Analysten-Kolumne

Der europäische Datenkarten-Markt im Umbruch

27.04.2005
Mit UMTS hat der europäische Datenkarten-Markt deutlich an Bedeutung gewonnen. Dennoch sind es vor allem kleinere Anbieter, die sich im Augenblick in diesem Segment tummeln. Das könnte sich schon bald ändern, denn mit Siemens und Motorola treten nun zwei Schwergewichte an, die mit einer neuen Technologie die Datenübertragung deutlich beschleunigen wollen.

Der Datenkarten-Markt in Europa kann auf ein gutes Jahr zurückblicken. In 2004 steigerte der Marktführer Option seine Umsätze um 81 Prozent, während Novatel Wireless ein Wachstum von 207 Prozent verbuchte. Sierra Wireless indes vervielfachte seine Geschäfte sogar um etwa 350 Prozent. Dieses Wachstum ruft neue Wettbewerber und Technologien auf den Plan, die einen signifikanten Wandel auf dem Anbieter-Markt auslösen werden.

Der gesamte Markt für Datenkarten wuchs im vergangenen Jahr um etwa 215 Prozent. Ein derartiges Wachstum ist nicht nur üblich für einen so jungen Markt wie diesen, vielmehr ist es notwendig. Nicht zuletzt streben die Anbieter in allen jungen Märkten danach, die sogenannte kritische Masse zu erreichen, den Punkt, wo das Produkt von einem exotischen zu einem etablierten Artikel wird.

Natürlich gibt es externe Marktfaktoren, wie beispielsweise konkurrierende Standards und Technologien, die das Wachstum beeinflussen. Doch in der Anfangsphase müssen die Anbieter – immer vorausgesetzt, dass das Angebot stimmt – die Nachfrage stimulieren, vor allem indem sie den Nutzen ihres Konzepts unter Beweis stellen, Empfehlungen schaffen und Verkaufskanäle aufbauen.

In der gegenwärtigen Phase der Marktentwicklung ist die Konkurrenz zwischen den Anbietern noch gedämpft. Natürlich gibt es einen eindeutigen Wettbewerb, um die Aufmerksamkeit von Betreibern zu erlangen und zu deren Hauptlieferanten aufzusteigen. Doch generell arbeiten die Anbieter mit den Betreibern gemeinsam daran, das Konzept von Datenkarten dem Mobilfunkgeschäft nahe zu bringen.

Beziehungen zwischen Anbietern und Betreibern zahlen sich aus

Derzeit ist Option der Marktführer auf dem Datenkarten-Markt, was in erster Linie auf seine exklusive Beziehung zu Vodafone zurückzuführen ist. Die beiden Unternehmen arbeiten seit 2002 im Bereich von mobilen Datenlösungen zusammen. Damals wählte Vodafone die "Globetrotter“-Datenkarte von Option als Grundlage für seine Fernzugangs-Strategie und beauftragte das Unternehmen, die so genannte "Dashboard“-Software zur Verwaltung der Verbindungen zu entwickeln.

Zu den gegenwärtigen Konkurrenten von Option zählen Novatel Wireless, Sierra Wireless, Sony Ericsson und Nokia, wobei Novatel Wireless der bei weitem effektivste Wettbewerber in Europa ist. Das nordamerikanische Unternehmen verfolgt eine ähnliche Strategie wie der Marktführer - es arbeitet ebenfalls mit Vodafone und zahlreichen weiteren europäischen Betreibern zusammen. Tatsächlich ist Novatel Wireless’ Beziehungsnetz zu Betreibern weitaus umfassender als das von Option. So gehören TIM, Telefónica Moviles, TME, O2, Orange, T-Mobile, KPN und seit kurzem Wind zu den Partnern des Unternehmens.

Sierra Wireless dagegen steht seinen beiden Konkurrenten in Vielem nach. Während das Unternehmen seine Marktposition optimistisch sieht, sind Defizite insbesondere beim Datenkarten-Verkauf und den Wiederverkäuferbeziehungen zu Betreibern zu erkennen. Zwar sind Sierra Wireless’ Karten für die meisten größeren Netzwerke in Europa erhältlich, um jedoch mittelfristig mit Option und Novatel Wireless Schritt halten zu können, müssen nicht nur die Marktkanäle immer weiter entwickelt werden, sondern vielmehr die Liste von Wiederverkaufsunternehmen ausgebaut werden.

Marktstruktur befindet sich im Wandel

Die bestehende Marktstruktur beginnt sich derzeit zu wandeln. So arbeiten Nokia und Sierra Wireless zusammen, um Nokias bislang enttäuschendes Datenkarten-Produktsortiment aufzubessern. Darüber hinaus hat Sony Ericsson mit neuer Entschlossenheit sein Engagement auf diesem Markt verkündet.

Der Anreiz für dieses neuerliche Interesse geht sehr wahrscheinlich vom bevorstehenden Markteintritt zweier Unternehmen aus, die bislang nur durch ihre Abwesenheit aufgefallen sind: Motorola und Siemens. Beide Unternehmen haben den Datenkarten-Markt für eine Weile beobachtet, bevor sie nun ihren Markteintritt zeitgleich mit der Einführung der bis zu 14 Megabytes pro Sekunde (mbps)-schnellen “High Speed Downlink Packet Access“- (HSDPA) Technologie angekündigt haben. Realistisch werden Geschwindigkeiten bei 1,8 bis 3,6 mbps im Standard liegen, was eine ungeheuere Verbesserung gegenüber den 384 kbps von UMTS darstellt.

Sowohl Siemens als auch Motorola haben jeder für sich gesehen das Potenzial, den Markt vollständig zu verändern. Nicht nur verfügen die beiden Unternehmen über spezifische Fachkenntnisse in HSDPA, vielmehr besitzen sie auch bewährte Beziehungen zu Mobilfunkbetreibern, die dazu eingesetzt werden können, in dem so wichtigen Vertriebsmarkt fest Fuß zu fassen. Daneben können die beiden neuen Marktteilnehmer auf die finanziellen Mittel zurückgreifen, in Produktentwicklung, Marketing und Verkauf zu investieren, um den gegenwärtigen Marktführer zu verdrängen.

Neue Maßnahmen sind gefragt

Folglich wird der Markt für Datenkarten in zwei Jahren nicht länger von Option dominiert werden, und einige der aktuellen Anbieter werden sehr wahrscheinlich nicht mehr in ihrer jetzigen Form auf dem Markt präsent sein. Schwächere Wettbewerber wie Sierra Wireless und möglicherweise Novatel sind verwundbar, zumindest was den europäischen Markt betrifft - beide Unternehmen besitzen in Nordamerika Märkte für eingebettete Lösungen und im Fall von Sierra Wireless für seine “VOQ”-Handset-Produktreihe.

Daneben werden HSDPA und der Eintritt von neuen Marktteilnehmern weitere Veränderungen auslösen. Die Maßnahmen, die die derzeitigen Datenkarten-Anbieter in den nächsten zwölf Monaten vornehmen, werden darüber entscheiden, ob und wie sie am zukünftigen Markt agieren werden. Voraussetzungen für diese Prognose sind, dass sich das Marktwachstum in den nächsten beiden Jahren beschleunigen wird, was wiederum neue Marktteilnehmer in diesen unterbesetzten Markt locken wird, und dass trotz des starken Wachstums neue Technologien auf dem Datenkarten-Markt eingeführt werden.

Andrew Tanner-Smith ist Consultant ICT Practice bei Frost & Sullivan.