Heimischer Fachkräftemangel zwingt zum Schritt auf den globalen Arbeitsmarkt

Deutsche Firmen brauchen beim Offshoring Nachhilfe

15.01.2007 von Christiane Pütter
Offshoring geht in die nächste Runde: Stand bisher der Wunsch nach Kostensenkungen im Vordergrund, sehen nun immer mehr deutsche Unternehmen einen Ausweg aus dem Fachkräftemangel darin. Allerdings verhalten sie sich dabei noch deutlich zögerlicher als beispielsweise ihre amerikanischen Kollegen. Das behauptet zumindest der Berater Booz Allen Hamilton in einer Studie.

Die Analysten proklamieren gar einen "Paradigmenwechsel" beim globalen Offshoring. Dabei geht es nicht nur um die neue Sicht auf den globalen Arbeitsmarkt, sondern auch um die Aufgaben, die an Dienstleister jenseits der Landesgrenzen gehen. Denn während mehrere Jahre lang vor allem einfache Prozesse in Niedriglohnländer ausgelagert wurden, werden jetzt zunehmend strategisch wichtige Punkte wie Produktdesign, Wettbewerbsanalyse oder Liquiditäts-Management ins Ausland gegeben.

Allerdings scheinen sich - noch? - nicht alle Unternehmen damit wohlzufühlen, denn die Autoren der Studie berichten auch von der wachsenden Sorge, die Kontrolle über die outgesourcten Bereiche zu verlieren.

Nach den Zahlen von Booz Allen Hamilton sind bereits knapp zwei von drei deutschen Firmen in Sachen Offshoring aktiv geworden. 52 Prozent von ihnen geben an, auf diese Weise qualifiziertes Personal finden zu wollen. Unter den US-amerikanischen Unternehmen nennen 69 Prozent diesen Grund. Die Analysten erwarten aber, dass die Deutschen vor allem wegen des Mangels an Ingenieuren und Naturwissenschaftlern in den kommenden Jahren nachziehen werden.

Amerikaner mögen's indisch

Ein weiterer Unterschied zeigt sich, wenn man die Länder betrachtet, in die diesseits und jenseits des Atlantik ausgelagert wird. Knapp die Hälfte (45 Prozent) der Aufträge aus deutscher Hand bleiben in West- und Osteuropa, 19 Prozent gehen nach Indien. Amerikaner dagegen geben 41 Prozent ihrer Arbeiten nach Indien und nur 14 Prozent nach West- und Osteuropa.

Stichwort Indien: Wie ein genauer Blick auf die Segmente zeigt, ist der Subkontinent nach wie vor bei der IT besonders stark. 49 Prozent der Aufträge aller Studienteilnehmer landen dort. Auch in den Bereichen Back Office (45 Prozent) und Produktentwicklung (41 Prozent) nehmen indische Dienstleister eine herausragende Stellung ein.

Osteuropa dagegen kommt in der Gesamtbetrachtung auf neun Prozent (IT), sieben Prozent (Back Office) und acht Prozent (Produktentwicklung).

Dem unterschiedlichen Verhalten von Deutschen und US-Amerikanern wollten die Analysten auf den Grund gehen. Fazit: Deutsche Unternehmen halten den kulturellen Unterschied für einen massiven Unsicherheitsfaktor. Das bezieht sich nicht nur auf sprachliche Probleme, sondern auch auf die verschiedenen Wertesysteme.

Vorteil EU-Mitgliedschaft

Sie nutzen daher den EU-Beitritt von Polen oder Rumänien, manche Firmen arbeiten auch mit Dienstleistern aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion zusammen. Es scheint sich zu lohnen: Nach Angaben der deutschen Befragten wurden die erwarteten Leistungen bei 40 Prozent der ausländischen Implementierungen innerhalb der ersten fünf Monate erzielt. Zum Vergleich: Die Amerikaner melden eine Erfolgsquote von nur 30 Prozent.

Dennoch geben die Analysten zu Bedenken, dass die deutschen Unternehmen auf Einsparungen verzichten. Sie verringern ihre Inlandskosten nur um 24 Prozent durch Offshoring - die Amerikaner erreichen eine Sparquote von 38 Prozent. Dazu Stefan Stroh, Geschäftsführer von Booz Allen Hamilton: "Deutsche Unternehmen verschenken hier Potenzial."

Trotz aller diskutierten Vorteile gibt ein knappes Viertel (23 Prozent) aller befragten Unternehmen an, kein Interesse an Offshoring zu haben.

Booz Allen Hamilton hat für die Studie "The globalization of white-collar work" weltweit mit 530 Unternehmen gesprochen, darunter mit 70 deutschen. An der Analyse hat das Duke Center for international business education and research mitgearbeitet.