Resümee zum Mobile World Congress 2016

Business-Ideen und Use Cases für die IoT-Welt sind da

26.02.2016 von Jürgen Hill
Eines zeigte der diesjährige Mobile World Congress deutlich: Business-Ideen und Use Cases für das Internet of Things (IoT) gibt es genügend. Jetzt sind die Unternehmen bei der Produkt-Implementierung gefragt.
Vom vernetzten Hund bis zum smarten Retail-Shopping-System reichten die IoT-Idden auf dem MWV 2016.
Foto: Jürgen Hill

Bereits vor einem Jahr zogen wir nach dem Mobile World Congress (MWC) das Fazit "Das Internet der Dinge ist da". Das gilt in noch stärkerem Maße für den MWC 2016. Nicht nur die Technik ist vorhanden, sondern auch die Business-Modelle und Uses Cases haben konkrete Gestalt angenommen. So standen nicht mehr technische IoT-Spielerei beziehungsweise Machbarkeit im Vordergrund, sondern die Frage nach dem Nutzen für den User und wie sich damit Geld verdienen lässt. Vereinfacht zusammengefasst stehen dabei vor allem drei Szenarien im Vordergrund: Die Home Automatisation, der Bereich Health Care sowie das Retail-Segment und die daran angebundene Logistik.

Dabei zeigte der MWC 2016 noch eine andere Entwicklung überdeutlich: Die Zeiten, in denen Hersteller glaubten, sie könnten mit proprietären Lösungen etwa beim Smart Home in einen "Vendor lock in" drängen, sind vorbei beziehungsweise habe wohl nie begonnen, denn bislang beschränkten sich die Verkäufe solcher Systeme auf wenige Enthusiasten. Offenheit war denn auch eines der Schlagworte im Zusammenhang mit IoT. Eine Offenheit, die in der Kombination verschiedener Techniken neue Anwendungsszenarien ermöglicht.

Müllsünder mit IoT jagen

Mit dieser autarken, per LTE vernetzten Kamera, sollen Müllsünder gejagt und zur Kasse gebeten werden.
Foto: Jürgen Hill

Ein Beispiel dafür ist beispielsweise der Kamerahersteller Axis. Nun sind Überwachungskameras beileibe keine neue Idee, doch hier entsteht aus der Kombination eine neue Geschäftsidee. So packte Axis die Kamera in ein Gehäuse und kombinierte sie mit einem LTE-Modul von Sierra Wireless und packte zudem etwas Rechen-Power in das Gehäuse. Dank einer Solarzelle auf dem Dach kann das Gerät autark aufgestellt werden und der integrierte Rechner kann Bewegungen erkennen sowie Nummernschilder erfassen.

In dieser Kombination dient die Kamera nun zur Überwachung von Rastplätzen, um die illegale Müllentsorgung, die europaweit jährlich für hohe Schäden sorgt, zu bekämpfen. Dank Foto- und Videobeweis sowie Kennzeichenerfassung können die Übeltäter zur Kasse gebeten werden. Zwei Monate im Einsatz, so erzählte man bei Axis, und ein Rastplatz sei wieder sauber und die Kamera könnte, dank ihrer autarken Bauweise an einem anderen Ort einfach eingesetzt werden.

Parkautomaten für die Smart City

Im IoT-Zeitalter werden auch die Parkscheinautomaten intelligent
Foto: Jürgen Hill

Ebenfalls autark und mit Intelligenz ausgestattet, arbeitet ein neuer Parkscheinautomat von Parkeon. Per 3G oder LTE vernetzt, ist der Automat mit einem Backoffice verbunden. Auf diese Weise ist nicht nur das Bezahlen per Kreditkarte möglich, sondern es lassen sich auch zusätzliche Services realisieren. Eine Anwendung ist etwa, dass Anwohnern nach Eingabe ihres Kennzeichens ein Rabatt eingeräumt wird oder gar kostenlos ein Parkschein ausgestellt wird - die aufwändige und zeitraubende Erteilung von Anwohnerparkausweisen wie in deutschen Städten wäre damit obsolet.

