Digitalisierung des Handels

Der Siegeszug des Online-Handels geht weiter - das Ladensterben auch

26.08.2016
Mit Öffnungszeiten rund um die Uhr und bequemer Lieferung bis vor die Haustür machen Internethändler den Einkaufsstraßen immer mehr Kunden abspenstig. Vor allem in Klein- und Mittelstädten stehen deshalb immer mehr Läden leer.

"Prognosen, wonach bis 2020 rund 50 000 Geschäften das Aus droht, sind nicht übertrieben. Das wird eher die Untergrenze sein", warnt der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Für den Branchenkenner steht fest: "Das eigentliche Drama wird sich in den Klein- und Mittelstädten abspielen." Heute entfallen auf sie noch knapp 50 Prozent der Einzelhandelsumsätze. Doch wenn nichts geschehe, werde der Erfolg des Online-Handels hier zu existenzbedrohenden Umsatzrückgängen führen, ist Heinemann überzeugt. "Schon heute sind Leerstandsquoten von 40 Prozent in Klein- und Mittelstädten keine Ausnahme mehr."

Der E-Commerce boomt, zum Leidwesen des stationären Handels.
Foto: aodaodaodaod - shutterstock.com

Ähnlich sieht Boris Hedde vom Kölner Institut für Handelsforschung (IFH) die Lage. "Der stationäre Handel wird bis 2020 wahrscheinlich 20 bis 40 Milliarden Euro an Umsatz an die Online-Konkurrenz verlieren", prognostiziert der Experte. "Es ist ein harter Verdrängungswettbewerb."

Der IFH-Geschäftsführer fügte noch hinzu, die Digitalisierung sei nicht das Einzige, was dem stationären Handel in den nächsten Jahren zusetzen werde. "Die demografische Entwicklung und der damit verbundene Bevölkerungsrückgang in vielen Regionen werden wie ein zweiter Tsunami über die Branche hinwegfegen", glaubt er. Vor allem in den ländlichen Regionen, in den Klein- und Mittelstädten würden dadurch viele Geschäfte ihrer Existenzgrundlage beraubt.

Tatsache ist: Der Online-Handel in Deutschland glänzt nach aktuellen Zahlen des E-Commerce-Verbandes bevh weiterhin mit zweistelligen Wachstumsraten. Besonders stark wachsen reine Internethändler wie Amazon oder Zalando mit einem Plus von 30 Prozent. Die Multichannel-Anbieter, zu denen vor allem klassische Händler gehören, die Internet und stationäre Angebote verbinden, legten zuletzt um gut 10 Prozent zu. Die Online-Marktplätze um gut 7 Prozent.

Das müssen B2B-E-Commerce-Plattformen leisten
Neun Herausforderungen für B2B-E-Commerce-Plattformen
Hersteller, Zulieferer und Großhändler im B2B haben die Potenziale des E-Commerce für die Steigerung ihrer Vertriebsergebnisse erkannt. Als integraler Bestandteil der Softwarelandschaft eines Unternehmens bildet er die perfekte Plattform, um Multi- und Omnichannel-Strategien zu steuern. In Kooperation mit der E-Commerce-Agentur netz98 präsentieren wir Ihnen neun Anforderungen, die E-Commerce-Lösungen im B2B-Bereich erfüllen sollten.
1. Direktvertrieb
Der digitale Vertrieb über E-Commerce-Plattformen ist mehr als ein Kanal. Er soll die Wertschöpfung des B2B-Unternehmens steigern. Durch das Umgehen von Zwischenstufen lassen sich die eigenen Leistungen mit mehr Gewinn verkaufen. Gleichzeitig erhöht er die Reichweite, gibt dem Marketing neue Möglichkeiten und steigert damit in der Regel auch den Umsatz.
2. Neukunden
Der Onlinekanal eignet sich auch im B2B perfekt für kurzfristige Kaufentscheidungen. Ein digitaler Vertrieb kann den Absatz niedrigpreisiger, schnelldrehender Produkte verbessern und hier Neukundengeschäft generieren, wenn etwa die Zielgruppenanalyse eine hohe Onlineaffinität zeigt.
3. Kostenoptimierung
Im B2B E-Commerce geht es zudem um die Senkung der Vertriebskosten durch eine Digitalisierung bestehender Prozesse. Der Anbieter profitiert etwa von einer vollständig automatisierten Abwicklung der Bestellprozesse. Eine Reduzierung der Kosten steigert eben auch den Gewinn.
4. Kundenbindung
Eine B2B E-Commerce Plattform muss Nutzer bei operativen und administrativen Prozessen entlasten. Kann eine wiederkehrende Bestellung mit wenigen Klicks ausgelöst werden, spart dies dem Kunden Zeit und damit Kosten. Kostenreduktion und höhere Servicequalität stärken die Kundenbindung.
5. Internationalisierung
Eine B2B-Plattform bietet eine kosteneffiziente Möglichkeit, Geschäftspartner im Ausland zu erreichen und neue Märkte zu erschließen. Ein Multi-Store-Konzept sowie ein leistungsfähiges, skalierbares Hosting unter Nutzung eines Content Delivery Networks (CDN) bilden die perfekte Basis. Ohne eine Anpassung der Supply Chain Managements, des Fullfilments und der Kommunikation an internationale Bedürfnisse kann aber auch die beste B2B E-Commerce-Plattform keine Vertriebserfolge erzielen.
6. Interne Kommunikation
Fehlende Expertise bei Online- und insbesondere E-Commerce-Projekten führt häufig dazu, dass Fachabteilungen den Eindruck haben, ihre Budgets und Kompetenzen schützen zu müssen und so gegeneinander arbeiten. Die Unternehmensführung muss das Projekt entsprechend hoch priorisieren, um vermeintliche Verteilungskämpfe zu vermeiden.
7. Proof-Of-Concept mit Zukunft
Pilotprojekte bzw. die schrittweise Ausdehnung des digitalen Vertriebs auf das Gesamtportfolio erleichtern den Change und den Aufbau einer internen Expertise. Dazu muss die Lösung aber leistungsseitig und funktional problemlos skalieren – damit der Ausbau ohne finanzielle Überraschungen erfolgen kann.
8. User Experience
Um dem Nutzer eine schnelle und sichere Auswahl sowie überzeugende User Experience zu bieten, muss der B2B-Shop die Abhängigkeiten zwischen komplexen B2B-Produkten in allen Bereichen präzise abbilden: in der Seitenstruktur, den Produktdetailseiten, der zielführenden Navigation und der intelligenten Suche bzw. Filterung – was die Integration von leistungsfähigen Suchtechnologien und die optimale Strukturierung der Produktdaten voraussetzt.
9. Flexibles Framework
Über den Grad der Wertschöpfung einer E-Commerce-Lösung entscheiden Zuverlässigkeit, Flexibilität und ein breites Funktionsspektrum. Ein kosteneffizientes Customizing der Lösung für die spezifische Anforderung ist für eine schnelle Einführung wie auch die Zukunftsfähigkeit relevant.

