Neues Rollenverständnis gefordert

CEOs wollen CIO als Partner

30.07.2010 von Richard Pastore und Thomas Pelkmann
CEOs wünschen sich CIOs als strategische Partner auf Augenhöhe. Da solche IT-Verantwortlichen nicht vom Baum fallen, nehmen sie ihre CIOs dafür gerne auch mal ans Händchen.
CEOs suchen nach einem strategisch brauchbaren Beitrag der CIOs.
Foto: MEV Verlag GmbH

CEOs treibt der Wunsch um, aus ihren CIOs strategische Business-Partner zu machen. Die Unternehmensverantwortlichen stehen in einem harten Wettbewerb in einer an Komplexität zunehmenden Weltwirtschaft mit globalen Abhängigkeiten. Da reicht es nicht mehr aus, einen Befehlsempfänger in der IT-Abteilung sitzen zu haben, der das erfüllt, was sein Chef von ihm verlangt.

"Es ist absolut unverzichtbar, dass der CIO mit am Tisch der Entscheider sitzt. Ich muss ihm vertrauen können, dass er uns hilft, unsere Business-Strategie umzusetzen", sagt etwa Gregory Babe, Nordamerika-Chef von Bayer.

CEOs brauchen keine neuen Golf-Partner. Sie suchen nach einem strategisch brauchbaren Beitrag der CIOs, weil sie damit die Umsätze steigern wollen. Sie wollen CIOs, die nicht nur die Technik im Griff haben, sondern auch die Innovationen im Unternehmen treiben und den Wandel initiieren.

Die Unternehmensleiter erwarten von den CIOs, dass sie sich auch außerhalb des Rechenzentrums, ja sogar jenseits des Firmengeländes auskennen, auf den Märkten und mit den Bedürfnissen der Kunden. Sie sollen diese Expertise dann in die strategische Arbeit des Unternehmens einbringen.

Suzanne Woolsey gehört zum Management-Board von Fluor, einer Bau- und Projektmanagement-Firma mit einem Umsatz von 22 Milliarden US-Dollar. "Für uns ist es absolut essenziell, jemanden auf dem C-Level zu haben, der die Welt versteht. Zusammen mit seinem Fachwissen kann er uns dann besser Wege aufzeigen, wie wir mit Technologie das Unternehmen nach vorne bringen."

CIOs gelten noch oft als Bremser

Die Marktforscher von Gartner sind überzeugt, dass in den kommenden Jahren die Unternehmen die Nase vorn haben werden, die unternehmerisch denkende CIOs zu Ihrer Belegschaft zählen. Diese Fähigkeiten, so Gartner weiter, würden sich direkt in überdurchschnittlichem Umsatzwachstum, messbaren Resultaten und gestiegenen Marktanteilen auswirken.

So überzeugend der Wunsch der CEOs und die Aussagen von Gartner klingen: Sie müssen auch mit der Beharrlichkeit überkommener Berufsauffassungen leben. Mehr als 60 Prozent der von Gartner in den vergangenen sechs Jahren befragten CEOs halten ihre IT-Verantwortlichen für die größten Bremser bei notwendigen Veränderungen.

Allerdings ändert sich das Berufsbild des CIO auch von innen heraus: Immer mehr Technik ist kommoditisiert, und - zum Beispiel Cloud Services - ohne große Infrastrukturmaßnahmen verfügbar. Die traditionelle Verantwortung des CIOs für die Technikauswahl, die Beschaffung und das Management von Technik verliert zunehmend an Bedeutung.

"Es ist zwingend erforderlich, dass wir uns mehr zu Business-Strategen entwickeln", meint daher zum Beispiel Louie Ehrlich, Präsident und CIO von Chevron Information Technology und Mitglied des CIO Councils.

Der CIO hat den besten Überblick

Jahrelang haben CIOs sich vor allem gegenseitig versichert, dass sie eine einzigartige Sicht auf das gesamte Unternehmen hätten. Nun glauben auch die CEOs daran und fordern von den IT-Verantwortlichen, dass sie diese Sicht mit ihnen teilen. "Der CIO ist die Person mit dem besten Einblick in die Funktionsweise eines kompletten Unternehmens und weiß, was für jede einzelne Abteilung wichtig ist", meint etwa Rodger Riney, Gründer und CEO des Online-Brokers Scottrade. Er erwartet daher von seinem IT-Leiter, dass er als Berater für wichtige Geschäftsentscheidungen zur Verfügung steht.