Ebenso ist vorstellbar, dass Kennzeichen und die bezahlte Parkdauer automatisch an die Parkraumüberwachung übermittelt werden und so Parksünder gezielt verfolgt werden können. Aber auch für den Benutzer offeriert das System einen Mehrwert: Über die Mobilfunkverbindung kann etwa lokalisierte Werbung, News oder das Wetter der nächsten Stunden auf das Automaten-Display transferiert werden. Ferner ist eine Ausgabe des Parkschein per App direkt auf Smartphone denkbar. Ebenso wäre denkbar, dass der Kunde ab einer gewissen Parkzeit beim Bezahlen Rabatt-Coupons der umliegenden Geschäfte erhält und so deren Umsatz angekurbelt wird.

Smart Retail Management

Der Händler selbst könnte seine Ladenutzung mit einer von Acer entwickelten Lösung zum Smart Retail Management verbessern. Diese benötigt lediglich eine IP-Kamera. "Dazu können auch bereits vorhandene IP-fähige Überwachungskameras verwendet werden", so Maverick Shih, President der BYOC- und Tablet-Business-Group bei Acer. Über die entsprechenden BYOC-Cloud-Anwendungen kann der Händler dann feststellen, wo sich die Leute in seinem Laden am häufigsten aufhalten oder welche Produkte die Kunden besonders interessieren. Gleichzeitig erlaubt es ihm die Anwendung, das Kundenverhalten täglich, wöchentlich, monatlich oder im Jahresverlauf zu analysieren.

So ist er auf einfache Weise in der Lage seine Kundenströme zu optimieren, ohne in neue Technologie wie Beacons etc. investieren zu müssen. Das Einkaufserlebnis könnte er zudem für seine Kunden noch mit der Digital-Signage-Lösung DWIN ergänzen: Indem er etwa vor Ort individuell über Produkt- und Serviceangebote informiert und mit aktuellen Schlagzeilen einen Mehrwert bietet. DWIN basiert auf einer Kooperation von Acer, Cittadino und n-tv.

Der virtuelle Möbelkauf

Bei manchen Ideen, wie diesem vernetzten Turschuh, zweifelten selbst Experten am Business Case.
Foto: Jürgen Hill

Ebenso ist im IOT-Zeitalter die virtuelle Unterstützung des Kunden keine Zukunftsmusik mehr, wie iStaging auf dem MWC zeigte. Per Augmented und Virtual Reality kann der Kunde hier seine Wohnung vor dem Möbelkauf virtuell einrichten und per 3D-Darstellung darin bewegen, und so einen konkreten Eindruck gewinnen. Hierzu kombiniert iStaging Virtual Reality, Augmented Reality und 3D Scanning miteinander.

Burger-Kauf online im Drive in

Durch die Kombination von Connected Car und Beacon-Technologie wird wiederum ein anderes Retail-Szenario möglich, welches das kanadische Unternehmen Summit Tech auf dem Mobile World Congress zeigte. Per Beacon kann etwa ein Fast-Food-Anbieter die Annäherung eines Kundenfahrzeuges feststellen und auf das Display des Fahrzeuges die aktuelle Karte übertragen. Noch während der Anfahrt bestellt der Kunde dann über eine Smartphone-Verbindung und bezahlt on-board per Karte. Lange Wartezeiten am Drive-in-Schalter entfallen damit.

Smart Home

Eine Smart-Home-Lösung auf IMS-Basis.
Foto: Jürgen Hill

Den Beweis, dass ein Smart Home auch kostengünstig realisierbar ist, traten die Kanadier auf dem MWC an. Zur Realisierung bauen sie auf IMS (IP Multimedia Subsystem) auf, das von fast allen Mobilfunkanbietern unterstützt wird. Nach Angaben der Kanadier braucht ihr System so lediglich einen Home-Hub, der rund 50 Dollar kostet. Alternativ kann auch ein entsprechender USB-Dongle an einen vorhandenen Router angesteckt werden. Türschlösser, Kameras, Licht, Thermostate etc werden per Bluetooth, ZigBee oder Zwave mit dem System gekoppelt. Diese Geräte bedient der User entweder per App oder per Text-Messages. Inhouse ist ferner eine Steuerung über Amazons Alexa möglich.

