese macht aber nur ein Viertel der Gesamtwertung aus. Genauso stark gewichtet werden die Beurteilung der Aktivitäten durch andere Firmen – dafür wurden von Gartner 172 Unternehmen um ihre Meinung gebeten – und – als wichtigste objektive Größe – der Return on Assets (ROA) über drei Jahre hinweg, als der Ertrag der eingesetzten wirtschaftlichen Ressourcen. Daneben fließen der Güterumschlag und das Umsatzwachstum über drei Jahre in die Rangliste mit ein.

Ein hoher methodischer Aufwand also. Gartner betreibt ihn, um anhand der zweifellos bei SCM und insgesamt erfolgreichen Firmen aufzuzeigen, wie Lieferketten aktuell am besten gesteuert werden. Das geschieht einerseits anhand der Best Practices, für die jedes Unternehmen in der Liste ein Beispiel abgibt. Andererseits dadurch, dass die Analysten aus diesem Material allgemeine Trends und Empfehlungen herausfiltern. Momentan beobachtet Gartner drei Schlüsseltrends: Erstens finden die Vorreiter Synergien zwischen verschiedenen Best Practices; zweitens werden Partnerschaften produktiver in Wachstum umgesetzt; drittens werden die talentiertesten Köpfe beim SCM auf und zu neuen Wegen inspiriert.

Visibilität und Netzwerk-Optimierung

Die Performance-Grenze verschiebe sich, meint Gartner. Bei der Lieferketten-Transformation seien viele Unternehmen noch mit notwendigen Grundlagen beschäftigt: dem Aufbau von End-to-End-Supply Chain über Business-Grenzen hinweg mit einem Fokus auf verbesserten Funktionalitäten und der Schaffung übergreifender Systeme und Prozesse. Fortgeschrittene Firmen sind laut Gartner demgegenüber bei Initiativen zur Segmentierung, Simplifizierung, Cost-to-Serve-Analyse, mehrstufiger Visibilität und Netzwerk-Optimierung angekommen. Die Vorreiter indes schöpfen längst aus einem Füllhorn, das durch Synergien entsteht. Dafür nur ein Beispiel: Cost-to-Serve-Daten können in einer Region oder einem Geschäftsfeld der Senkung von Lager- und Transportkosten dienen; anderswo eröffnen sie aber möglicherweise neue Optionen zur Feinabstimmung von Geschäftsbedingungen und zur Reduzierung von Komplexität. Die Top-Unternehmen nutzen bereits derartige Potenziale.

Darüber wird laut Gartner in Firmen wie Cisco, Intel, Unilever oder Starbucks SCM nicht mehr vorrangig als Mittel zur Kostendämpfung verstanden, sondern als Flankierung von Wachstumsstrategien. Das Beschaffungswesen in diesem Unternehmen erledige sein Kerngeschäft quasi nebenbei; darüber hinaus kreisten die Gedanken aber vorrangig darum, wie durch abteilungsübergreifende Zusammenarbeit nachhaltiges Wachstum stimuliert werden kann. Gartner nennt als Beispiel interner Partnerschaften Teams mit Mitarbeitern aus IT, Vertrieb, Marketing und Operations, die gemeinsam Eintrittsstrategien für neue Märkte entwickeln. Das beinhaltet unter anderem auch die Verständigung auf die vor Ort benötigte SCM-Infrastruktur.

