Deloitte-Studie

Der CIO als Venture Capitalist

25.03.2014 von Karin Quack
Mit Werten, Talenten, Risiken und Resultaten jonglieren - das sind die Aufgaben eines Chief Information Officer moderner Prägung. Darin ähnelt er einem Risikokapitalgeber, meint das Beratungsunternehmen Deloitte.

Der CIO ist schon mit vielen Berufsständen verglichen worden: vom Buchhalter über den Feuerwehrmann bis hin zum Brückenbauer. Eine neuen Vergleich bringen die Berater von Deloitte ins Spiel: "Der CIO als Venture Capitalist", so lautet ein Aufsatz in der aktuellen Ausgabe ihrer "Tech Trends".

CIOs, die dem Business helfen wollen zu wachsen und innovativer zu werden, müssen ein neues (Selbst-)Bewusstsein und neue Fähigkeiten entwickeln, heißt es dort. "Wie ein Venture Capitalist" sollten die IT-Verantwortlichen ihr IT-Portfolio aktiv managen, auf dass es den Unternehmenswert steigere. Zudem sollten sie die Leistungsentwicklung ihres Portfolios mit den Augen eines Business-Managers beurteilen - nach Kategorien wie Wert, Risiko und Zeithorizont, bis Investitionen sich auszahlen. Wenn sie das noch mit Agilität und TalentManagement kombinieren, können sie ihr IT-Geschäft auf ganz neue Füße stellen.