Riney berichtet von seinen Kollegen, von denen die Hälfte denkt, dass sie ziemlich gut in der IT sind, weil sie ein iPhone auf dem Schreibtisch liegen haben. "Der CIO bringt uns alle wieder runter, weil er uns darauf aufmerksam macht, dass das iPhone nur ein Frontend ist. Das was zählt, liegt dahinter, und ist ein kompliziertes System mit vielen Abhängigkeiten."

Auch Leo Kiely, CEO bei MillerCoors, hat die CIO-Expertise quer übers Unternehmen zu schätzen gelernt, als er in den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts Verkaufs- und Marketingleiter in einem anderen Unternehmen war. Sein damaliger CIO habe es besser als er selbst verstanden, wie sein Team besser arbeiten kann, erinnert er sich. "Ich habe damals gelernt, dass der IT-Leiter das Tempo des Wandel bestimmen kann."

Bei MillerCoors-CIO Jeanine Wasielewski steht der Tempomat auf "Flott", berichtet Kiely. Seine CIO hat nach dem Merge der beiden Ausgangsunternehmen den Plan für die Integration der Organisationen geschrieben. "Da gab es Begehrlichkeiten im Unternehmen, die mein IT-Budget um das Dreifache überstiegen hätten", erinnert sich Kiely. "Janine hat uns empfohlen, was wir zuerst tun sollten. So konnten wir unsere gesamte Infrastruktur auf einem ordentlichen Weg aufbauen".

Mit ihrem guten Gespür für die Stärken und Schwächen des gesamten Unternehmens spielen strategisch ausgerichtete CIOs ganz vorne mit, um ihre Organisationen auf die Herausforderungen neuer Märkte vorzubereiten. Die Notwendigkeit dieser Expertise brachte die Spedition Matson Navigation dazu, nach einer neuen Sorte von CIO Ausschau zu halten. "Wir haben natürlich nach jemandem gesucht, der bei uns das Licht am brennen hält", erinnert sich Matson-Präsident Matt Cox. "Aber wir wollten auch jemanden, der in seiner Orientierung mehr strategisch ausgerichtet ist." Die Herausforderung: "Nehmen Sie eine 125 Jahre alte Firma mit IT-Anwendungen, die zum Teil 30 Jahre alt sind, und bringen Sie dieses Unternehmen in eine Wachstumsphase.

In Peter Weis hat er diese Idealbesetzung offenbar gefunden. Immerhin verdankt Cox seinem Vizepräsidenten und CIO den erfolgreichen Einstieg in den chinesischen Markt. Eine der wichtigsten Entscheidungen des IT-Leiters war die Einführung von Voice-over-IP-Telefonie, die den Kommunikationsanforderungen von Trans-Pazifik-Lieferungen optimal entsprach. Die IT stützt auch die Wachstumsstrategie von Matson durch Akquisitionen. Die können kosteneffizient gestaltet werden, weil die Vielfalt der Plattformen auf ein Minimum beschränkt werden konnte.

CIOs sind nützliche Mitdenker

Als im Jahr 2005 der CIO von AXA Equitable, Kevin Murray, seine Unternehmensverantwortlichen überzeugte, die Rentenplattform seines Unternehmens zu erneuern, war damit das Ziel verbunden, die Time-to-Market zu verkürzen.

Heute sagt AXA-CEO Christopher Condron über die Einführung, dass der Versicherer die Finanzkrise nicht ohne die neue Plattform überlebt hätte, die es einfacher gemacht hat, die veränderten Marktbedingungen abzubilden. "Hätten wir das alte System weiterverwendet, hätte es sechs Wochen gedauert, um alleine die Zinssätze zu ändern, die wir bei unseren Rentenversicherungen anbieten", meint er. "Jetzt schaffen wir das in Nanosekunden." Die neue Plattform reduziert insgesamt die Zeit, die es braucht, um ein neues Produkt an den Markt zu bringen. Das dauerte früher neun, heute nur noch zwei Monate.

Condron hält Murray außerdem zugute, dass er vorausschauend an die Flexibilität des Systems für lokale Sprachen und Vorschriften gedacht hat, als er die neue Renten-Plattform aufgesetzt hat. Diese Fähigkeiten halfen Axa später zum Beispiel beim Aufbau eines Rentenversicherungsmarktes in Westeuropa. "Ich habe mit wesentlich weniger visionären CIOs gearbeitet, die ihren Job so gesehen haben: ‚Sag mir, was ich zu tun habe und ich mache es’", meint Condron.