Erfolgsrezepte für die Lieferkette
Bei den SCM-Ranglisten gibt es bei Gartner ein Ritual: Die Analysten veröffentlichen stets im Juni als Appetithäppchen die 25 erfolgreichsten Anwender weltweit. Eine ausführliche und regional gestaffelte Analyse erscheint immer erst einige Monate. Wir haben die europäischen Spitzenreiter des Vorjahres aus Anlass der aktuellen Liste noch einmal ins Visier genommen. Das lohnt sich deshalb, weil die Analysten für jedes Unternehmen das Erfolgsrezept verraten.
Platz 1: Unilever
Schon 2012 der klare Spitzenreiter in Europa. Als Schlüssel zu Erfolg nennt Gartner die Einführung eines Virtual Manucfacturing Network, das schnell Fluktuationen bei der Nachfrage vor Ort ausgleichen und die globalen Kapazitäten anpassen kann. Unilever sei zudem in der Lage, seine Produkte proaktiv auf Profitablität zu trimmen - auch differenziert nach den jeweiligen Märkten. Erreicht wurde die laut Gartner durch eine umfassende Segmentierung der Lieferkette.
Platz 2: Inditex
Indiwas? Bekannter als der galizische Textilkonzern Inditex ist sein Bekleidungslabel Zara. Im Gartner-Ranking ging es jährlich stetig nach oben. Die Heransgehensweise an Design und Lieferkettenressourcen sei legendär, meinen die Analysten. Die Inditex-IT verarbeitet einen unaufhörlichen Datenfluss aus den Zara-Läden, in den spezielle Kundenwünsche aufgenommen werden. Rohstoffe werden oft günstig auf Halde gekauft, produziert wird nach Bedarf. Das geschieht zum Teil in der spanischen Heimat, um schneller als die Konkurrenz auf dem Markt zu sein. Gartner lobt, dass für diese Strategie bewusst höhere Herstellungskosten in Kauf genommen werden.
Platz 3: H&M
Nochmals Klamotten, nochmals Retail, dieses Mal aber aus dem kühlen Schweden. Basis des SCM-Erfolges ist nach Gartner-Einschätzung das traditionelle Kernsystem. Vernetzt sind 2400 Läden, 800 Zulieferer und 20 Produktionsstätten. Die Produktion ist komplett ausgelagert, das Design zentralisiert. Obendrauf gibt es aber technologische Innovation. H&M experimentiere mit Augmented Realitiy, um das wachsende Social Media-Geschäft besser zu durchschauen und zu antizipieren, berichtet Gartner.
Platz 4: Nestlé
Für Nestlé ging es im 2012er-Ranking bergab. Das liegt laut Gartner ans rückläufigem Umsatzwachstum, was logischerweise weder der CIO noch andere SCM-Verantwortliche alleine ändern können. Anerkennung finde die SCM-Arbeit des Nahrungsmittelkonzern aber bei Fachleuten, so Gartner. Ein Baustein: SCM wird als klar als berufliches Profil definiert. Talente werden intern geschult und in Exzellenz-Projekten gefördert. Klare Karrierepläne sind ebenso selbstverständlich wie die Zusammenarbeit mit akademischen Institutionen. Ein Musterschüler also für den Nachwuchs-Trend, den Gartner in der aktuellen Studie herausarbeitet.
Platz 5: AstraZeneca
Der Pharmakonzern mit biotechnologischem Profil erreicht laut Gartner eine schlanke und kundenorientierte Lieferkette durch drei Maßnahmen: erstklassige Forschung & Entwicklung, operative Effizienz und globale Orientierung. Wenn sinnvoll, wird ausgelagert. Es gbit abteilungsübergreifende Teams, in die neben den Fachleuten auch IT und Finance eingebunden sind. Zu den innovativen Initiativen zählt Gartner auch den Betrieb einer eigenen Internetapotheke.
Platz 6: Tesco
Der britische Elektro-Retailer musste durch ein schwieriges Jahr steuern. Dass sich die Kundenzufriedenheit und der Service dennoch verbesserten, lag laut Gartner auch an SCM-Technologie: Implementiert wurde das Toyota Production System (TPS), außerdem Value Stream Mapping. Selber entwickelt hat die Handelskette ein gut funktionierendes Betriebsmodell für alltägliche Prozesse und Metriken.
Platz 7: BASF
Zum dauerhaften Erfolg führt den Chemieriesen aus Ludwigshafen nach Gartner-Bewertung die parallele Fokussierung auf soziale Verantwortung, Umweltschutz und Wachstum in neuen Märkten. Die weltweiten Beschaffungsaktivitäten wurden standardisiert. Neue E-Procurement-Apps verhelfen zu gesteigerter Visibilität, beschleunigten Ein- und Verkauf sowie insgesamt erhöhter Effizienz in der Lieferkette.
Platz 8: Reckitt Benckiser
Der britische Konzern vereint eine Schar an bekannten Haushalts, Kosmetik- und Pflegemarken unter seinem Dach. Den SCM-Erfolg führt Gartner vor allem auf die IT-Unterstützung zurück. RB hat Portfolio-Management aufgebaut, um Komplexität zu managen. Die IT nutzte zudem Analytics-Tools, um die Vertriebs- und Betriebsplanung auszubauen und mit der integrierten Geschäftsplanung zu verzahnen. Für Führungskräfte gibt es internationales Austauschprogramm für die Karriereentwicklung.
Platz 9: BMW
In der Kategorie SCM sind die Münchner Europas erfolgreichster Autobauer. Gartner nennt als Erfolgsfaktoren die kontinuierliche Internationalisierung der Lieferkette, gegenseitige Unterstützung der Produktionsstätten mit dem Mehrwert Produktivität und Flexibilität bei kontrollierten Kosten, Expansion in Asien und eine internationale Eingreiftruppe, die Probleme so schnell wie möglich löst.
Platz 10: Novartis
Der Pharmakonzern strebt nach Wachstum in neuen Geschäftsfeldern wie Biomedizin. Bei der Lieferkettenstragie rückt der Patient stärker in den Mittelpunkt. Wie Gartner bemerkt, sind Wettbewerber vor allem von Novartis' Governance-Modell beeindruckt, das weltweit für Compliance sorgt. Agilität bringen Methode des Toyota Production Systems ins Haus.
Platz 11: Anheuser Busch
Der belgische Brauereikonzern zielt laut Gartner vor allem auf die USA und Brasilien als Märkte. Neben Segmentierung und intensiver Markforschung nutze das Unternehmen auch Retail Scorecards und Competitive-Response Modelling, so Gartner.
Platz 12: Syngenta
Der Saatgut- und Agrarchemiehändler aus der Schweiz hat laut Gartner eine eigene Tochterfirma ins Leben gerufen, die innovative Outsourcing-Angebote schnürt. So will man attraktiver für strategische Partner werden und überhaupt die Kooperation mit externen Partnern intensivieren.
Platz 13: Roche
Der Pharmariese verbinde Systeme und harmonisiere Prozesse auf der gesamten End-to-End-Lieferkette, so Gartner. Das Ziel ist, eine umfassende Sicht auf die Kunden zu gewinnen. Konkret bedeutet das zum Beispiel die Integration von Planung und Ausführung bei klinischem Versuchsmaterial, um Lagerzeiten zu verkürzen.
Platz 14: BAT
Der Tabakkonzern will auf kontrolliertem Wege schneller als die Wettbewerber auf dem Markt sein und intensiviert den Vertrieb über seine eigenen Verkaufsstellen. Nach der Implementierung von Rationalisierung und Spezifizierung liegt der Fokus momentan auf der Logistik.
Platz 15: Volkswagen
Nach Einschätzung von Gartner ist der Schlüssel des Erfolges von VW für die nähere Zukunft das modulare Konstruktionssystem, das Flexibilität und Effizienz in die Produktlinien bringt. Im Lieferkettenmanagement liegt das Augenmerk auf Standardisierung von Prozesse, verkürzten Lieferzeiten und regionaler Segmentierung.

