Risiko eingehen

Der CIO soll Venture Capitalist werden

11.03.2014 von Christiane Pütter
Deloitte plädiert dafür, dass IT-Führungskräfte das Denken von Venture Capitalists übernehmen sollten. Das erfordert allerdings mehr Risikobereitschaft.

Die internationale Unternehmensberatung Deloitte will der Diskussion um die Rolle des CIO neue Impulse geben. Dass der Tekkie dem Business-Manager weichen musste, dürfte sich durchgesetzt haben. Deloitte spitzt das nun zu: CIOs sollen agieren wie ein Venture Capitalist. Diesem widmen die Analysten ein Kapitel in ihrem Report "Tech Trends 2014: Inspiring Disruption".

Geht es nach Deloitte, sollen CIOs wie Venture Capitalists agieren - noch aber fehlt es am Business-Verständnis.
Foto: Deloitte

Konkret heißt das zunächst: CIOs müssen ihre Assets überprüfen und managen. Die Assets eines IT-Chefs umfassen für Deloitte Hardware, Software, Facilities, das Betriebsmodell ihrer IT, Verträge, Zulieferer und natürlich das Team.

Jeder dieser Punkte muss unter die Lupe genommen werden. Das beinhaltet Fragen wie: Welche Software und Hardware brauchen wir für das Unternehmenswachstum, welche setzen wir ein, wenn Produkte vom Markt genommen werden sollen? Was genau wissen wir über unsere Zulieferer, über deren aktuelle wirtschaftliche Situation und ihre Roadmap? Wie oft überprüfen wir, inwieweit ihre Visionen zu unserer passen? Wie schnell können wir Verträge ändern?

