Hermann Scherer

Der Weg zum glücklichen Leben

03.06.2013 von Thorsten Giersch
"Schatzfinder" heißt das neue Buch von Hermann Scherer. Der Bestsellerautor gehört zu Deutschlands besten Coaches und zeigt, wie man sich aus festgefahrenen Strukturen lösen und mehr aus seinem Leben machen kann.

Wer taugt mehr zum Vorbild: James Bond oder Adam? Der eine akzeptiert immer ohne Murren die Realität und löst die größten Probleme im Zweifel mit seiner Walther PPK. Der andere wird aus dem Paradies vertrieben und schiebt der Schlange die Schuld in die Schuhe. Wer wie James Bond leben will, dem kann Hermann Scherer helfen.

Selten kam ein Ratgeberbuch mit so verbrauchtem Titel derart frisch und lohnenswert daher. "Schatzfinder. Warum manche das Leben ihrer Träume suchen - und es andere längst leben" klingt nun wahrlich nicht so, als ob man sich das noch druckfrische Werk von Hermann Scherer im prall gefüllten Regal der Ratgeberbücher unbedingt schnappen müsste. Trotzdem ist die Investition gut angelegt.

Höhepunkte
"Nun frage ich Sie: Sind sie eher ein Porno-Mensch oder eher ein Liebesfilm-Mensch? Ich bekenne mich: Ich bin ein Porno-Mensch, ich will bis zum Ende meiner Tage Höhepunkte erleben, ich will ständig neue Nummern."
Verwirrung
"Und genau das ist der Grund, warum ich die Freiheit vorziehe und sogar dafür bin, Sicherheit aufzugeben: Freiheit ist verwirrend. Verwirrung ist das genaue Gegenteil von Sicherheit. Verwirrung ist unser bester Zustand!"
Fluchtreflex
"Aber der Fluchtreflex, der in der Wildnis Leben retten kann, ist in der Wirtschaft ein Zeichen von Unfreiheit, von Inkompetenz, von Versagen."
Ziele
"Aber das tun wir alle oft: Wir halten an Dingen fest, obwohl sie keinen Zielmagnetismus (mehr) haben. Einfach, weil wir glauben, es müsste so sein. Oder weil es unser Ego streichelt."
Regeln
"Viele Menschen fühlen sich von Regeln geradezu magisch angezogen, denn mit ihnen wissen sie ganz genau, wie sie sich anzupassen, einzufügen, unterzuordnen haben, um im Gegenzug eine Portion Sicherheit im Leben zu erhalten."
Selbstgeißelung
"Die schlimmsten Wahrheiten sind unsere negativen Wahrheiten über uns selbst. Wie viele Menschen sich täglich selbst beschimpfen und herunterputzen, ist wahrlich tragisch. Wir haben uns leider an zu viel davon gewöhnt."
Meinung
"Wir vermischen echte Erlebnisse mit der Meinung darüber. Nichts was wirklich passiert ist, sondern das, was wir gedacht haben, was passiert ist, bestimmt uns. Unsere Welt besteht aus unserer Meinung über die Welt. Unser Gehirn unterscheidet nicht zwischen gemachten und durchgespielten Erfahrungen."
Risikofreude
"Bereit sein, alles zu verlieren? Ist das nicht gefährlich? Ja. Es ist gefährlich. Das Leben, wenn man es ernst nimmt, ist hoch gefährlich. Das Leben ist sogar lebensgefährlich. Es schließt den Tod mit ein. Manchmal stirbt sogar mehr als nur ein Mensch. Nämlich die Hoffnungen des ganzen Rests."
Kontakte
"Mittels Flirt- und Kontaktbörsen ist es kein Problem für eine Frau, zweimal am Tag mit einem Mann essen zu gehen und bei Gefallen den Nachtisch zuhause zu nehmen. Die Optionen sind unendlich."
Besitz
"Vieles, von dem, was wir glauben zu benötigen, benötigen wir nicht wirklich."
Leben als Spiel
"Das Leben ist ein begrenztes Spiel, es ist Ihre Entscheidung, ein leidenschaftliches oder ein langweiliges Leben zu führen."
Durchhaltevermögen
"Wir halten allzu oft nicht durch, säen zu wenig und ernten zu früh."
Verantwortung
"Wir machen immer andere dafür verantwortlich, dass wir uns weiterentwickeln."

