2 neue Studien zum Web-Verhalten

Die 6 Online-Nutzertypen

14.12.2011 von Johannes Klostermeier
In zwei Studien untersuchen D21 und der Münchener Kreis die Entwicklung der Internetnutzung in Deutschland und der Welt und geben einen Ausblick in die Zukunft.

In der bereits dritten Neuauflage der Studie „Die digitale Gesellschaft in Deutschland – sechs Nutzertypen im Vergleich" lässt die Initiative D21 den Status der deutschen Gesellschaft auf dem Weg in die digitale Welt untersuchen. Dafür hat TNS Infratest 1.000 Telefoninterviews durchgeführt.

Ergebnis: Die Entwicklung der digitalen Gesellschaft in Deutschland stagniert. Vor dem Hintergrund der Diskussionen um Datenschutz, Identitätsdiebstahl und Internetbetrug wahren die Deutschen ein distanziertes Verhältnis zu den digitalen Medien. Das Vertrauen in und der souveräne Umgang mit ihnen sind kaum gestiegen: Nach wie vor können laut Studie erst 38 Prozent der deutschen Bevölkerung als „Digital Souveräne" bezeichnet werden – das ist nur eine Steigerung um einen Prozentpunkt im Vergleich zum Vorjahr.

Auch gab es kaum Bewegung zwischen den sechs identifizierten Nutzergruppen. Nur der Anteil der „Digitalen Außenseiter" fiel um zwei Prozentpunkte auf 26 Prozent, während die Gruppe der „Trendnutzer" um einen Prozentpunkt auf 21 Prozent anstieg. Bei allen weiteren Gruppen („Gelegenheitsnutzer" 28 Prozent, „Berufsnutzer" sieben Prozent, „Digitale Profis" zwölf Prozent und „Digitale Avantgarde" fünf Prozent) konnten die Studienautoren keine Veränderungen messen. Somit ist noch immer der Großteil der deutschen Bevölkerung nicht Teil der digitalen Gesellschaft. Wenn man die Gruppen der „Digitalen Außenseiter", der „Gelegenheitsnutzer" und der „Berufsnutzer" zusammenfasst, gelten 62 Prozent der Gesellschaft als „Digital wenig Erreichte".

Demgegenüber stehen 38 Prozent der deutschen Bevölkerung, die laut Autoren in der digitalen Alltagswelt angekommen sind, sie sind die sogenannten „Digital Souveränen" („Trendnutzer", „Digitale Profis" und „Digitale Avantgarde").

„Sehr positiv ist, dass in den letzten Jahren der Anteil der Onliner an der Bevölkerung von zwei Drittel auf drei Viertel gestiegen ist. Gleichwohl bleibt es wichtig, dass wir allen Mitgliedern unserer Gesellschaft die Vorteile des digitalen Zeitalters noch deutlicher als bisher nahe bringen", sagte Hans-Joachim Otto, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeswirtschaftsministerium.

Doch es gibt auch andere Erkenntnisse: Die mobile Internetnutzung ist demnach weiter auf dem Vormarsch. Während diese im Vorjahr hauptsächlich bei der „Digitalen Avantgarde" eine Rolle spielte, ist dies jetzt auch bei den „Digitalen Außenseitern" (2011: drei Prozent mobile Internetnutzung, 2010: null Prozent) der Fall.

Nicht den ganzen Tag vor dem Bildschirm

Erstmals wurde auch das Freizeitverhalten in der Studie abgefragt und zwischen den Digital Souveränen und den "Digital wenig Erreichten" verglichen. Das Ergebnis zeigt, dass die Freizeitaktivitäten beider Gruppen sich teilweise deutlich unterscheiden: „Digital Souveräne" seien demnach weit davon entfernt ihre Freizeit nur vor einem Bildschirm zu verbringen. Sie surfen in ihrer Freizeit zwar wie erwartet weitaus häufiger im Internet, sind aber gleichzeitig sportlich aktiver, gehen häufiger aus und spielen häufiger ein Musikinstrument. „Digital wenig Erreichte" widmen ihre Zeit etwas mehr dem Fernsehen, Lesen oder Spazierengehen. Mehr Details zu den einzelnen Nutzergruppen finden sich unter www.digitale-gesellschaft.info

Der Münchner Kreis hat ebenfalls eine Studie in Auftrag gegeben und zum IT-Gipfel in München veröffentlicht. Die "Zukunftsstudie 2011" stellt die Menschen als Nutzer von Technologie in den Mittelpunkt einer internationalen Befragung. Im Ergebnis zeigt sich: Für viele der zukünftigen Anwendungen sind hohe Akzeptanz und Zahlungsbereitschaft vorhanden. Allerdings haben die Menschen weltweit große Befürchtungen im Hinblick auf den sicheren Umgang mit ihren persönlichen Daten.

Die Sorge um den Datenschutz im Internet hemmt die Bürger im Umgang mit dem Netz, muss Professor Arnold Picot feststellen.