Die 10 CIO-Prioritäten für 2014
Der CIO muss sich 2014 um den Mehrwert der IT für das Unternehmen kümmern. Das ist seine persönliche Aufgabe und Herausforderung, meint Luis Praxmarer von der Experton Group.
1. Aufbau von Innovationsteams
In fast allen Unternehmen steht das Thema Innovation ganz oben auf der Agenda. Die IT muss funktionsübergreifende Teams aufbauen, um alle Innovationsbereiche aktiv angehen zu können: also Innovationen bei Produkten, Prozessen und Geschäftsmodellen. Fast 75 Prozent der Verantwortlichen auf der Geschäftsseite sehen die IT nicht als Innovationsführer, und noch mehr sprechen den IT-Experten die dafür erforderlichen Qualifikationen ab.
2. Business Prozess Know-how, Self-Service, TCE
Entwicklung von Geschäftsprozesswissen; Geschäftsprozess-Masterplan, Self-Service, Total Customer Experience (TCE); Total Customer Experience
3. BI, Big Data, Enterprise Performance Management
Business Intelligence steht auf der Prioritätenliste schon eine ganze Weile ganz oben. Die Implementierung schreitet allerdings nach wie vor relativ schleppend voran und erfolgt meist auf isolierte Weise für einzelne Applikationen. Jetzt steht mit dem Schritt auf die nächste Ebene die Implementierung eines Enterprise-Performance-Management-Konzepts an. Angesichts der zunehmenden Datenmenge aus vielen unterschiedlichen Quellen bieten "Big Data" Konzepte vielen Unternehmen einen exzellenten Mehrwert.
4. Industrie 4.0, Branchen-Trends, IT als Produkt
Der vierten industriellen Revolution, kurz Industrie 4.0, bescheinigt die Experton Group enormes Potenzial und dies obwohl es von der Regierung initiiert wurde. Laut Wiki ist Industrie 4.0 ein Zukunftsprojekt in der Hightech-Strategie der Bundesregierung, mit dem die Informatisierung der klassischen Industrien, wie z.B. der Produktionstechnik, vorangetrieben werden soll.
5. Workspace of the Future - Mobility
Nicht mehr der Arbeitsplatz steht im Mittelpunkt sondern der Arbeitsraum. Wer hat noch einen festen Arbeitsplatz im herkömmlichen Sinn? Ja, es werden noch viele in den nächsten Jahren sein, aber eben schon lange nicht mehr alle. Es kommt zu einer radikalen Verschiebung durch die Mobilität, die wir heute mit dem Einsatz von ICT erreicht haben. Der "Bring-your-own-Device"-Ansatz (BYOD) hat zu allerlei Kontroversen geführt. Doch Tatsache ist: BYOD wird nicht mehr zu unterbinden sein.
6. Social Business, Strategie & Richtlinien
Social Collaboration bedeutet Dezentralisierung der Organisation und des internen Kommunikationsstils. Bei der externen Kommunikation und geschäftlichen Ausrichtung wird oft vom Social Enterprise / Social Business gesprochen, auch wenn das mit "sozial", verantwortungsvollen Investitionen oder Achtsamkeit eigentlich nichts zu tun hat. Wir alle wissen ja, wie sich durch die sozialen Medien der Kommunikationsstil zwischen Menschen und Organisationen verändert hat. Das muss bei der übergreifenden ICT-Strategie bedacht werden, und die IT-Organisation ist gefordert, entsprechende Empfehlungen für das Unternehmen aufzusetzen.
7. Dynamic Infrastructure dem Business anpassen (Cloud!)
Cloud Computing als neue IT-Architektur des Jahrzehnts, ermöglicht mehr Flexibilität und Business-Fokus für die IT-Strategie. In den meisten Unternehmen gibt es inzwischen eine stabile IT-Umgebung und auch die Effizienz wurde in den vergangenen Jahren gesteigert. Eine agile IT ist allerdings in den meisten Fällen noch nicht umgesetzt worden. Agilität bedeutet, die sehr schnelle Anpassung der Ausgaben und Ressourcen an sich verändernde Märkte.
8. Security & Datenschutz (Cloud, BYOD, Mobility)
Cloud Computing, BYOD und Mobility werden immer wichtiger. Damit sind Sicherheit und Datenschutz ein Muss und eine unabdingbare Voraussetzung. Das Thema Identitätsmanagement nimmt ja bereits seit einiger Zeit eine hohe Priorität ein. Bei der Implementierung vieler Cloud-Lösungen spielt es nun eine ganz entscheidende Rolle. Es muss ein Cloud-Framework aufgebaut werden, das auch die Themen Single-Sign-On, Provisionierung, Verrechnung und Sicherheit adressiert. Das Thema Datenschutz hat und hatte insbesondere in Deutschland immer schon einen sehr hohen Stellenwert und muss natürlich all diese neuen Lösungen mit beinhalten.
9. Skill Analyse & HRM-Strategie
In der Mehrheit der Unternehmen liegt bei der IT-Qualifikation der Fokus zu 90 Prozent darauf, die Systeme am Laufen zu halten. Es geht also um Skills wie Management des IT-Betriebs, Helpdesk, Infrastrukturmanagement, Desktops und mobile Endgeräte und Anwendungsunterstützung. IT-Architekten und Geschäftsprozess-Spezialisten sind dagegen dünn gesät. Anders ausgedrückt, die meisten Skills sind in Bereichen vorhanden, die bereits heute oder spätestens in nächster Zukunft Standard sind und dem Unternehmen keine Wettbewerbsdifferenzierung bieten.
10. Sourcing Strategie überarbeiten (Commodity/Value)
Insgesamt 80 Prozent des Server-basierten Computings wird bis zum Jahr 2020 ausgelagert sein. Es gilt, diesen Trend zu verstehen und sich entsprechend vorzubereiten, zu entscheiden, was Standard ist und was dem Unternehmen einen Mehrwert bringen kann. Auch wenn die Rechenzentren regelmäßig aufgerüstet wurden, sind viele doch nicht in der Lage, moderne Strom- und Kühlungsbedarfe zu erfüllen.

Was zeichnet einen guten VC aus?

Die effektivsten Venture Capitalists (VC) sind häufig gewitzte Geschäftsleute, die sich vieler miteinander verflochtener Fähigkeiten bedienen, so Deloitte. Sie managen nicht nur Investment-Porfolios, wobei sie ständig die individuelle und allgemeine Performance bewerten. Bewusst ziehen sie sich auch unternehmerische Talente heran, die sowohl über technisches Know-how als auch geschäftliches Wissen verfügen - gepaart mit Vision, Leidenschaft und diesem gewissen Funken, der in echten Leadern sprüht.

