Pricing digitaler Produkte

CRM-Strategien für die Preisbildung - Teil 2

17.10.2006 von Mark Heitmann, Florian Stahl und Andreas Herrmann
Der Vertrieb von Musikdateien oder Software gehorcht anderen Gesetzen als der physischer Produkte. Im zweiten Teil stellen die Autoren weitere Preisstrategien für digitale Güter vor, damit sich Umsatz und Kundenbindung erhöht.

Preisstrategie 4: Quantitative Differenzierung anwenden

Wenn mehrere unterschiedliche Produkte zu einem Paket gebündelt werden, handelt es sich um eine quantitative Differenzierung, etwa wenn ein Anbieter Lieder verschiedener Künstler bündelt und als so genannte Compilation verkauft.

Bei einer solchen Zusammenstellung steigt die Nachfrage nach den Musikstücken, da der unterschiedliche Musikgeschmack der Konsumenten durch die Bündelung verschiedener Songs ausgeglichen wird. Die Konsumenten nehmen in Kauf, Lieder zu erwerben, für die sie bei Einzelvertrieb nur eine sehr geringe Zahlungsbereitschaft hätten.

So werden durch die quantitative Differenzierung sowohl die Nachfrage als auch die Umsätze und Gewinne gesteigert, da die variablen Kosten einer zusätzlichen Musikdatei im Allgemeinen vernachlässigbar gering sind.

Durch das Anbieten verschiedener digitaler Produktbündel zu unterschiedlichen Preisen ist es dem Management zudem möglich, aus Kundensicht verschiedenartige Produkte zu gestalten, die an der unterschiedlichen Wertschätzung der Kunden ausgerichtet sind.

Wir haben insbesondere im Telekommunikationsbereich beobachtet, dass die Anbieter die Erosion der Preise und Umsätze erfolgreich stoppen, wenn sie verschiedene digitale Dienste wie mobiles Internet mit SMS-Diensten bündeln.

Preisstrategie 5: Die Abrechnung optimieren

Unabhängig vom Tarifmodell wirkt sich allein die Art des Abrechnungsmodells auf Umsatz und Gewinn aus. Eine SMS wird pro Einheit, ein Telefonat pro Minute und ein schneller Internetzugang pauschal pro Monat abgerechnet. Jedes dieser Abrechnungsverfahren beeinflusst Umsatz und Absatz eines Gutes.

Die Abrechnung pro Einheit (pro Stück oder pro Zeiteinheit) ist sehr effektiv und für Kunden leicht verständlich. Sie hat aber den Nachteil, dass sich der Kunde vor jedem Konsum bewusst für das Geldausgeben entscheiden muss. Die Folge ist ein gebremster Konsum.

Abonnements oder Flatrates erhöhen die Zahlungsbereitschaft, da diese Abrechnungsformen die Unsicherheit der Kunden bei ihrer Haushaltsplanung reduzieren.

Aus Anbieterperspektive vermindern sie sowohl die Transaktionskosten durch einen häufigen Abrechnungsvorgang als auch die Unsicherheit über die Höhe der zu erwartenden Umsätze. Bei Abonnements und Flatrates entsteht zudem eine starke Kundenbindung, die zu dauerhaften Lock-in-Effekten beim Konsum führen kann.

Wie sehr dieser Effekt wirkt, zeigt eine Studie der OECD. Demnach setzen die Mobilfunkunternehmen in den USA pro Kunden 63 Prozent mehr um als in Deutschland - und das obwohl die Verbindungspreise pro Minute in den USA wesentlich niedriger sind.

Amerikanische Mobilfunkverträge enthalten in den monatlichen Grundgebühren bis zu 1.000 nationale Freiminuten. In Deutschland hingegen rechneten die Mobilfunkanbieter bis vor Kurzem klassisch jede Zeiteinheit ab.

Unsere Analysen ergaben, dass Anbieter, die häufig konsumierte digitale Produkte mittels Abonnements oder Flatrates vertreiben, im Vergleich zu Anbietern, die ihre Produkte pro Produkteinheit oder pro Zeiteinheit abrechnen, durchschnittlich etwa 30 bis 50 Prozent mehr Umsatz pro Kunden erzielen.

Preisstrategie 6: Nicht lineare Preise und Tarife einsetzen

Wenn sich das Management für ein Abrechnungsmodell entschieden hat, kann es den Umsatz erfolgreich mit Hilfe nicht linearer Preis- und Tarifmodelle weiter erhöhen. Beispiele für solche Preismodelle sind Mengenrabatte, Blocktarife, Pauschalpreise, zweiteilige Tarife mit einer Grundgebühr und variablen Kosten oder auch dynamische Tarife, in denen der Preis von der aktuellen Nachfrage oder dem bisherigen Kaufverhalten des Kunden abhängt.