Mitte des Jahres wurden für die Studie 7.231 Personen in Deutschland, Schweden, USA, Brasilien, China und Südkorea nach ihren Einschätzungen des zukünftigen digitalen Lebens gefragt. In der vierten Phase der Zukunftsstudie sollte es um „den Menschen als Nutzer von Technologie" gehen. „Aus den Einstellungen und Vorlieben, aber auch aus Vorbehalten und Befürchtungen zu wesentlichen Aspekten der digitalen Zukunft ergeben sich Anhaltspunkte für langfristige Chancen sowie für die Einsatz- und Entwicklungsperspektiven zukünftiger Technologien in den verschiedenen Regionen der Welt", sagte Vorstand Professor Arnold Picot.

Dazu wurden in der Studie 16 Zukunftsbilder des zukünftigen digitalen Lebens untersucht. Visuell aufbereitet und auf sieben Lebenssituationen bezogen, sollen sie Aussagen über die Bedeutung individueller Erfahrungen, Einstellungen und kultureller Prägungen für die Akzeptanz und Nutzung neuer Anwendungen ermöglichen.

Das Beispiel „Das digitale Schulbuch" zeigt: Innovative Lern- und Unterrichtsformen stoßen weltweit auf eine hohe Akzeptanz und Zahlungsbereitschaft. 61 Prozent der Deutschen würden ihr Kind das digitale Schulbuch ausprobieren lassen. Dennoch liegt Deutschland damit auf dem letzten Platz der Vergleichsländer.

Deutsche mögen für digitales Schulbuch nicht zahlen

Ähnlich bei der Zahlungsbereitschaft: So würden beispielsweise 45 Prozent der Befragten in China für das digitale Schulbuch zahlen, in Deutschland sind es lediglich 28 Prozent. Das Zukunftsbild des digitalen Schulbuchs soll für die wachsende Bedeutung und die Potentiale neuartiger Lernformen, wie ein vernetztes, ortsunabhängiges Lernen mit fächerübergreifender Verknüpfung stehen

Zukunftsszenarien "Digitales Schulbuch" und "Lebenslanger Datentresor".
Foto: Phototom - Fotolia.com

Im Unterschied zu Deutschland besteht vor allem in China und Brasilien eine deutlich positivere Einstellung zu derart neuen Unterrichtsformen. Gegen den Einsatz sprechen laut den Befragten in Deutschland die entstehende Technikabhängigkeit, die Kosten und die Angst vor Datenmissbrauch.

Das Zukunftsbild „Der lebenslange Datentresor" belegt laut der Meinung der Autoren: Für die Nutzer ist die lebenslange Verfügbarkeit persönlicher digitaler Daten von hoher Bedeutung. Ein lebenslanger Datentresor, der die zuverlässige und sichere Speicherung digitaler Inhalte mit einer ortsunabhängigen und langfristigen Auffindbarkeit und Lesbarkeit verbindet, stößt vor allem in China, Brasilien und Korea auf große Resonanz. Während 90 Prozent der Befragten in China den Datentresor nutzen möchten, sind dazu in Deutschland 57 Prozent bereit. Aber nur jedem dritten Deutschen gefällt es, dass der Datentresor den lebenslangen Zugriff auf persönliche Daten ermöglicht.

Was passiert mit den Daten nach dem Tod?

Der Schutz der persönlichen Daten ist für die Bürger entscheidend.
Foto: Fotolia, m. schuckardt

Die Aufgeschlossenheit für dieses Zukunftsbild ist auch in diesem Punkt in den USA und Deutschland deutlich geringer als in den Vergleichsländern. In Brasilien und Südkorea hält jeweils jeder Zweite (48 Prozent) den Datentresor für relevant – in Deutschland nur jeder Vierte (26 Prozent). So zeigt das Beispiel „lebenslanger Datentresor" den auch in anderen Zukunftsbildern genannten Punkt, nämlich Angst vor Datenmissbrauch, als wichtigste Barriere. Auch die bislang noch ungeklärte Frage, was mit den Daten nach dem Ableben passiert, stellt ein Problem dar.

Erfolgskritischer Akzeptanzfaktor ist laut Studie der Schutz der persönlichen Daten. Weltweit bestehen bei den Nutzern große Befürchtungen im Hinblick auf den sicheren Umgang damit. So geben 40 Prozent der in Deutschland Befragten an, dass sie sich bemühen, so wenig persönliche Daten wie möglich im Internet preiszugeben. Ähnlich hohe Werte erreichen Brasilien (39 Prozent) und Korea (40 Prozent). Die USA sind in dieser Hinsicht sogar Spitzenreiter (45 Prozent). Befürchtet werden vor allem die unbefugte Datenspeicherung und krimineller Datenmissbrauch.

Alle Ergebnisse der Studie stehen zum Download bereit.

Dieser Artikel basiert auf einem beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.