Arbeitsplatz der Zukunft

Das Büro ist überall

14.08.2008 von Holger Eriksdotter
Moderne ICT-Technologien verändern das Büro und den mobilen Arbeitsplatz - jetzt schon und noch viel stärker in der nahen Zukunft. Welche Technologien und Entwicklungen werden den Arbeitsplatz prägen? Wie werden wir alle in fünf Jahren arbeiten? Wir werfen einen Blick in die Büros im Jahr 2013.

Vor wenigen Jahrzehnten erst hat der Computer die Arbeitsplätze in den Büros und Fabrikhallen komplett umgekrempelt. Karteikarten, Schreib- und Rechenmaschinen hat der Computer aus der Arbeitswelt vollständig verdrängt. Aus den Werkhallen und Büros ist die Informationstechnologie heute überhaupt nicht mehr wegzudenken. Wir haben uns schnell daran gewöhnt.

Nun gibt es eine neue Revolution, die unsere Arbeitswelt in einem neuen Schub gewaltig verändern wird. Durch das Zusammenwachsen von Informations- und Telekommunikationstechnologie (ICT), wird der Arbeitsplatz der Zukunft viel effektiver - aber erneut stark verändert werden. Darin sind sich die Experten einig.

IP-Netze für Daten und Sprache, Unified Communications, der jederzeitige mobile Zugriff auf Firmendaten, die elektronische Signatur per Kugelschreiber, der mobile persönliche Arbeitsplatz sowie PC-Leistung und Applikationen aus dem Netz – so die Stichworte, die den Arbeitsplatz der Zukunft beschreiben.

Fest steht, ein Trend, der heute bereits sichtbar ist, nimmt weiter zu: Immer mehr Menschen werden in den nächsten Jahren nicht mehr Vollzeit in ihren Büros sitzen. Tele- und Teilzeitarbeit wachsen. Das Büro wird so zu einer Durchgangsstation von mobilen und flexiblen Arbeitern. Globalisierung und Flexibilisierung der Arbeitskräfte führt dazu, dass der Arbeitsplatz, an dem die Menschen heute in der Regel noch jeden Tag sitzen und arbeiten, zu einer Art Kommunikationszentrale und kreativem Treffpunkt wird.

Das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (FAO) hat die folgenden Zahlen ermittelt: Demnach sitzen schon heute nur noch 39 Prozent der Büromenschen ständig an festen Arbeitsplätzen. 38 Prozent sind mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit außerhalb des Unternehmens. Und 22 Prozent arbeiten ausschließlich von unterwegs oder an ständig wechselnden Schreibtischen in ihrem Unternehmen. Projektarbeit ist schon heute das große Thema in den akademischen Berufen. Flexible Teams müssen sich in einem meist virtuellen Raum finden, treffen und koordinieren - über verschiedene Unternehmensstandorte, Ländergrenzen und auch über Zeitzonen hinweg.

Wer kennt sie nicht, die Arbeitnehmer, die man in den Flughafenlounges mit ihren Laptops und Mobiltelefonen über ihren Unterlagen brüten sieht. Die Menschen arbeiten im Flugzeug, in der Bahn und von Zuhause aus, ihrem Home Office. Alles ist im Fluss: Ständig wechselnde Teams, wechselnde Standorte, wechselnde Partner und wechselnde Kunden sind am Arbeitsplatz der Zukunft die Regel – nicht die Ausnahme.

FAO-Projektleiter Dr. Wilhelm Bauer, der nach neuen Konzepten für eine effizientere Gestaltung der Arbeitsabläufe im Büro forscht, sagt dazu: „Zu den fördernden Faktoren gehören vor allem eine passende und hochwertige Informations- und Kommunikationstechnik, ein guter Zugriff auf Informationen, flexible Arbeitsorganisationsmodelle und eine Arbeitsatmosphäre im Team. Behindernd sind dagegen die sogenannten unnötigen Erschwernisse: nicht funktionierende Technik, mangelnde Kommunikation im Team und vor allem der unnötige Verwaltungskram.“

Dr. Wilhem Bauer, Institutsdirektor am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation: "Nicht funktionierende Technik, mangelnde Kommunikation im Team und vor allem unnötiger Verwaltungskram behindern die effiziente Gestaltung von Arbeitsabläufen."