Die App selbst informiert den User zudem über den Zustand des Hauses, etwa ob ein Alarm ausgelöst wurde, oder eventuell ein Familienmitglied aufgrund eines vergessenen Schlüssels vor verschlossener Tür steht und ihm remote geöffnet werden soll. Der Benutzer selbst identifiziert sich gegenüber dem System mit seinem Smartphone. Eine andere Funktion ist wiederum das automatische hoch- und herunterregeln der Haustemperatur, wenn sich der Nutzer nähert oder sich entfernt.

Alle diese Funktionen lassen sich über die App auf dem Smartphone überwachen und monitoren, wobei zudem noch medizinische Devices wie die biometrische Weste Hexoskin, die etwa Herzschlag, Atemfrequenz und andere Parameter misst, eingebunden werden können. Als Vertriebskanal sehen die Kanadier die klassischen Carrier, da diese das Provisioning des Systems übernehmen und zusätzliche kostenpflichtige Services offerieren könnten. Vorstellbar sei aber auch der Vertrieb über Retail-Märkte (Baumärkte etc.)

Der virtuelle Arzt

Patientenbetreung per IoT.
Foto: Acer

Das Thema Medizin, Patientenüberwachung und IoT nahm auf dem MWC auch bei Acer einen breiten Raum ein. Der Clou dabei ist, dass die Lösung auf Seiten des Anwenders kein teures Spezialequipment benötigt. Um etwa Blutdruck und Puls zu kontrollieren, die richtige Medikation zu überwachen, genügen handelsübliche Blutdruckmessgeräte und Medikamentenspender, wie sie schon heute mit Bluetooth-Schnittstelle erhältlich sind. Per Bluetooth werden diese mit einem normalen Tablet gekoppelt. Darüber hinaus ist beim Patienten lediglich Kubi von Revolve Robotics erforderlich.

Dabei handelt es sich um einen Tablet-Ständer, der wie ein Roboter ferngesteuert werden kann, Auf diese Weise kann der Arzt in einer Telehealth-Sitzung das Tablet unterschiedlich auf den Patienten ausrichten. Sollte dem Anwender die Einrichtung von Bluetooth zu kompliziert sein, so gibt es mittlerweile Körperwaagen, Blutdruckmessgeräte etc. , die sich per 3G-Netz vernetzen lassen.

Auch das Fahrrad geht in der IoT-Welt online.
Foto: Jürgen Hill

Der Arzt selber benötigt lediglich ein aBeing-One-Device von Acer als IoT-Plattform, um sich remote mit dem Patienten zu verbinden und dessen Daten zu überwachen. Ein Dashboard am PC informiert ihn dabei über Abweichungen, so dass der Mediziner im Bedarfsfall über das Tablet des Patienten eine Videoverbindung zur virtuellen remote Visite aufbauen kann.

Die Entwicklung obiger IoT-Szenarien sollte für Unternehmen mittlerweile kein Problem darstellen. Immer mehr Anbieter wie etwa Jasper Technologies oder Sierra Wireless stellen komplette Plattformen bereit, so dass sich Entwickler nicht mehr mit den Kommunikationswegen einer IoT-Lösung befassen müssen und sich auf ihre Anwendung konzentrieren können.

Die Funktionen zur Kommunikation, aber auch zur Diagnose, falls etwa die Kommunikation gestört ist, stellt Jaspers IoT-Cloud-Plattform. Gleichzeitig liefert sie Schnittstellen und APIs zu verschiedenen Software-Plattformen wie Microsofts Azure, Salesforce, SAP Hana oder der IoT-Foundation von IBM. Und Sierra Wireless bietet mit der Smart SIM eine integrierte Device-to-Cloud-Lösung, einschließlich Hardware, Verwaltungsfunktion für die Internetverbindung und Cloud Services für überregionale und betreiberübergreifende IoT-Anwendungen.