Hermann Scherer ist einer der profiliertesten Coaches und Unternehmensberater Deutschlands. Belesen und voller Charisma gleichermaßen - und ausgestattet mit einem Gespür für die Alltagssorgen der Menschen. In seinem neuen Buch erklärt er, was eigentlich zu schwer zu erklären ist: Wie lebt man ein Leben fern ab des Durchschnitts? Ein Leben nach seinem Wunsch und nichts nach den Maßstäben anderer? Wie verbringt ein durchschnittlicher deutscher Angestellter seine 28.770 Lebenstage glücklich und möglichst ohne Langeweile?

Der Autor unterscheidet plakativ zwischen "Porno-Menschen" und "Liebesfilm-Menschen". Die einen wollen in ihrem Leben so viele Höhepunkte erleben wie möglich. Der andere wartet stattdessen geduldig aber nicht immer mit Erfolg auf das Happy End.

Wie üblich nimmt Scherer zunächst eine Bestandsaufnahme vor: Warum geht so viel schief im Laufe der Jahre? Da hagelt es Fundamentalkritik am Schulsystem, wo "Heranwachsende zu Kleingeistern" gemacht werden. Hier kommt die Feigheit auf, sich zu blamieren; zu riskieren, vom Durchschnitt abzuweichen. Das herkömmliche Verfahren sei schließlich das sicherste. Also bitte in den Bereichen am meisten lernen, wo man die schlechtesten Noten hat. Der Starke wird nicht stärker gemacht, sondern durchschnittlicher.

Leidenschaft
"Leidenschaft wirkt fast wie eine physische Kraft, die Mittelmäßiges in etwas Tolles verwandeln kann. Als würde Wasser in Wasserdampf umgewandelt, wozu nur ein einziges Grad mehr Temperatur nötig ist, der dann die größten Maschinen antreiben kann."
Ego
"Ego. Ein Missbrauch von Freiheit. Wir sind frei, um präsent zu sein, nicht um egozentrisch zu sein."
Dankbarkeit
"Üben Sie sich in Dankbarkeit! Warum? Weil das ein Werkzeug ist, um Präsenz zu erlangen. Denn präsent sein heißt, die Dinge zu erleben, die man ansonsten für selbstverständlich nehmen würde. Und schon sind Sie dankbar."
Job
"Jeder Job ist heute in Wahrheit eine freiwillige, aus der eigenen Überzeugung erwachsene, längerfristige Selbstverpflichtung. Richtig ein- und umgesetzt werden Menschen dann zu echten Leistungsträgern, zu Workeuphorics, statt zu Workaholics oder Burn-outlern."
Schmerz
"Manchmal ist eben Schmerz und Leid und das Ringen und Winden genau das, was wir benötigen, um hinterher zu unserer ganzen Größe aufzusteigen."
Optimismus
"Der Optimismus bewahrt die Optimisten vor unnötigen Selbstzweifeln, aber manchmal eben auch vor den nötigen Selbstzweifeln."
Kontrolle
"Wir können nicht immer kontrollieren, was uns passiert, aber wir können unsere Einstellung zu dem, was passiert, kontrollieren."
Zweifel
"Wir zweifeln unweigerlich: an unseren Fähigkeiten, daran, ob es richtig ist, was wir getan haben, ob wir gut genug sind, ob wir das richtige Alter haben, ob wir am richtigen Ort sind, ob nicht alles falsch ist, was wir gesagt und getan haben."
Schuldzuweisung
"Wer anderen Schuld gibt, gibt anderen die Macht. Schuldzuweisung ist Machtzuweisung. Klagen ist Ermächtigen. Jammern ist Opfer-sein."
Überblick
"Wer darauf besteht, wirklich alle Faktoren zu überblicken, bevor er sich entscheidet, der wird sich nie entscheiden. Denn vollständige Informationen bekommen wir in dieser Welt niemals."
Entscheidungen
"Jede Entscheidung verlangt einen Preis von uns am Kassenhäuschen des Lebens. Aber jede Entscheidung nötigt uns auch Respekt vor uns selbst ab. Gerade weil wir den Preis bezahlen! Das macht uns zu Recht stolz."
Lob
"Wenn wir Lob annehmen, dann bauen wir das Bild von uns selbst auf der Aussage auf, wie andere uns sehen. Damit bekommen wir kein Selbstwertgefühl, sondern ein Fremdwertgefühl."
Begrenzungen
"Die Umstände, auf die wir erklärtermaßen Rücksicht nehmen, errichten wir uns oft genug selbst, wir reden uns ein, wir rationalisieren und errichten uns unsere Begrenzungsmauern, damit wir etwas haben, an dem wir uns im Dunkeln des Lebens entlangtasten können."