Schon heute gibt es viele große Firmen, in denen der Mitarbeiter über keinen eigenen Schreibtisch mehr verfügt, sondern nur noch einen Rollcontainer hat, die er, wenn er kommt, zu einem gerade freien Schreibtisch bewegt. Dieses „Desktopsharing“ wird bald für die meisten von uns selbstverständlich. Dennoch braucht natürlich jeder auch weiterhin seine persönliche Arbeitsumgebung. Die Verknüpfung von Geräten und Anwendungen auf Basis der IP-Technologie wird dafür sorgen, dass jeder tatsächlich überall seine individuelle Bildschirmoberfläche mit seinen bevorzugten Einstellungen vorfindet. Das Gleiche gilt für das Telefonprofil. Und auch der Arbeitsplatz selbst wird nach dem Login mittels USB-Stick, PIN oder RFID-Karte nach den speziellen Vorlieben des Nutzes eingerichtet: Gewünschte Raumtemperatur, Licht und der Schreibtischstuhl passen sich ebenfalls individuell an.

Forrester Research hat ermittelt, dass bis zum Jahr 2010 über 80 Prozent aller europäischen Unternehmen von der Festnetztelefonie auf Voice-over-IP-Lösungen umsteigen werden. Dadurch ist eine wichtige Hürde der Kommunikation genommen. Die Grenzen zwischen Festnetz- und Mobilfunktelefonie verschwimmen genauso wie die zwischen Sprach- und Datenübertragung. Die Möglichkeiten von Voice-over-IP-Lösungen erleichtern den mobilen Arbeitern das Leben; sie beschleunigen die Verbindungen und sorgen für die nötige Flexibilität auch außerhalb des Büros.

Der Zugang zu Wissen wird entscheidend sein für den Erfolg im Büro der Zukunft. Davon ist auch Projektleiter Bauer vom Fraunhofer-Institut überzeugt. „Durch die Vernetzung der Mitarbeiter mit Hilfe moderner Kommunikationstechnologien lassen sich die kreativen Potenziale rascher, tief gehender und wirksamer erschließen als heute“, sagt er. Wissen at your fingertips gewissermaßen, zu jeder Zeit, an jedem Ort.

Die Marktforscher der Experton Group haben im letzten Jahr ermittelt, aus welchen Gründen Unternehmen auf konvergente Technologien umsteigen.

Denn derzeit verbringt jeder Arbeitnehmer mehr als fünf Stunden in der Woche mit dem Suchen von Informationen von Kollegen. Das sagen zumindest die Marktforscher von Insignia Research. Gäbe es schon überall moderne All-IP-Lösungen, die einen schnelleren und einfacheren Zugang ermöglichen, könnte diese Such-Arbeitszeit für sinnvollere Aufgaben verwendet werden. Die Lösungen gibt es für jedes beliebige Endgerät, mittels Unified Communications lassen sich dort über eine einheitliche Oberfläche nicht nur Texte, sondern auch Sprache, Videos und Daten abrufen. Unified Communications fasst eigenständige Kommunikationstechniken wie Telefon, Fax, E-Mail und Instant Messaging unter einer zentralen und vertrauten Oberfläche zusammen.

Mit einem Mausklick kann man Konferenzen via Web organisieren lassen, jederzeit können weitere Gesprächspartner hinzugezogen werden. Auch die gemeinsame Arbeit an Dokumenten ist möglich. Weitere Anwendungen wie etwas CRM-Systeme lassen sich schnell mit dazu holen und einbinden. Ruft etwa ein Kunde an, stehen seine wichtigsten Daten bereits automatisch auf dem Bildschirm des Office-Arbeiters bereit.

Der Büroarbeiter der Zukunft kann sich, so versprechen Experten für Arbeitsorganisation, auf die wesentlichen Dinge des Arbeitslebens konzentrieren. So dauerten Online-Besprechungen in der Mehrzahl der Fälle von 60 Prozent nicht länger als maximal 30 Minuten. So steht es in der Office21-Studie „Information Worker Performance“. Treffen sich die Menschen aber in der realen Welt, dann konferieren sie in der Mehrheit der Fälle bis zu einer Stunde.

Genauso praktisch ist es, wenn der Büroarbeiter von morgen zukünftig alle aus dem Festnetz bekannten Funktionen auch via Handy nutzen kann. Egal wo sich der Mitarbeiter gerade befindet, er ist überall über seine bekannte Büronummer erreichbar. Gespräche über das Festnetz werden nahtlos an das Mobiltelefon vermittelt – und umgekehrt. Per Knopfdruck kann das Gespräch an Kollegen übergeben werden. Ist der Büromensch im Auto unterwegs, kann er dort Gespräch mitschneiden und es sich anschließend als E-Mail-Anhang zusenden lassen.