Dagegen klagen die Geschäfte in den Innenstädten über sinkende Kundenzahlen. Im stationären Modehandel sanken die Umsätze im ersten Halbjahr trotz der eigentlich überbordenden Kauflust der Bundesbürger noch einmal um ein Prozent, wie das Fachblatt "Textilwirtschaft" ermittelte. "Wir hatten mehr erhofft, aber die Kunden bleiben einfach weg", zitierte das Fachblatt einen bayerischen Händler.

Und die Probleme werden wohl nicht geringer werden. Denn zurzeit versuchen die Internethändler einen der letzten verbliebenen Vorteile des stationären Handels - die sofortige Verfügbarkeit der Ware - zu kopieren, indem sie in immer mehr Städten die Belieferung noch am Tag der Bestellung anbieten.

Für Heinemann, der in Kürze ein Buch über die "Neuererfindung des Einzelhandels" veröffentlichen wird, ist der Online-Handel aber nicht nur eine Gefahr für die klassischen Ladenbetreiber, sondern auch eine Chance. "Das Projekt "Mönchengladbach bei Ebay" hat gezeigt, dass der lokale Händler sich vom Online-Kuchen etwas abschneiden kann, wenn er seine Internetallergie ablegt."

An dem 2015 in Mönchengladbach gestarteten Projekt, bei dem Heinemann mit seinem Institut eWeb Research Center maßgeblich beteiligt war, hatten insgesamt 79 lokale Einzelhändler teilgenommen und ihr Sortiment ganz oder teilweise auch auf dem Online-Marktplatz Ebay angeboten.

Insgesamt seien zwischen Oktober 2015 und Juni 2016 über die Plattform mehr als 87 500 Artikel im Gesamtwert von über 3,2 Millionen Euro in 84 Länder verkauft worden. Für jeden aktiven Händler bedeute dies ein durchschnittliches zusätzliches Jahresumsatzplus von rund 90 000 Euro. "Das kann helfen, den Umsatz stabil zu halten", betonte Heinemann.

Ein wenig Mut machen kann den "klassischen" Geschäften auch eine vor wenigen Tagen veröffentlichte Studie der Unternehmensberatung PwC. Danach hat der stationäre Handel selbst da Fans, wo man sie am wenigsten erwarten würde: Unter den "Digital Natives", den Internetnutzern zwischen 18 und 24 Jahre. Fast zwei Drittel von ihnen versicherten in der repräsentativen Umfrage, sie würden am liebsten im stationären Handel einkaufen. Auch wenn die Zeiten schwierig sind: Das Totenglöckchen muss für den stationären Handel wohl auf absehbare Zeit nicht geläutet werden. (dpa/ib)