Mit Werten, Talenten, Risiken und Resultaten jonglieren - das sind die Aufgaben eines Chief Information Officer moderner Prägung.
Foto: Ingo Bartussek, Fotolia.com

Gute VCs kultivieren eine agile Organisation, die auf sich ändernde Marktbedingungen nicht nur reagiert, sondern sie antizipiert. Sie sind ständig bereit, Entscheidungen zu treffen: eine Option fallen zu lassen, eine neue zu ergreifen, zu reinvestieren, zu diversifizieren etc. Wie Deloitte festgestellt hat, ist das auch für einen CIO in einer wachstumsorientierten Organisation wichtig. Zum Beispiel brauche ein solcher CIO eine explizite "Portfolio-InvestmentStrategie", um die ständig wachsende Zahl von Projekten zu handhaben - angefangen von strategischen Langzeit-Initiativen bis hin zu operativen Aufgaben. Das erfordere den projekt- und programmübergreifenden "freien Blick" auf Ziele, Abhängigkeiten, Stati, Finanzen, Ressourcen und Risikoprofile.

Aus Sicht von Deloitte gilt das sowohl für die eher flüchtigen Projekte als auch für die vergleichsweise statischen Assets wie Hardware, Software, Standorte, Delivery-Modelle, Verträge, strategische Anbieter und das Personal. "Das IT-Portfolio ist komplex", so Deloitte, "aber dieses Komplexität ist keine Entschuldigung für einen Blindflug."

Die VC-Fähigkeiten des CIO

Vor allem auf drei Gebieten muss der CIO neue Skills ausbilden, wenn er sich die Mentalität eines Venture Capitalist aneignen will.

1. Portfolio-Management: Wenn die IT-Budgets wieder wachsen, wird es noch wichtiger, sie strikt zu managen. So verfolgten im vergangenen Jahr bereits 38 Prozent der Organisationen einen Portfolio-Ansatz in ihrer IT.
2. Richtiger Einsatz von Talenten: Ohne das geeignete Skillset lassen sich weder die vorhandenen Systeme erfolgreich betreiben noch Innovationen anstoßen. Die wichtigste Eigenschaft ist dabei einer Deloitte-Umfrage zufolge, "zu denken wie das Business".
3. Agile Organisation": Um die Projektlaufzeiten zu verringern und das Alignment zu verbessern, bedienen sich immer mehr CIOs agiler Methoden. Sie helfen auch, veraltete Prioritäten relativ schnell zu ändern.

Ständige Bewertung der Performance

Ein CIO mit VC-Mindset führt nicht einfach nur Buch über die Abarbeitung von To-do-Listen oder das Asset-Inventar. Die "Portfolio-Sicht" ermögliche es ihm, jedes Stück Inventar, jedes Projekt und jeden Anbieter ständig nach solchen Kriterien zu beurteilen, die auch die Fachbereichsleiter und die Unternehmensführung verständen, so Deloitte. Und das versetze ihn in die Lage, seinen Management-Kollegen den quantitativen und qualitativen Wertbeitrag der IT nahezubringen. Welche Initiativen sind geschäftskritisch? Welche Hardware- und Softwarekomponenten sind wachstumsentscheidend? Welche sollen auslaufen? Derartige Fragen müsse er beantworten können.

Das Unvorhersehbare antizipieren

Dabei hat der CIO mit einigen Unbekannten zu rechnen. Deloitte spielt hier beispielsweise auf die undurchsichtige Produkt-Roadmap vieler Anbieter und die schwer vorhersehbare Entwicklung neuer Marktteilnehmer an. Der CIO brauche die Fähigkeit und die Disziplin, die Marktlandschaft im Auge zu behalten - und zwar stets und ständig im Hinblick auf die Bedeutung für das eigene Unternehmen, die eigenen Kunden und die Geschäftspartner. Darüber hinaus rät Deloitte den CIOs, eine "Konzessionsarchitektur" zu errichten, die es erlaube, Assets mit überschaubarem Aufwand auf andere Anbieter zu übertragen.