T-Systems hat - ähnlich wie andere Firmen - eine Lösung entwickelt, bei dem unterwegs ein kleiner USB-Stick das Büro ersetzt. Es ermöglicht den sicheren Zugriff auf die sensiblen Unternehmensdaten und sichert gleichzeitig ab, dass kein Unbefugter mithören - oder mitlesen kann. Ob WLAN- DSL-, oder UMTS-Verbindung, der Mitarbeiter kann unterwegs genauso gut arbeiten wie in seinem Büro. Der Stick verfügt dabei über einen eigenen Prozessor, eigenen Speicher sowie ein vollständigen Softwarepaket. Die Authentifizierung wird über die SIM-Karte und eine persönliche PIN-Nummer sicher gestellt. Das Chipkarten-Modul, das dort integriert ist, ermöglicht auch das Unterschreiben mittels digitaler Signatur mit einem digitalen Zertifikat des Trustcenters der Deutschen Telekom.

Doch trotz allen technischen Fortschritts, das papierlose Büro, das allen von der Industrie immer wieder zu Beginn des digitalen Zeitalters versprochen wurde, wird es wohl auch im Jahr 2013 nicht geben. Obwohl der Arbeitsplatz-Forscher Bauer die Hoffnung noch nicht aufgeben hat. Er sagt: „Nicht ganz so schnell, aber auf dem Weg dahin sind wir eindeutig.“ Er ist überzeugt davon, dass wir in den kommenden Jahren immer weniger Dokumente managen, dafür aber immer mehr Ideen vernetzen müssen. Eine Office-SOA (Service Orientierte Architektur) soll laut Bauer für eine Web-basierte Infrastruktur sorgen. Oder besser: eine „Offfice Work Orientierte Architektur.“ Bauer glaubt an die Einrichtung von Smart Media Communication Rooms für den gemeinsamen Datenaustausch und an die Nutzung von RFID-Technik, die eine sensorische Office-Umgebung ermöglichen.

Bei diesen Anwendungen, die ja heute bereits bei vielen Unternehmen zumindest ansatzweise genutzt werden. ist es nur noch ein kurzer Schritt zur elektronischen Signatur per Kugelschreiber. Vertriebsmitarbeiter können sich freuen: Der Papierkram nach dem Besuch beim Kunden, wird dadurch abgeschafft. Eine von T-Systems entwickelte Lösung mit dem Namen „Paper, Pen & Phone“ ermöglicht die „digitale Signatur on the fly“. Stellt man den elektronischen Kugelschreiber in die Ladestation, die an den Laptop angeschlossen ist, überträgt der Stift die Unterschrift des Kunden an den Firmenrechner. Das Bestechende dieses Szenarios ist: Die Signatur ist rechtsgültig und alle wichtigen Informationen sind damit bereits im Unternehmen angelangt.

Die weitaus größte Mehrheit der befragten Unternehmen plant in diesem oder dem nächsten Jahr den Umstieg auf konvergente Services.
Foto: T-Systems

Ein breitbandiges IP-Netz wird die Virtualisierung von Arbeitsumgebung und Anwendungen ermöglichen. Diese werden im Netz vorgehalten und „on Demand“ auf den Rechner des jeweiligen Nutzers geschleust. Die dynamische Rechnerleistung kann aus dem Netz auf Wunsch jederzeit flexibel ergänzt und erweitert werden. Aktuelle Software und einheitliche Standards sind dadurch für jeden Nutzer genauso garantiert wie die Sicherheit im Netzwerk. Der Installations- und Wartungsaufwand reduziert sich hingegen auf ein Minimum.

FAO-Institutsdirektor Bauer stellt sich die vernetzte Arbeitswelt der Zukunft wie ein neuronales Netz vor: „Büros als Knotenpunkte einer vernetzten Denklandschaft, verbunden mit Satellitenbüros, Telearbeitern und mobil angebundenen Menschen.“ Aber er ist zum Glück gleichfalls davon überzeugt, dass Büromitarbeiter auch in 15 Jahren noch einen guten Kaffee, einen bequemen Bürostuhl und ein leckeres und gesundes Mittagessen lieben werden. Genauso wie heute.