Da die variablen Kosten eines digitalen Guts bei null liegen, entstehen für das Unternehmen keine zusätzlichen Kosten, wenn es Rabatte für größere Mengen gewährt. Ein Online-SMS-Anbieter zum Beispiel kann diese Kurznachrichten in verschiedenen Paketen zu 10, 20, 50 oder 100 Einheiten anbieten.

Der Kunde vergleicht den Gesamtpreis und seinen individuellen Nutzen für jedes Angebot und wird das SMS-Paket kaufen, das ihm am meisten nützt. Sofern die Verantwortlichen die Zahl der SMS-Einheiten entsprechend den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kunden segmentieren, entspricht der Preis der einzelnen SMS-Angebote jeweils genau der maximalen Zahlungsbereitschaft der Kunden für die darin enthaltene Anzahl von SMS.

Kunden wählen am häufigsten Tarifsegmente mit kleinen Mengeneinheiten und hohen Preisen pro Einheit. Das liegt daran, dass sie den Wert eines Angebots daran ablesen, wie sich der Preis im Verhältnis zur Anzahl der Einheiten verändert. Als Bezugsgröße dient nicht der Preis, sondern die Anzahl der Kurznachrichten oder Telefonminuten. Gibt es in der nächsten Tarifstufe zu wenige zusätzliche Einheiten, nehmen sie lieber die niedrigere.

Sobald die Kunden im nächsten Tarif jedoch doppelt so viel telefonieren können und weniger als das Doppelte bezahlen müssen, greifen sie weit häufiger zum höheren Tarif. In unserer Untersuchung beobachteten wir erstaunlicherweise, dass die Anbieter dieses Kundenverhalten nicht berücksichtigen: Die Anbieter verdoppeln die Preise für ihre Produktvarianten und bieten dafür überproportional viele Einheiten an.

Preisstrategie 7: Die Zahlungsbereitschaft vollständig ausschöpfen

Bei vielen digitalen Produkten macht die Aktualität den Wert aus. Finanz- und Börseninformationen wollen viele Kunden so schnell wie möglich erhalten, da der subjektive Nutzen mit der Zeit abnimmt. Neue Musiktitel oder Software-Versionen wiederum erzeugen durch ihr Erscheinen Aufmerksamkeit und auf diese Weise ein Kaufbedürfnis.

Entsprechend kann ein Anbieter bei solchen Gütern anfangs einen hohen Preis verlangen, der sinkt, sobald die Aktualität nicht mehr gegeben ist. Interessenten, die es nicht eilig haben, werden warten, bis der Preis sinkt - aber sie werden kaufen. So wird die unterschiedliche Zahlungsbereitschaft der Kunden ausgeschöpft.

Fazit

Preisstrategien - ein Überblick.
Foto: Harvard Business Manager

In der digitalen Wirtschaft ist es für das Management vergleichsweise schwierig, Nachfrage und Umsatz zu steigern sowie Kunden zu binden. Die sieben vorgestellten Strategieansätze schließen sich gegenseitig nicht aus, sondern lassen sich entsprechend dem Produkttyp, den Bedürfnissen und dem Verhalten der Kunden kombinieren.

Wer die Preisstrategien nutzen will, muss aber vorher unbedingt herausfinden, wie die Kunden die digitalen Produkte nutzen und konsumieren wollen - sonst können die Kunden auch leicht abgeschreckt werden.

Preisstrategien für jeden Fall

Je nachdem, welche Produkte ein Unternehmen anbietet, eignen sich unterschiedliche Preisstrategien. Für manche Produkte wie Online-Auktionen oder Software können auch mehrere Strategien kombiniert werden.

Mark Heitmann
ist Habilitand und Projektleiter am Zentrum für Business Metrics. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Gebieten Kaufentscheidungen, Preisgestaltung und multivariate Verfahren.

Andreas Herrmann
leitet das Zentrum für Business Metrics an der Universität St. Gallen. Er ist Vorsitzender des Beirats von 2hm und 4hm, zweier Firmen, die Unternehmen bei der Preisgestaltung auf digitalen Märkten beraten.

Florian Stahl
arbeitet als Postdoctoral Research Fellow an der Columbia Business School in New York. Er habilitiert sich zum Thema "Preisstrategien auf digitalen Märkten".