Gartners dritte Trend-Beobachtung sind neue Wege eher bei der Talentaktivierung als bei der Talentsuche. Dass durch ausgeweitete Kooperationen mit Universitäten, Personalrotation, spezifisch auf SCM ausgerichtete Karrierepläne und Führungskräfteschulungen sowie Lernoptionen auf diversen Kanälen Nachwuchs für Laufbahnen in der Lieferkette rekrutiert und getrimmt wird, ist nach Wahrnehmung der Analysten nur die eine Seite der Medaille. Zugleich wollen die Vorreiter unter den Firmen offenbar mehr und zielen auf die Motivation ab: „Für sie geht es darum, die Herzen und nicht nur die Köpfe zu gewinnen", so Gartner. Leidenschaft und Begeisterung für die SCM-Arbeit sollen demnach geweckt werden – mehr eben als bloße Pflichterfüllung. Das klingt gewiss arg amerikanisch und soll konkret geschehen, indem individuelle Aktivitäten mit größeren Zielen verknüpft werden und über gesellschaftliche Verantwortung – zum Beispiel auch für die Mitarbeiter von Zulieferern – aufgeklärt wird.

Gartner gibt Anwendern Tipps

Aus diesen Trendbeobachtungen leitet Gartner seine Handlungsempfehlungen ab. Nach der Harmonisierung von grundlegenden Prozesse, Datenstrukturen und Basis-Lösungen für die weltweite Lieferkette sollte ein neues Performance-Niveau angestrebt werden. Und zwar durch Funktionen wie End-to-End-Segmentierung, Cost-to-Serve-Analytics, Visibility auf verschiedenen Ebenen und Optimierung des Liefernetzwerkes. IT-Mitarbeiter sollen Teil abteilungsübergreifender Teams werden, die gemeinsam neue Marktpotenziale ausloten. Und der Nachwuchs sollte laut Gartner im beschriebenen größeren Rahmen motiviert werden.

Das Ranking „The Gartner Supply Chain Top 25 for 2013" ist auf der Gartner-Website abrufbar. Voraussichtlich im Spätsommer folgt eine ausführliche und regional aufgeschlüsselte Analyse.