Da habe er immer die strategische Ausrichtung und die Empfehlung vermisst, mehr in die IT zu investieren. "Mit den Empfehlungen von Kevin Murray haben wir unser Entwicklungsbudget für den Aufbau der Rentenplattform verdoppelt, und es gibt nicht einen in der Firma, der diese Investition bereut."

Klar, die Beispiele zeigen es: Es gibt tatsächlich CIOs, die die Anforderungen ihrer vorwärts denkenden CEOs erfüllen. Das Problem ist: Leider sind es noch nicht sehr viele. "Es gibt nur wenige CIOs, die strategische Vision und die Fähigkeit haben, diese Visionen auch zu realisieren", meint denn auch AXA Equitables Chef Condron.

Gespür für Markt und Strategie fehlt

Die IDC-Studie "Status des CIO 2010" stellt fest, dass ganze 21 Prozent der Befragten in Aktivitäten engagiert sind, die sie als strategische Business-Leader ausweisen. Mehr von ihnen (34 Prozent) sind damit beschäftigt, den Laden am Laufen zu halten, oder Business-Prozesse zu verändern (45 Prozent).

"Noch immer beweisen sie ihre Kompetenz vor allem darin, die an sie gestellten Anforderungen zu erfüllen", bemerkt Chris Patrick von der Personalvermittlung Egon Zehnder International. Besonders selten seien bei den CIOs nach außen gerichtete Fähigkeiten zu finden: Kenntnisse des Marktes, Verständnis für die Kunden, Identifizierung neuer Marktchancen, überhaupt ein Gespür fürs Business und Strategie, nicht nur für die IT, bemängelt der Experte.

Diese Fertigkeiten zu entwickeln, dauert. Bis es so weit ist, nimmt sich mancher CEOs seine IT-Verantwortlichen als Trainer und Vertrauensperson unter die Fittiche.

Bayer-Chef Babe etwa betreut persönlich einen seiner Senior IT-Manager. Der habe einen scharfen Verstand, erzählt Babe, aber auch eine sehr logisch geprägte Weltsicht. So sehr, dass ihm jede Idee unbedeutend erscheint, die er nicht logisch nachvollziehen kann. "Ich habe ihm geholfen zu erkennen, dass auf dem Executive Level das meiste, mit dem man zu tun hat, politisch ist, nicht logisch und das er lernen muss, damit umzugehen".

Das Modell könnte Schule machen: Einige CEOs, die wir für diese Geschichte interviewt haben, plädieren für eine sichtbare Unterstützung ihrer CIOs. Das helfe beim Aufbau ihrer Glaubwürdigkeit über die IT-Abteilung hinaus, bei den Kollegen aus den Fachabteilungen und dem Management.

CEOs nehmen ihre CIOs an die Hand

Die Präsidentin der Purdue University, France A. Córdova, nahm ihren CIO McCartney in ihr "Kabinett" auf, das aus 20 administrativ tätigen Offiziellen besteht. Sie platzierte ihren CIO bewusst auch außerhalb seiner eigentlichen Verantwortung für die IT-Abteilung. So ist McCartney nun einer von drei Universitätsverantwortlichen, die die Governance akademischer Forschungsarbeiten und damit eins der wichtigsten Wachstumsfelder der Universität kontrollieren.

Sie lässt sich von ihrem CIO auch schon mal in der Öffentlichkeit vertreten - das stärkt seine Glaubwürdigkeit und seinen Ruf als Business-Stratege. Das macht auch Bayer-US-Chef Babe mit seinem CIO Claudio Abreu. "Ich vertraue Claudio, dass er mich fast überall vertreten kann", meint Babe. Die Gelegenheit für den CIO, sich außerhalb seiner IT-Abteilung zu zeigen, seien eine Chance, sein Verständnis für die Bedürfnisse des Business bei internen oder externen Kunden unter Beweis zu stellen, so der Manager.

"Machen Sie den CIO zu Ihrem Partner und behandeln Sie ihn wie ihren Partner", rät AXA-CEO Condron seinen Kollegen. Wenn man eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe pflegt, baut man das Selbstvertrauen des CIOs auf. Und man sendet eine Botschaft an den Rest des Unternehmens, dass der CEO die Rolle des CIOs als strategisch wichtig ansieht. "Dann weiß jeder, dass der CIO das Vertrauen des CEOs hat", so Condron. "Damit zeige ich: Er ist mein Partner, aber nicht nur das. Er ist auch der Partner seiner Kollegen, die mit ihm am Tisch sitzen. Er hat unseren totalen Respekt. Genau das ist dann der Grund, warum es funktioniert.