Analysten-Kolumne

Der IT-Markt im Überblick

28.09.2005 von Thomas Lünendonk
Prognosen sind das eine - die Realität ist das andere. Diese Formel gilt nicht nur für die Politik, sondern durchaus auch für die Wirtschaft. Legt man beispielsweise bei den Software-, IT-Beratungs- und IT-Service-Unternehmen in Deutschland für das Jahr 2004 die Messlatte an, so zeigt sich, dass es auch hier Abweichungen zwischen Wunsch und Wirklichkeit gab.

Im Frühjahr 2004 befragte die Lünendonk GmbH wie in jedem Jahr seit 1983 diese Unternehmensgruppen wieder nach ihren Prognosen für das laufende Jahr. Damals herrschte eine gewisse Skepsis, was die allgemeine Marktentwicklung betraf, aber durchaus Optimismus, was die eigene Unternehmensentwicklung anging. Das effektive Ergebnis war gemischt. Zwar entwickelte sich der Markt nicht so verhalten, wie es viele Unternehmen und auch Analysten vermutet hatten, doch großen Anlass zum Jubel gab es nicht.

Allein die führenden Standard-Software-Unternehmen in Deutschland sprangen elegant über die selbst aufgelegte Höhe. Sie hatten im Frühjahr 2004 eine Umsatzsteigerung von durchschnittlich 10,7 Prozent prognostiziert und landeten dann am Jahresende effektiv bei elf Prozent. Hier löste sich der Investitionsstau der vorherigen Jahre im Inland offensichtlich am schnellsten auf. Hinzu kamen die respektablen Erfolge deutscher Software-Unternehmen im Weltmarkt.

Nicht ganz so gut schnitten die führenden IT-Beratungs- und Systemintegrations-Unternehmen in Deutschland ab. Sie waren der Meinung, die Messlatte für 2004 durchschnittlich bei 11,7 Prozent legen zu können, verfehlten diese Prognose dann aber deutlich mit einer effektiven Umsatzsteigerung von 8,8 Prozent - wobei so manche Branche in Deutschland froh wäre, würden ihre Unternehmen solche Erfolge vorweisen. Hier wirkten sich auf die Umsatzentwicklungen Faktoren wie ein damals noch bestehender Angebotsüberhang und ein hoher Druck auf die Honorare aus. Dass trotz dieser schwierigen Situation insgesamt ein positives Fazit am Jahresende gezogen werden konnte, spricht für die erfolgreichen Anstrengungen dieser Anbieterkategorie.

IT-Service-Unternehmen unter Druck

Richtig kalt erwischt wurden hingegen in 2004 die IT-Service-Unternehmen. Sie hatten zwar bereits vorsichtig lediglich mit einer durchschnittlich einstelligen Umsatzentwicklung gerechnet (8,5 Prozent). Mit einer effektiven durchschnittlichen Entwicklung von lediglich 2,4 Prozent schlugen sie am Jahresende aber hart in der Wirklichkeit auf. Der Wettbewerb im Markt für Outsourcing, Application Management und Application Service Providing gestaltete sich sehr hart. Auch hier spielte das Thema Preisdruck eine maßgebliche Rolle.

Insgesamt können sich alle diese Ergebnisse trotz der - verglichen mit der Bundestagswahl immer noch harmlosen - Fehleinschätzungen sehen lassen. Die in der Lünendonk-Studie zusammengefassten jeweils führenden Unternehmen der verschiedenen Marktsegmente konnten durchschnittlich immerhin ein Plus bei der Umsatzentwicklung aufweisen. Das ist in Anbetracht eines hart umkämpften Marktes, auf dem sich zunehmend auch internationale Nearshore- und Offshore-Anbieter tummeln, sicherlich ein gutes Zwischenergebnis.

Doch dass die Anbieterunternehmen sich ob dieser gelungenen Zwischenetappe in 2004 nicht in Sicherheit wiegen und bei aller Zuversicht etwas vorsichtiger werden, ergeben zum Teil die Prognosen für das laufende Jahr 2005 sowie den Zeitraum 2005 bis 2010. Auch hier fand die Befragung wieder im Frühjahr statt.

Gedämpfte Prognosen

Dabei zeigt sich, dass die erfolgsverwöhnten Software-Anbieter in Deutschland auch hier wieder am optimistischsten sind. Sie rechen für das laufende Jahr 2005 mit einer durchschnittlichen Umsatzsteigerung von 13,3 Prozent. Für den Zeitraum von 2005 bis 2010 gehen sie von einer durchschnittlichen jährlichen Steigerung von 11,6 Prozent aus - also immer noch zweistellig.

Verhaltender gehen die IT-Beratungs- und Systemintegrations-Unternehmen in Deutschland an das Jahr 2005 heran. Sie prognostizierten im Frühjahr ein Umsatzwachstum von 9,5 Prozent für das laufende Jahr, für die mittelfristige Zukunft von 2005 bis 2010 ebenfalls ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 9,5 Prozent. Da normalerweise die Wachstumserwartungen von Unternehmen steigen, je weiter der Prognosezeitraum vom Prognosezeitpunkt entfernt liegt, zeigt diese auf den ersten Blick positive Einschätzung eine gewisse Zukunftsskepsis der IT-Beratungsunternehmen.

Hier spiegelt sich verdeckt jedoch eine Marktentwicklung wider, die deutlich macht, warum die einen hoffnungsfroh und die anderen etwas misstrauischer in die Zukunft schauen. Die positiven Wachstumserwartungen der Software-Anbieter hängen nämlich unter anderem mit der Hoffnung zusammen, künftig zunehmend in die Domäne der IT-Beratungs-Unternehmen einzudringen und dort beispielsweise Integrationsarbeiten - nicht nur für die eigene Software - zu übernehmen, die bislang bei den IT-Beratungs- und Systemintegrations-Unternehmen als Umsatz positiv zu Buche schlugen. Es wird interessant sein, hier in 2006 die tatsächlichen Entwicklungen und deren Ursachen zu analysieren.

Realistische Bescheidenheit

Bleiben noch die IT-Service-Unternehmen in Deutschland, die um die Betreuung, Wartung und den Betrieb von IT-Infrastrukturen und kompletten Geschäftsprozessen kämpfen. Sie sind für 2005 nicht so hoffnungsvoll wie die IT-Beratungsunternehmen. Für das laufende Jahr rechnen sie mit einer durchschnittlichen Umsatzsteigerung von 6,4 Prozent, mittelfristig - von 2005 bis 2010 - mit einer jährlichen Steigerungsrate von 6,7 Prozent. Auch hier zeigt der fast identische Wert, dass aktuell und auf mittlere Sicht nicht mit einer sehr sonnigen Zukunft gerechnet wird - zumindest nicht so sonnig wie in früheren Jahren. Gleichwohl ist auch hier die Wachstumserwartung für das eigene Unternehmen immer noch deutlich im positiven Skalenfeld.

Die Jahre der Stagnation scheinen somit zumindest im Augenblick überwunden. Es entwickelt sich jedoch angesichts der Globalisierung und Internationalisierung des Binnenmarktes eine realistische Bescheidenheit. Das hat durchaus seinen Reiz, denn es ist allemal besser und motivierender, eine realistisch aufgelegte Latte zu überspringen, als mehrfach zu reißen und mit dem Schicksal zu hadern.