70 Dollar Mobil-Kosten pro Kopf

BYOD-Kalkül geht oft nicht auf

14.11.2011 von Werner Kurzlechner
Statt Kosten mobiler Kommunikation zu senken, zahlen viele Firmen laut Aberdeen sogar drauf, wenn sie Mitarbeitern die Nutzung privater Smartphones bezahlen.
Nutzt dieser Mitarbeiter ein privates Gerät zur Arbeit? Wie intensiv macht er das? Und wie hoch sollte der finanzielle Ausgleich sein? BYOD wirft Fragen auf, die in vielen Firmen ungelöst sind.
Foto: MEV Verlag

Die Unternehmens-IT ist mittlerweile zu einem guten Teil mobil und drahtlos; grenzüberschreitende Kommunikation scheint dank Roaming bezahlbar; zusätzliche Vorteile erhoffen sich immer mehr Firmen durch die Einbindung privater Endgeräte der Mitarbeit unter dem Label „Bring Your Own Device“ (BYOD). Drei Trends, die sich gegenseitig bedingen und durchdringen – die aber gleichzeitig die Frage aufwerfen, ob man als Unternehmen all das strategisch richtig anpackt. Die Marktforscher von Aberdeen untersuchen jetzt in einer neuen Studie die Auswirkungen auf der Kostenseite und stellen beträchtliche Unterschiede fest. Den BYOD-Ansatz beurteilt Autor Hyoun Park dabei ähnlich kritisch wie viele CIOs.

Wie üblich unterteilt Aberdeen die befragten 110 Unternehmen aus aller Welt knallhart nach Erfolg und Performance. Das Fünftel der „Klassenbesten“ gibt demnach pro Nutzer im Monat 27 US-Dollar für mobilen Datentransfer und 31 Dollar fürs Telefonieren aus. Das sind 31 respektive 26 Prozent weniger als der Durchschnitt, der hierfür 38 und 42 Dollar zahlt. Das knappe Drittel der Nachzügler macht offensichtlich einiges falsch, denn drahtloses Kommunizieren und Telefonieren schlägt in diesen Firmen mit 41 beziehungsweise 55 Dollar je Mitarbeiter und Monat zu Buche.

Mobilfunk-Verträge optimieren

Analyst Park schält insbesondere zwei Schlüsselfaktoren zur Kostenkontrolle heraus: zentralisiertes Management der Wireless-Ausgaben und Optimierung der Carrier-Verträge. Hierbei tappen viele Firmen nach Beobachtung Aberdeens in eine typische Falle: Sie orientieren sich beim Benchmarking ihrer Vertragskosten an ihren Ausgaben aus dem Vorjahr – ein im Controlling durchaus übliches Vorgehen. In einem von permanenten technologischen Neuerungen und ständigem Wandel von Service-Modellen und Preisen geprägten Umfeld ist das aber just der falsche Ansatz.

Aberdeen rät deshalb zu permanenter Beobachtung des Marktes. Man sollte über internationale Roaming-Vereinbarungen oder Applikationen zum kostenfreien oder verbilligten Telefonieren stets aktuell im Bilde sein. „Wenn eine revolutionäre Technologie die Wireless-Kosten um 90 Prozent senkt und man gleichzeitig eine Reduzierung um 20 Prozent aushandelt, mag man sich subjektiv wie ein Sieger fühlen“, heißt es in der Studie. „Aber tatsächlich hat der Anbieter die Schlacht gewonnen.“ Laut Aberdeen haben zwar 47 Prozent der Firmen die Vertragsoptimierung als Herzstück ihre Mobilkostenstrategie identifiziert, aber nur ein Bruchteil ist dabei in der Praxis so erfolgreich wie möglich.

Der zweite entscheidende Erfolgsfaktor ist die Bündelung des Wireless Expense Management an einer Stelle. Nur die Zentralisierung von Rate Plan Optimization, Dispute Management und Line-Item Inventory verschafft nach Einschätzung von Aberdeen den nötigen Überblick zur Vertrags-Compliance. Diesen Befund erhärten einige Zahlen eindrucksvoll: Im Durchschnitt erhalten die befragten Unternehmen monatlich 495 Rechnungen mit Wireless-Bezug von vier verschiedenen Anbietern. Und das alles für den Gebrauch und Einkauf von über 5200 Geräten im Mittel.