Interessant ist zudem, wann das Neid-Gefühl in uns eigentlich aufkommt: Wissenschaftliche Studien belegen, dass es mit steigendem Alter zunimmt. Je mehr die Menschen um einen herum besitzen, desto höher ist der Neidfaktor - völlig unabhängig davon, ob der Mensch mit seinen eigenen Besitztümern per se zufrieden ist oder nicht. In jungen Jahren ist es ein positiver Ansporn, wenn andere mehr haben. Je älter wir werden, umso stärker erinnert es an unsere verpassten Chancen. Was wir bereuen sind weniger unsere Taten als das, was wir nicht gemacht haben.

Entscheidungen nicht hinauszögern

Mut ist der Anfang von allem. Von dem braucht es reichlich, um sich nicht unterzuordnen. 70 Prozent der Deutschen sagen in Umfragen, dass sie ihr Leben ändern müssten, um ihre Ziele zu erreichen. Doch den allermeisten fehlt dafür das Selbstvertrauen - und manchmal auch ein klares Wertekonstrukt. Man muss eben Deals eingehen und die Ressource in die Waagschale werfen, über die wir am ehesten frei verfügen können: Zeit.

Es ist immer ein Tausch: Zeit gegen Vergnügen, Zeit gegen Status, Zeit gegen Wissen. Geld ist dagegen nur ein Zwischenspeicher. Nützlich, aber weit weniger bedeutungsvoll. Doch gerade uns Deutsche steht die Ungeduld immer wieder im Weg. Wir "säen zu wenig und ernten zu früh", schreibt Scherer.

Zudem definiert der Autor Erfolg anders als vielleicht so mancher Leser. Für ihn ist Erfolg kein Ziel, sondern "etwas, das sich einstellt, wenn das Ziel erreicht ist". Hängen bleibt auch sein Grundsatz, dass man den Preis für Erfolg stets im Voraus entrichten muss. Hier wird Scherer auch sehr konkret mit Hinweisen aus seinem Unternehmer-Alltag.

Ob Hermann Scherer wirklich viel liest oder das Zitatelexikon wälzt, spielt keine große Rolle. Er verzichtet auf die oft benutzten, aber schrecklich wirkenden Zitate von berühmten Denkern zum Anfang der Kapitel, aber dafür grätscht er im Fließtext die halbe Geschichte ab, um sich Ideen zu leihen. Dies geschieht aber mit so viel Gefühl, dass es passt.

Wenn Scherer neben Goethe, Nietzsche, Descartes und vielen anderen auch Buddha mit den Worten zitiert "Aller Kummer der Menschen kommt daher, dass man sich der Wirklichkeit nicht genau so stellt, wie sie ist", dann kommt das im jeweiligen Zusammenhang gut herüber. Auch weil der Autor den klassischen Buddhisten-Ratschlag mitnimmt, das Verhalten der Menschen in unserer Umgebung nicht permanent zu bewerten. Eine "riegengroße Befreiung" wäre dies.

Scherer warnt davor, Entscheidungen zu lange heraus zu zögern. Denn die würden in der Regel erst dann getroffen, "wenn der Leidensdruck groß genug ist". Es sei eben der falsche Weg darauf zu warten, bis man alle Faktoren überblickt: "Wir wollen mehr wissen als zum Handeln nötig ist."

Studien belegen, dass für viele Menschen ausgerechnet der Sonntag der schwierigste Tag der Woche ist. Die Erklärung lautet: Es ist eben der Tag, der keine Struktur hat. Der moderne Mensch neigt ungemein dazu, sich solche Strukturen zu errichten: "Wir haben tausende Angewohnheiten, die uns unfrei machen."

Selbstzweifel seien nie ganz zu verhindern, schreibt Scherer. Aber Angst vor der Angst zu haben sei genau der falsche Weg: "Wir können nicht immer kontrollieren, was uns passiert, aber wir können unsere Einstellung zu dem, was passiert, kontrollieren." Die wahre Freiheit sei, "sich sicher zu fühlen, ohne sicher zu sein". Man müsse die geerbte Opferhaltung überwinden; den Adam wegwerfen - und mit der Zeit zu James Bond werden.