Was bei den CIOs 2014 floppt
Neben den Topthemen des Jahres beleuchtet Cap Gemini auch immer die „Flops“, also die Techniken, die zwar von Anbieterseite stark beworben und in den Medien sehr präsent sind, mit denen die CIOs aber noch wenig anfangen können.
App Stores für Endkunden:
AppStores für Endkunden bieten 15 Prozent der befragten Organisationen an. Andere Unternehmen stellen ihre Software lieber über die Plattformen der großen Anbieter wie Apple, Google und Microsoft zur Verfügung. Daran wird sich nach Capgemini-Prognosen vermutlich auch wenig ändern: Nicht einmal die Hälfte der Befragten habe vor, in naher Zukunft einen eigenen App-Store aufzubauen.
Bring your own Device:
Bring your own Device, also die Nutzung privater Geräte für dienstliche Zwecke, ist leicht in der Achtung der CIOs gestiegen, bleibt aber unter den Flops. Mit 13 Prozent ist auch der Umsetzungsgrad gering. Immerhin arbeiten weitere elf Prozent der Befragten derzeit an einer ByoD-Policy. Der Grund für die Zurückhaltung sind hauptsächlich die bekannten Sicherheits- und Support-Probleme. Ungeklärt sind auch viele Fragen des Lizenz- und Steuerrechts sowie des Datenschutzes und Datenschutzrechts.
Context-aware Computing:
Context-aware Computing gilt den Marktbeobachtern als Thema mit großem Potenzial. Wie Capgemini erläutert, handelt es sich dabei um Systeme, die anwenderspezifische Informationen wie Standort, Aktivität oder Objekte in der Umgebung verwenden, um jeweils passende Inhalte, Produkte oder Dienstleistungen auszuwählen und anzubieten. Innerhalb der Unternehmen stellen solche Lösungen den Anwendern die von ihnen gesuchten oder für sie relevanten Informationen automatisch zur Verfügung. Diese Technik interessiert die CIOs in diesem Jahr mehr als im vergangenen, aber von einem Durchbruch kann keine Rede sein.
App Store für Mitarbeiter:
AppStores für die Mitarbeiter sind ebenfalls ein Flop: Nur zwölf Prozent der Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern eine Plattform zum Herunterladen von Apps für mobile Endgeräte an. Wie Capgemini herausgefunden hat, sind diese Appls auch hauptsächlich für den internen Einsatz vorgesehen.
Crowd Sourcing:
Crowd Sourcing schließt die Flop-Liste ab. Diese von den Marktauguren als Zukunftstrend ausgewiesene Praxis wird derzeit nur von fünf Prozent der Unternehmen verwendet, ein Prozent ist mit der Implementierung Implementierung beschäftigt, 14 Prozent haben das Thema in Planung. Interessant ist Crowd Sourcing aus Sicht von Capgemini derzeit nur für eine kleine Zahl von Fertigungs- und Vertriebsunternehmen, die ihre Kunden enger in den Produktentwicklungsprozess einbinden wollen.

Die Werbetrommel rühren

Ein CIO, der sich als VC begreift, kann seineRolle vor einer neuen Kulisse spielen. Selbstverständlich werde er - oder sie - die Außenwahrnehmung nicht über Nacht verändern, warnt Deloitte die Übereifrigen. Andererseits sollten CIOs nicht davor zurückschrecken, sich selbst zu "vermarkten" - im Interesse der IT und damit auch des Unternehmens. IT-Marketing und -PR sei auch wichtig, um Talente ins Unternehmen zu ziehen.

Interne und externe Talente fördern

Auch das Talent-Management gehört zu den Aufgaben eines Venture Capitalist. Wo sind die Lücken im Skillset? Wie lassen sie sich durch interne Weiterbildung schließen? Wo müssen neue Mitarbeiter eingestellt werden? Wie lassen sich Toptalente erkennen, entwickeln und halten? Wo ist Croudsourcing sinnvoll und machbar? In ihren Teams brauchen die CIOs "Macher" und "Denker", aber auch "Führer". Und die Talente sind überall knapp.

Kurz und bündig:

Operationale Services bereitstellen war gestern. Heute muss der CIO die Wachstums- und Investitionsstrategie des Topmanagements unterstützen - so flink und flexibel wie irgend möglich.

Die komplette Studie finden Sie hier.