15 Millionen-Etat

Daten-Projekt: Aktenberge für die Forschung

27.07.2011 von Hartmut  Wiehr
Krankenhäuser und Ärzte produzieren riesige Datenberge. Jetzt fördert die EU ein Projekt, um diese Schätze für die Wissenschaft fruchtbar zu machen.
Forschung ist unerlässlich im medizinischen Bereich und in der Pharma-Industrie. Ein EU-Projekt will dafür mehr Patientendaten nutzbar machen.
Foto: zothen - Fotolia.com

Patientenakten dienen häufig nur der aktuellen Nutzung, und dann verschwinden sie irgendwann in den Tiefen der Archivierungskeller und -systeme. Die EU und die Innovative Medicines Initiative (IMI); eine Kooperation der Europäischen Kommission, und der europäische Dachverband der Pharmaindustrie European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA) wollen diese Aktenberge nun der medizinischen Forschung zur Verfügung stellen.

Durch das Projekt soll in den nächsten Jahren ein europaweites System aufgebaut werden. Ziel ist es, die Masse der Patientendaten aus Krankenhäusern für die klinische Forschung besser nutzbar zu machen. Das Institut für Medizinische Informatik der Universität Münster ist für die Koordination der Pilotphase in mehreren Ländern zuständig. Der Initiative hat man den Namen "EHR4CR“ gegeben (Electronic Health Record Systems for Clinical Research; Elektronische Patientenakten-Systeme für die klinische Forschung).

Fleur Fritz, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medizinische Informatik in Münster, erläutert das europäische Projekt: "In den elektronischen Patientenakten der Krankenhäuser liegen viele Daten vor, die für die klinische Forschung wichtig sind. Die neue Plattform ermöglicht eine übergreifende Nutzung der Informationen aus bisher isolierten, unterschiedlichen Systemen und entlastet dadurch das medizinische Personal.“ Der Nutzen liege auch in der verbesserten Planung von Studien, der Gewinnung von Probanden für Reihen-Untersuchungen und damit auch der Entwicklung von Medikamenten durch die Pharmaindustrie.

EHR4CR ist für einen Zeitraum von vier Jahren geplant. Die EU stellt ein Budget von mehr als 15 Millionen Euro zur Verfügung. Es handelt sich laut Uni Münster dabei um eine "öffentlich-private Partnerschaft mit mehr als 30 kooperierenden Einrichtungen“. Darunter befinden sich Hochschulen, Krankenhäuser und Pharma-Unternehmen.

Die Plattform soll später auch kommerziell genutzt werden, wobei Einzelheiten noch nicht fest stehen. Allgemein heißt es im Moment: "Der Patient soll durch eine bessere Koordination von Forschung und Patientenversorgung profitieren, die Wissenschaft durch einfachere Planung und Durchführung von Studien.“

Standardisierung tut Not

Die diversen, äußerst heterogenen Systeme für elektronische Patientendaten (KIS) oder Bilderfassung und -speicherung (PACS) könnten mit Sicherheit eine überfällige Anpassung und Standardisierung gebrauchen. Gegenwärtig befindet man sich noch in einer Vorbereitungsphase.

Bisher liegen wichtige Patienteninformationen verstreut in vielen IT-Systemen. Forscher brauchen aber zentralen Datenzugriff.
Foto: Brüderkrankenhaus Trier

Man sammelt erst einmal Daten über Daten: Gemeint sind Informationen darüber, "welche Daten in den verschieden Krankenhaus-Informationssystemen in welcher Form vorhanden sind“. Anschließend will man ermitteln, wie man die elektronischen Daten „aus diesen geschlossenen Systemen datenschutzgerecht heraus bekommt“. Außerdem soll im Rahmen EHR4CR erhoben werden, welche Studien in den jeweiligen Krankenhäusern derzeitig und zukünftig durchgeführt werden und auf welche Krankheitsbilder man sich deshalb konzentrieren sollte.

Probleme könnten neben den technischen Herausforderungen, die die unterschiedlichen IT-Systeme verursachen, die rechtlichen Fragen und der Datenschutz verursachen. In den am Projekt beteiligten Ländern gelten recht verschiedene Regelungen, auch was den Schutz der Privatsphäre der Patienten angeht.

Weitere Informationen zu dem Projekt finden sich hier: www.imi.europa.eu. Material kann auch direkt angefordert werden bei: Mats.Sundgren at astrazeneca.com.