Die besten Zitate von Hermann Scherer

Wofür es sich zu leben lohnt
All die Ansprüche ans Leben aufrechtzuerhalten, die nicht erfüllt werden können, für deren Erfüllung wir nicht bereit sind, den Preis zu bezahlen, diese permanente Anstrengung nimmt uns täglich die Kraft, die wenigen klaren Ziele zu verfolgen, für die es sich lohnt, zu leben und zu sterben.
Über Perfektionismus
Perfektionen sind perfekt – im Verhindern von Ergebnissen. Keine andere Grundeinstellung als das ultimative Streben nach Perfektion ist besser geeignet, die Welt auf ihrem Status quo einzufrieren.
Über die Liebe
Die Verliebtheitsphase unterscheidet sich von einer langjährigen Beziehung oder gar einer Ehe so stark wie eine Wolke von einem Meer.
Über den Konsum
Wir kaufen damit Dinge, die wir nicht brauchen, um Leute zu beeindrucken, die wir nicht mögen, mit Geld, das wir nicht haben.
Über das Nachdenken
Langes Nachdenken führt nicht zu besseren Ergebnissen, sondern zu nur späteren Ergebnissen. Aber in diesen dummen Momenten verliere ich die Sicherheit.
Über das Glück
Glück ist ein Maßanzug. Die meisten sterben aber in abgetragenen Anzügen von der Stange oder aus dem Second-Hand-Laden.
Studenten des Misserfolges
Wir sind zu Studenten des Misserfolges geworden. Wir studieren, warum etwas nicht geht, sehen die Möglichkeiten nie ohne unsere Meinung darüber – und die ist meistens nicht positiv.
Ich sterbe unzufrieden
Ich weiß schon heute, dass ich unzufrieden sterben werde, denn ich war Zeit meines Lebens immer unzufrieden. Ja, die Unzufriedenheit hält mich am Leben, denn so gibt es immer etwas zu verbessern, immer etwas zu tun.
Hart zu sich selbst sein
"Der hat so viel Glück, das es weh tut." Kaum einer, der diesen Spruch zitiert, ahnt, wie sehr er Recht hat. Für das Glück sind schmerzhafte Schritte nötig. Glück hat nur, wer sich von all dem lähmenden Ballast um ihm herum und in ihm selbst trennt.
Gute Chefs schaffen Probleme
Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass die besten Mitarbeiter diejenigen werden. Denen am Anfang viele Steine in den Weg gelegt wurden. Die besten Chefs bereiten ihren Mitarbeitern Probleme.
Glücklich oder zufrieden?
Jedenfalls ist der allgemeine Hang dazu, Glück und Zufriedenheit gleichzusetzen, ein grandioser Irrtum. Wir haben uns nämlich mehrheitlich für das zufriedene Unglück entschieden.
Es gibt keine Sicherheit
Jede Sicherheit ist Illusion. Da braucht man Katastrophen als Beweis anführen. Belohnt wird letztlich immer der, der Sicherheit aufgibt.
Ein Leben zweiter Klasse?
Ich ertrage es nicht, ein Leben zweiter oder dritter Klasse zu führen, ein Abklatsch eines tollen Lebens. Das ist meine Taktik. Und Sie können sich vorstellen, dass ich diesem Anspruch leider nur zu selten genüge.
Die richtigen Entscheidungen
Nachdenken kommt immer zu spät, nämlich dann, wenn wir unsere Entscheidung schon gefällt haben.
Das eigene Talent
Ich habe mich nie auf meine Talente verlassen. Das Risiko war mir zu groß.
Chancen entdecken
Jede Chance ist nur eine Betrachtungsweise des Alltags. Wir halten sie für selten, weil Menschen mit der Fähigkeit zur ganz speziellen Betrachtungsweise so selten sind. Chancen sind keine Visionen.
Böse Gedanken
Eine Sache, die ich mir selbst fast nicht verzeihen kann, ist, wie dumm ich manchmal bin. Dann habe ich Sorgen und verschwende meine Kreativität, um mir die schlimmsten Szenarien auszumalen.
Anruf vom Headhunter
Die größten Chancenfresser sind die Chancen selbst. Der Anruf eines Headhunters ist meistens auch nur ein Sonderangebot des Lebens. Das schmeichelt der Seele. In Wahrheit fangen Sie aber wieder und wieder nur von vorn an und scheuen sich, die Probleme zu lösen.
Klare Worte
Sätze wie in Stein gemeißelt – für solche ist Hermann Scherer bekannt und deshalb nicht zuletzt als Referent so beliebt. Auch in "Glückskinder" hat er so manches knackige Zitate gepackt, das man sich leicht merken kann und in aller Kürze beschreibt, worauf es im (Geschäfts-) Leben seiner Meinung nach ankommt.

Bibliografie:
Hermann Scherer
Schatzfinder. Warum manche das Leben ihrer Träume suchen – und es andere längst leben
Campus Verlag, Frankfurt am Main

(Quelle: Handelsblatt)