Kundenakquise

Die 3 größten Hürden für IT-Töchter

23.09.2010 von Werner Kurzlechner
Viele IT-Töchter müssen mehr externe Kunden gewinnen. Ein typischer Fehler beim Anwerben: Sie machen sinnlose Angebote. Und es gibt zwei weitere Stolpersteine.
Professor Robert Pelzel rät, Verkäufer in die Erstellung von Angeboten einzubinden. Das mildere die Reibungen zwischen Außendienst und Sales Support.

Sonne und Helligkeit mittags im Hotelzimmer sind ein schöner Luxus im Urlaub. Das Schöne daran: Einfach eine Unterkunft auf der Südseite verlangen, und der Wunsch ist Wirklichkeit. Diese Gewohnheit in heimischen Gefilden verleitet manchen Europäer dazu, auch in Sydney, Kapstadt oder Buenos Aires nach einem Südzimmer zu fragen. „Ungünstig ist nur die Tatsache, dass auf der Südhalbkugel mittags die Sonne im Norden steht“, sagt Professor Robert Pelzel, Leiter des Instituts für Strategisches Management (ISM) des Netzwerks BayTech in Ingolstadt. Es ist eben nicht so einfach, sich auf neuem Terrain zurechtzufinden – vor allem dann, wenn einem automatisch abgespulte Gewohnheiten einen Streich spielen. Wie den Urlaubern in der südlichen Hemisphäre geht es laut Pelzel auch Unternehmen, die sich neue Kunden erschließen wollen.

Der Vertriebs- und Account Management-Forscher hat dabei vor allem eine spezielle Gruppe von IT-Outsourcern im Blick. Sie bilden laut Pelzel das Gros einer Gruppe von Unternehmen, die durch die ökonomischen Entwicklungen in jüngster Zeit plötzlich zur Akquirierung neuer Kunden gezwungen ist. Es geht dabei um Firmen, die von ihren Gesellschaftern oder Müttern ursprünglich nur deshalb gegründet wurden, um sie exklusiv mit Dienstleistungen zu beliefern. Etwa 15 Prozent der deutschen Unternehmen hätten solche spezialisierten Dienstleister ins Leben gerufen, so Pelzel. Nun stehen diese Firmen vor einer „gewaltigen Herausforderung“, denn sie sollen nach und nach den Umsatz mit Neukunden auf bis zu 50 Prozent des bisherigen Gesamtumsatzes ausbauen, berichtet der Wissenschaftler von der Fachhochschule Ingolstadt.

Die Dienstleister verfügen in der Regel über eigene Account Management-Abteilungen und Key Account Manager, die die Bestandskunden betreuen. Kenntnisse im Angebotsmanagement sind meist ebenfalls vorhanden, auch wenn laut Pelzel die Bestandskunden meist Eigentümer ihrer Lieferanten und deshalb bislang keine formalen Angebote vonnöten waren. Die größten Hürden macht der Wissenschaftler in drei Bereichen aus: im Produktportfolio, in der Steuerung des Bid-Prozesses und in der mentalen Ausrichtung der Vertriebsmannschaft.

1. Gestaltung und Bepreisung des Produktportfolios: „In vielen Rechenzentren wurden von den Outsourcing-Dienstleistern Spezialprodukte mit der Losgröße 1 für eine begrenzte Applikationsart und nur für einen Kunden entwickelt und geliefert“, berichtet Pelzel. „Ein meist aussichtloses Unterfangen, diese Produkte auch auf dem Drittmarkt platzieren zu wollen.“ Als Ausweg schlägt der Forscher vor, eine unabhängige Produktmanagement-Abteilung aufzubauen. Diese könne für jedes Spezialprojekt prüfen, ob eine Nachfrage im Zielmarkt bestehe oder nicht.

Eine denkbare Alternative wäre die Eroberung des Drittkundenmarktes mittels eines externen Produktmanagement-Verfahrens. Erfolgreiche Unternehmen verzichten darauf allerdings, so Pelzel. Die Vertriebskosten uferten schnell aus, weil der Presales-Aufwand hoch und eine erfahrene Vertriebsmannschaft unerlässlich seien. „Außerdem lassen sich mit diesem Geschäftsmodell nur sehr langsam Marktanteile gewinnen“, urteilt der Wissenschaftler.

Anfängerfehler sinnlose Angebote

2. Generierung von Leads und Steuerung des Bid-Prozesses: Auch die Phase der Angebotsausschreibung gestaltet sich häufig problematisch. „Es ist ein Anfängerfehler, jedem Lead nachzugehen und auf Biegen und Brechen ein Angebot zu schreiben“, beobachtet Pelzel. Ohne professionelle Antizipation der Auftragswahrscheinlichkeit und fundierte Berechnung der Hitrate steigen die Presales-Kosten aber schnell enorm an.

Als Hilfsmittel empfiehlt Pelzel, den gewichteten Auftragseingang zu berechnen. Die berechnete Angebotssumme wird dabei mit der Auftragswahrscheinlichkeit multipliziert – etwa mit 40 Prozent bei Abgabe eines Angebots oder mit 80 Prozent bei der Aufnahme von Verhandlungen. „Mit Hilfe dieser Berechnung kann man die Sales-Pipeline bewerten und für gute Prognosen einsetzen“, so der auch als Unternehmensberater tätige Professor Pelzel. Ebenfalls sehr aussagekräftig sei die Hitrate: der Quotient zwischen der Zahl der erhaltenen Aufträge und jener der abgegebenen Angebote. Lautet das Ergebnis 25 Prozent, heißt das, jedes vierte Angebot führt zu einem Auftrag.

3. Mentale Ausrichtung der Vertriebsmannschaft und des Sales Support: Fehlerbehaftet ist bei den unerfahrenen Outsourcing-Firmen nach Einschätzung Pelzel auch das Vorgehen der Verkäufer. „Typische Fehlerbilder aus der Praxis sind hier Methodenfehler bei der Erstansprache und Kontaktaufnahme“, urteilt der Professor aus Ingolstadt. „Aber auch die Verarbeitung von Niederlagen will gelernt sein und geübt werden.“ Optimieren lässt sich der schwierige Umgang mit potenziellen Kunden durch Erfassung der Kundenzufriedenheit via Fragebogen sowie durch spezielle Assessment Center, in denen die Verkäufer mit Hilfe von Videoaufzeichnungen und Analyse geschult werden.

Ebenfalls an der Tagesordnung sind Reibungen zwischen den Verkäufern im Außendienst und dem für Angebotserstellung und Preisermittlung zuständigen Sales Support im Innendienst. „Meist bringen hier Teamtrainings und neue Aufgabenzuteilung schnell ein Erleichterung“, so Pelzel. Er empfiehlt, die Verkäufer in Angebotserstellung und Kalkulation miteinzubeziehen. Das führe zu einer genaueren Abwägung, ob eine Aktion sinnvoll ist. Stärker gefragt als bisher ist Menschenkenntnis. Im Bestandskundengeschäft kenne man die schwierigen Kantonisten. „Aber Vorsicht: Es gibt sie auch bei den Neukunden“, warnt Pelzel.

Eine Studie des ISM in diesem Jahr liefere zahlreiche Belege zur Stützung seiner Thesen über diese drei Problembereiche, so Pelzel. Befragt wurden mehr als 50 IT-Verantwortliche von Privatbanken und zusätzlich weitere Großunternehmen.

Unternehmen sollten auf Coaching setzen

„Reisen bildet, Training auch“, meint der Wissenschaftler. An Vertriebstrainings und Coachings sollte man bei der Eroberung des Drittkundenmarktes seiner Ansicht nach nicht sparen.