Was die CIOs erwarten
Die Prognosen der CIOs
Wir haben CIOs gefragt, welche wichtigen Themen in den kommenden Jahren auf sie zukommen. IT-Manager aus Großunternehmen wie E.on, Deutsche Bank und Adidas sowie von vielen mittelständischen Anwenderunternehmen haben geantwortet.
Edgar Aschenbrenner, CIO der E.ON SE
-Intelligente Energie am Beispiel Smart Grids: Bedingung dafür ist die für den Kunden und die Geschäftspartner transparente Auswertung einer ungeheuren Datenmenge (Big Data), sowohl auf Verbraucherseite (Smart Metering) als auch was die Energieerzeugung betrifft (Wetterdaten, Daten zur Einspeisung von Wind- und Solar-Energie usw.).<br/> - Cloud-Services: Integration und Management von Cloud-Diensten unter Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten, Verfügbarkeit und Kosten.<br/> - Social Collaboration stellt für einen Traditionskonzern wie E.ON eine enorme Herausforderung in punkto Wandel der Unternehmenskultur dar. Das Thema bietet aber auch neue Ansätze für die Kunden-Kommunikation.
Wolfgang Gaertner, CIO Core Banking, Deutsche Bank
- Mobile.<br/> - IT-Security und Data-Protection.<br/> - Big Data.
Georg Kaestle, CIO der Wieland-Werke AG
- Neue Architekturparadigmen wie beispielsweise Web-Services, SOA (Software-oriented Architecture), MDA (Modell-Driven Architecture) und EDA (Event-Driven Architecture) werden zu wichtigen Trends. Dabei erscheint mir die EDA als wichtigstes Element, um ein Real-Time-Business der Zukunft zu realisieren.<br/>. - Umfassende Management-Support-Systeme mit interaktiven Management-Cockpit-Ansätzen unterstützen künftig in der Entscheidungsfindung. Dabei spielen innovative Technologien und weitreichende Konzepte die entscheidende Rolle.<br/> - Mit dem Ansatz der "Augmented Reality" werden sich auch die betrieblichen Anwendungen in eine neue, heute noch nicht fassbare Realität entwickeln. Gleiches gilt für Consumer-Bereich. Auch dort wird Augmented Reality eine bedeutende Rolle spielen.<br/> - Das Abbilden von Unternehmen in Modellen wird noch stärker vorangetrieben. Hilfsmittel sind das Reverse-Engineering und die Simulation. Sie unterstützen dabei, die Unternehmensentwicklung zu gestalten und die Komplexität zu beherrschen.
Stefan Schoenfelder, Betriebsleiter der Citeq GmbH, IT-Diensleister der Stadt Münster.
-E-Government: Um sich die Bedeutung des E-Governments zu vergegenwärtigen, braucht man sich nur in Erinnerung rufen, dass der öffentliche Dienst der mit Abstand größte Arbeitgeber Deutschlands ist. Nachdem in dem Bereich Government-to-Governmemt bereits viel erreicht wurde, rückt jetzt der Bereich Government-to-Customer stärker in den Fokus. Wobei unter Customer sowohl die Bürgerinnen und Bürger, als auch die Unternehmen zu verstehen sind.<br/> - Shareconomy und Open Data: Sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Bereich: Bürgerinnen und Bürger wollen mitarbeiten, miteinander Verantwortung übernehmen und Ressourcen gemeinsam nutzen.<br/>- Die elektronische Identitäten: Ein bekanntes Beispiel für eine Online-Ausweisfunktion ist die eID des neuen Personalausweises.
Thorsten Steiling, Global Head of IT bei SolarWorld
- Nachhaltige IT-Lösungen (Sustainable IT) für eine verlässliche, intelligente, und ressourcenschonende IT-Nutzung.<br/> - Integration von IT und Business.<br/> - Neu- und Weiterentwicklung des Gescha¨ftsmodells
Mattias Ulbrich, CIO der AUDI AG
Die wichtigsten Zukunftshemen sind aus meiner Sicht Big Data, Informationssicherheit und die zunehmende Vernetzung des Fahrzeugs mit seiner Umwelt. Diese drei Handlungsfelder sind sehr eng miteinander verknüpft und können nicht losgelöst voneinander betrachtet werden. In dieser Komplexität liegt die eigentliche Herausforderung.
Reinhold Wittenberg, Leitung IT & Controlling bei der Aug. Prien Bauunternehmung
- Mobility.<br/> - Optimierung der Geschäftsabläufe mittels IT-Tools.<br/> - IT-Skills der User.
Helmut Schlegel, Abteilungsleiter Informationsverarbeitung im Verbund Klinikum Nürnberg
- Die volle und umfängliche Nutzung von privaten Geräten im geschäftlichen Kontext. Das wir spätestens dann der Fall sein, wenn sich die Y-Generation in Führungskraftpositionen etabliert haben wird.<br/> - Die Dateneingabe und auch Anforderung an Daten in ERP-Systemen über Spracherkennung.<br/>- Die Interoperabilität von „ambient assisted living“ (technische Unterstützung für ältere oder/und behinderte Menschen in deren Wohnungsumfeld) über „mobile nurse“ (mobile Pflegekräfte im ambulanten Pflegedienst) bis zu „eHealth“. Letzteres meint das Anwenden elektronischer Geräte zur medizinischen Versorgung und anderer Aufgaben im Gesundheitswesen. Dazu zählt insbesondere die Telemedizin, wenn sie sich auf die Internet-Infrastruktur und -Technik stützt (zum Beispiel IT-gestützte Expertenkonsole oder die Fernüberwachung der Vitalwerte von Patienten in deren Wohnung).
Johannes Lorenz, Leiter Zentralbereich Informatik bei der Messe München GmbH
- Datensicherheit,<br/>- Bring-my-own-Web-Application von Mitarbeitern in das Unternehmen,<br/>- Internet der Dinge
Thomas Schott, CIO von REHAU
- Windows als Betriebssystem-Plattform nimmt an Bedeutung ab. Daraus folgt eine größere Vielfalt, auch weil jeder Nutzer künftig mehrere Devices verwenden wird. Das papierlose Büro kommt näher.<br/>-Das in-memory Computing wird künftig eine bedeutende Rolle spielen.<br/>- Die Benutzeroberflächen werden „touchable“.
Robert Leindl, Corporate Vice President IT und CIO bei Infineon Technologies
Für uns werden Customer Experience im Bereich Self-Service, Advanced Analytics und Produktionsautomatisierung beziehungsweise Robotics die wichtigsten IT Themen in den nächsten Jahren werden.
Hartmut Willebrand, CIO bei der Aon Holding Deutschland
- Softskill oder der Faktor Mensch im Change-Prozess.<br/>- Mobility.<br/>- Energie.
Christian Niederhagemann, CIO der KHS GmbH
- Mobility.<br/>- IT goes business.<br/>- Internet of Things (zum Beispiel Industrie 4.0)
Markus Kapler, IT Bereichsleiter, EBZ
Wir müssen bereits seit einigen Jahren zunehmend flexibel und in steigender Anzahl unsere Geschäftspartner in unsere IT-Systeme einbinden. Hinzu kommen die Systeme unserer Mitarbeiter. Diese Entwicklung wirkt entgegen aller Standardisierungsanstrengungen der vergangenen Jahre und wir stoßen auf den bisher beschrittenen Pfaden zunehmend an unsere Grenzen.<br/>. Zudem führt die Verknappung des Erwerbspersonenpotenzials dazu, dass Mitarbeiter selbstbewusster und individuell fordernder werden. Ebenso rechnen wir auch Außerhalb von IT-Berufen mit einem deutlichen Anstieg von freiberuflich tätigen Mitarbeitern, was uns zu Anpassungen in unseren Prozessen und Services zwingt. Daraus leiten sich vor allem drei zentrale IT-Anforderungen ab:<br/><br/> 1. Informationen müssen global, konsistent und zuverlässig bereit stehen.<br/> 2. Informationssystemen und Services müssen plattformunabhängig und flexibel verfügbar sein.<br/> 3. Das Management der Informationssicherheit muss zuverlässig gewährleistet sein.
Gerald Scheurmann-Kettner, CIO der Event Holding
Die Verbindung von mobile Devices (Smartphone / Tablets) mit Consumer Electronic (TV & Co).