Visibility-Mängel wegen BYOD

Der hier vermeintliche Ausweg einer BYOD-Strategie wird verblüffenderweise derzeit vor allem von den erfolglosen Nachzüglern beschritten. Nur ein Viertel der Klassenbesten bewegt sich in diese Richtung, während 38 Prozent der Firmen mit erkennbarem Nachholbedarf auf diese Karte setzen. Erklären lässt sich das zum Teil damit, dass der Handlungsdruck in diesen Unternehmen schlicht größer ist als bei der vorauseilenden Konkurrenz.

Das bestätigt der Blick auf ein weiteres Ergebnis der Aberdeen-Studie: Die Entwicklung und Aktualisierung von Richtlinien für die Mobilausgaben haben sich ebenfalls mit 44 im Vergleich zu 21 Prozent deutlich mehr „Laggards“ als „Best-in-Class“-Firmen auf die Fahnen geschrieben. Bei den Spitzenunternehmen dürfte das Regelwerk zumeist ohnehin auf neuestem Stand sein.

Nichtsdestotrotz lässt Aberdeen-Analyst Park durchblicken, dass BYOD in der Praxis öfter als gedacht ein Holzweg ist. In jedem Fall halte die überzeugende Logik hinter diesem Konzept einer Überprüfung im echten Leben nur schwer stand, so Park. Fast zwei Drittel der Firmen versäumten es beispielsweise nachzuverfolgen, welche privaten Geräte im Unternehmen eingesetzt werden.

„Dieser Mangel an Sichtbarkeit ermöglicht den Mitarbeitern das Einfordern von Ausgaben, die nicht durch mobile Arbeitsnutzung gerechtfertigt sind“, so der Analyst. „Sogar noch wichtiger: Es macht Unternehmen anfällig für E-Discovery-Probleme, falls sie ihre elektronischen Aufzeichnungen bei Zivilprozessen dem Gericht vorlegen müssen.“

Aberdeen hat noch einen weiteren Kritikpunkt an BYOD in petto, der das Kalkül des Ansatzes in Frage stellt. Die Mehrzahl der Firmen entschädige seine Mitarbeiter für den Gebrauch der mobilen Endgeräte, so Park. Im Durchschnitt belaufe sich dieser Ausgleich auf 70 Dollar pro Mitarbeiter und Monat, was allerdings nur 10 Dollar unter den üblichen Wireless-Ausgaben in anderen Firmen liege. Da diese Kostenerstattung in der Regel über Ausgabenberichte der Mitarbeiter abgewickelt wird, deren Verwaltung und Analyse wiederum Geld kostet, zahlen viele BYOD-Firmen am Ende sogar mehr als Durchschnittsfirmen ohne dieses Konzept. Zudem werde die Kostenübersicht noch verkompliziert.

Klassenbeste technologisch vorne

„Um erfolgreich ein BYOD-Ausgaben-Management einzurichten, dürfen Firmen gar keinen Ausgleich oder nur eine partielle Erstattung anbieten, die die internen Kosten miteinberechnet“, empfiehlt Aberdeen.

Die Studie der Analysten arbeitet auf mehreren Ebene weitere Unterschiede zwischen Klassenbesten und Sitzenbleibern heraus. Die Erfolgswahrscheinlichkeit steigt demnach beträchtlich, wenn Entscheider aus IT, Finance und Buchhaltung das Ziel einer Kostenreduktion gemeinsam und engagiert anpacken.

81 Prozent der Klassenbesten bestellen neue Geräte nur im Rahmen eines online- oder mailbasierten Bewilligungsprozesses, die Mehrheit kontrolliert Bestand und Rechnungen regelmäßig und systematisch. Bei den „Laggards“ tun das nur 48 beziehungsweise 31 Prozent. Auf technologische Unterstützung durch Dispute Management-Module und mobile Rechnungsverarbeitungen setzen mehr als zwei Fünftel der Vorzeigefirmen, aber nur gut jeder zehnte Nachzügler.

Die Studie „Wireless Expense Management“ ist bei Aberdeen erhältlich.