Lebensmittelhandel vor dem Umbruuch

Convenience oder die Rückkehr der Tante-Emma-Läden

06.08.2007 von Alexander Galdy
Nah, schnell, einfach – Kunden wollen vor allem eins: Bequemlichkeit beim Einkauf. Der Preis spielt dabei eine immer geringere Rolle. Das ist das Ergebnis einer Studie von McKinsey. Danach steht der Lebensmittelhandel vor dem Umbruch. Das neue Zauberwort heißt Convenience.

Aldi hat laut Report die zufriedensten Kunden im deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Grund dafür sind allerdings immer weniger nur attraktive Preise. Was Verbraucher an dem Discounter
am meisten schätzen, ist die Möglichkeit, nah, schnell und einfach einzukaufen. Die starke Präsenz der Aldi-Märkte, die gute Erreichbarkeit der Läden, das überschaubare Sortiment sowie die Übersichtlichkeit der Waren und lange Öffnungszeiten bescheren dem Unternehmen derzeit die höchste Bewertung beim Thema Convenience, wie Fachleute den Gradmesser in diesen Bereichen nennen.

Nach der neuen europaweiten Studie der internationalen Unternehmensberatung McKinsey & Company, die nach 2004 bereits zum zweiten Mal Einkaufsgewohnheiten im Lebensmitteleinzelhandel beleuchtet, erzielen auch Edeka bei den Supermärkten und Kaufland bei den SB-Warenhäusern in ihrem jeweiligen Segment Spitzenresultate.

"Nicht der Preis, sondern Convenience ist heute unter Verbrauchern das wichtigste Kaufkriterium", sagt McKinsey-Partner Peter Breuer, Leiter des Konsumgüter- und Handelssektors der Beratungsfirma. Für Breuer könnte dies vor allem mit Blick auf längere Ladenöffnungszeiten der entscheidende Hinweis auf einen möglichen Umbruch im deutschen Lebensmitteleinzelhandel sein: "Geschäfte, die den Kundenwunsch nach Convenience und Service befriedigen, so wie es früher die Tante-Emma-Läden gemacht haben, stehen vor einem Comeback", so seine Einschätzung.

Vorbilder Tesco Express und 7-Eleven

In Großbritannien lässt sich diese Entwicklung bereits beobachten. Schon 1994 öffnete Marktführer Tesco seinen ersten Convenience Store in London. Kennzeichnend für diesen Ladentyp sind seine zentrale Lage, lange Öffnungszeiten und ein übersichtliches Sortiment. Inzwischen betreibt der britische Lebensmittelriese unter dem Label Tesco Express rund 750 Einkaufsstätten dieser Art.

Nahezu kein Geschäft bietet mehr als 7.000 Artikel und ist größer als 300 Quadratmeter. Aber das reicht, das Programm geht auf: Innerhalb von nur fünf Jahren hat Tesco Express seinen Umsatz von 314 Millionen Euro auf 2,1 Milliarden im Jahr 2006 in Großbritannien versiebenfacht. Auch die erfolgreiche US-amerikanische Einzelhandelskette 7-Eleven ist aus dem Stadtbild vieler Länder nicht mehr wegzudenken.

Dem Trend folgen in Deutschland vor allem Tankstellen und Kioske. Zusammen erwirtschafteten sie nach Angaben von McKinsey 2006 rund 20 Milliarden Euro mit Lebensmitteln, Tabakwaren, Zeitungen und Zeitschriften. Dies entspricht 14 Prozent des aktuellen Jahresumsatzes des gesamten deutschen Lebensmitteleinzelhandels (147 Milliarden Euro).

Der traditionelle Handel springt auf den Zug auf. So bietet Spar bereits ein Teilsortiment in Tankstellen an und hat mit dem Spar Express Shop einen speziellen Ladentyp für Flughäfen und Bahnhöfe gestartet. Ein erster eigenständiger Prototyp wurde soeben in Berlin eröffnet. Kaiser's und Edeka testen ebenfalls kleine Flächenkonzepte. Auch 7-Eleven diskutiert seit längerem den Eintritt in den deutschen Markt. "Dies ist nur der Anfang", schätzt McKinsey-Partner Christoph Eltze, Co-Autor der Studie. "Wir rechnen in den nächsten ein bis drei Jahren mit ähnlichen Modellen zahlreicher Wettbewerber."

Chance für den Handel

Für Verbraucher sind Hammer- und Rotstiftpreise längst nicht mehr der ausschlaggebende Konsumimpuls. Gerade hat Saturn den Abschied von seiner "Geiz ist geil"-Werbekampagne verkündet. In der Rangfolge der meist genannten Gründe für ihre Kaufentscheidungen rangiert nach den Ergebnissen der McKinsey-Studie der Preis erst auf Platz drei. Der Anteil der Konsumenten, die vor allem günstige Produkte schätzen, fiel McKinsey zufolge zwischen 2004 und 2006 von 48 auf 40 Prozent.

Dagegen stieg im gleichen Zeitraum der Anteil der Verbraucher, die auf Premiumprodukte und Qualität setzen, von 24 auf 29 Prozent. Damit nähern sich die Einkaufsgewohnheiten deutscher
Verbraucher zunehmend den europäischen Nachbarn an. Konsumenten aus Frankreich, Italien und der Schweiz setzen laut McKinsey europaweit am stärksten auf Convenience.

McKinsey sieht in dem Thema Convenience eine große Chance für den deutschen Lebensmittelhandel, mit innovativen Handelsformaten auf neue Kundenbedürfnisse zu reagieren. Umgekehrt sind diese Formate für zahlreiche Konsumenten attraktiv, die sich auch zu
ungewöhnlichen Uhrzeiten regelmäßig mit dem Notwendigsten eindecken und auf Frischeprodukte oder Lebensmittel für eine schnelle Mahlzeit nicht verzichten wollen.

Weil Convenience-Geschäfte auf kleine Flächen und geringen Personaleinsatz in hoch
frequentierten Lagen ausgelegt sind, operieren Händler mit nur geringen Fixkosten und einer hohen Effizienz. Die Läden rechnen sich somit auch bei längeren Öffnungszeiten.

An der repräsentativen Untersuchung von McKinsey nahmen mehr als 9.000 Verbraucher aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen und der Schweiz teil.