Ein CIO mit der Denkweise eines Venture Capitalist kommuniziert den Wertbeitrag seiner IT-Assets aktiv, so Deloitte weiter. Er kann jedes Programm und jedes Projekt skizzieren und den jeweiligen Nutzen für das Unternehmen darstellen. Die Analysten sind der Meinung, die IT zähle zu den "Kronjuwelen" jeder Firma. Der CIO ist es, der dies der Geschäftsleitung klarmachen muss.

Die Idee von Venture Capital beinhaltet eine gewisse Risiko-Bereitschaft. Aus Sicht der IT heißt das, dass mit technologischen Innovationen finanzielle Rückschläge verbunden sein können. Nicht akzeptabel sind finanzielle Rückschläge aufgrund mangelhaften IT-Betriebs.

Stichwort Innovation: Hier müssen sich CIOs nach den Worten von Deloitte insbesondere auf Crowdsourcing, Mobile, Big Data und Cybersecurity konzentrieren. Dabei hat Crowdsourcing zwei Aspekte. Zum einen zeigt es den Unternehmen, was Verbraucher wollen - zum anderen kann es Fachwissen ins Unternehmen tragen. Deloitte geht so weit, zu behaupten, dass engagierte Laien den Fachkräftemangel abfedern können, zumindest bis zu einem gewissen Grad.

Der Fachkräftemangel ist für die Analysten ein zusätzlicher Grund für die neue Rolle als Venture Capitalist. Eben weil diese das aktive Kommunizieren der eigenen Leistung beinhaltet, profiliert sich ein solcher CIO als attraktiver Arbeitgeber.

Das Deloitte-Papier über die Tech Trends 2014 beinhaltet auch Daten aus früheren Studien. Demnach haben noch nicht alle IT-Chefs den Ruf gehört. So gab in der Deloitte CIO Survey 2013 erst gut jeder Zweite (52 Prozent) an, wie das Business zu denken. Lediglich 42 Prozent trauen sich zu, effektiv zu kommunizieren.