DAB+ vs. Internet

Debatte um die Zukunft des digitalen Radios reißt nicht ab

24.07.2019
Das Radio wird digital. Dieser Trend ist unaufhaltsam. Doch welche Technik ist die beste? Die öffentlich-rechtlichen Sender bauen seit Jahren auf das Digitalradio DAB+. Die Privatsender hingegen scheuen die Investitionen in DAB+ und setzen lieber auf das Internet.

Acht Jahre nach der Einführung des Digitalradios DAB+ ist das Sendernetz gut vorangekommen. Experten sehen inzwischen den vollständigen Ausbau als fast erreicht an. Insbesondere entlang den Autobahnen gibt es quasi keine weißen Flecken mehr. Doch trotz dieser Fortschritte bei der Netzabdeckung mit dem frei empfangbaren Digitalradio flackert immer wieder eine Grundsatzdebatte auf, ob DAB+ tatsächlich der richtige Standard für die digitale Zukunft des Radios ist.

Kritiker betrachten DAB+ bestenfalls als Übergangstechnologie.
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Die Kritiker von DAB+ stellen gar nicht den Digitalisierungstrend infrage, sehen aber stattdessen im Internet den geeigneten digitalen Übertragungsweg. So sprach sich vor einem Monat der Landtag in Niedersachsen einstimmig dafür aus, die öffentliche finanzielle Förderung für DAB+ zu beenden - "zugunsten des Aufbaus zukunftsoffener Technologien". Dabei setzen die Niedersachsen vor allem auf den kommenden Mobilfunkstandard 5G, mit dem man über das Internet Live-Streams hören oder Podcasts und andere Mediathek-Inhalte herunterladen könne.

Das Internet als allgegenwärtiges Netz für die Übertragung der Radioprogramme kam Ende der 80er Jahre noch nicht in Frage, als die Grundlagen der Rundfunk-Digitalisierung in internationalen Gremien besprochen wurden. Um eine größere Sendervielfalt und bessere Klangqualität als auf analogen UKW-Kanälen zu gewährleisten, wurde mit DAB (Digital Audio Broadcasting) ein klassischer Sendestandard für den terrestrischen Empfang entwickelt - eben wie das bewährte UKW, nur digital statt analog. DAB wurde dann 2011 in das verbesserte Verfahren DAB+ überführt und gilt seitdem als technisch ausgereift.

Nach einem Start in Schneckentempo nahm DAB+ zuletzt an Fahrt auf. Im vergangenen Jahr wurden nach Zahlen des Marktforschers gfu in Deutschland allein 1,4 Millionen DAB+-Empfänger verkauft. Fast jeder zweite Neuwagen wurde mit einem DAB+-Radio ausgeliefert. Und auch bei der Infrastruktur geht es voran. So wächst das Sendernetz in diesem Jahr um 13 zusätzliche Standorte auf insgesamt 137.

Öffentlich-rechtliche Sender setzen auf hybride Strategie

Öffentlich-rechtliche Sender wie das Deutschlandradio treiben DAB+ voran, weil sie damit eine größere technische Reichweite bundesweit erreichen als auf den analogen UKW-Kanälen. Außerdem sind die Kosten für den technischen DAB+-Betrieb niedriger als bei UKW. Gleichzeitig baut der öffentlich-rechtliche Rundfunk aber auch auf eine Internet-Übertragung. Mit dieser "hybriden Strategie" aus DAB+ und Internet will man irgendwann auch UKW ablösen, denn die Spareffekte stellen sich erst dann richtig ein, wenn die UKW-Sender wie in Norwegen abgeklemmt werden.

"Das Internetradio hat Zukunft, ohne Zweifel, vor allem im stationären Betrieb, als Teil des großen globalen und digitalen Medienangebots", sagt Stefan Raue, Intendant des Deutschlandradios. "Aber zu einem frei zugänglichen, kostengünstigen, stabilen und qualitativ hochwertigen Standard wie DAB+ gibt es keine Alternative."

Kritisch gesehen wird DAB+ vor allem von privaten Hörfunkstationen, die ihr Publikum vor allem über UKW erreichen und Reichweitenverluste bei einer UKW-Abschaltung befürchteten. Außerdem schrecken sie die Kosten für den Umstieg ab. "Anders als die ARD-Anstalten, die für ihren Umstieg auf DAB+ 2017 bis 2025 rund 600 Millionen Euro aus dem Rundfunkbeitrag erhalten, müssen die Privaten ihre Investitionen hier komplett aus ihren Werbeerlösen aus der UKW-Verbreitung finanzieren", erklärte der Privatsenderverband "Vaunet". "Das ist de facto nicht zu stemmen."

Liberale für Ausstieg aus DAB+

Vor diesem Hintergrund plädierten im Niedersächsischen Landtag vor allem die Liberalen für einen Ausstieg aus DAB+, die nur eine Übergangstechnologie sei. In dem FDP-Antrag "Für eine digitale Radiozukunft" heißt es: "Wer in Deutschland die Vorteile des digitalen Radios nutzen will, kauft sich meist keinen neuen Rundfunkempfänger, sondern wechselt stattdessen auf Radio via Internet über das bereits vorhandene Gerät wie Smartphone, Smart Speaker, Tablet PC, Laptop oder PC." Radio via Internet werde von rund 38 Prozent der Bevölkerung gehört, bei den 14- bis 29-Jährigen seien es fast 60 Prozent.

Das Plädoyer für den Radioempfang über des Internet bleibt aber selbst in Niedersachsen nicht unwidersprochen. Die Linke, die bei der Landtagswahl knapp den Einzug ins Parlament verpasst hat, weist darauf hin, dass 5G auf absehbare Zeit nur in Ballungsgebieten flächendeckend verfügbar sein werde und auch nur dort wirtschaftlich betrieben werden könne. "Dies ist für ein Flächenland wie Niedersachsen fatal." Und im Gegensatz zum Radio hören über das Internet fielen bei DAB+ keine laufenden Kosten an, sondern es werde nur der einmalige Anschaffungspreis für einen geeigneten DAB+-Empfänger fällig.

Deutschlandradio-Intendant Raue kann sich eine Wende nicht vorstellen: "DAB+ ist längst ein europäisches Projekt, in den meisten Ländern Europas ist DAB+ energisch auf dem Vormarsch, auch hier ist der "Point of no Return" längst überschritten." Auch für den Präsidenten der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), Siegfried Schneider, gibt es keinen Weg zurück: Wie Raue spricht er vom "Point of no Return", den DAB+ erreicht habe. In Bayern ist DAB+ besonders populär, weil dort nicht nur der öffentlich-rechtliche Bayerische Rundfunk auf den Standard setzt, sondern auch besonders viele Privatsender auf DAB+ senden.

Weiteren Schub könnte DAB+ durch die EU bekommen. Im vergangenen November stimmte das Europäische Parlament für die Übernahme des neuen European Electronics Communication Codes (ECC). Danach müssen Autoradios in Neuwagen künftig neben UKW den digitalen terrestrischen Radioempfang ermöglichen. Bis 2021 - nach Ablauf einer Übergangsfrist - wird die Übernahme dieser Regelung auch in Deutschland verpflichtend. (dpa/ad)