Marathon, Golfen und Segeln sind in den Topetagen nicht mehr in

Die Generation Fit macht Karriere

19.01.2009 von Eva Müller
Wellness statt Weltrekord und Wichtigtuerei. Beim Sport wollen sich Manager erholen, Ausgleich zum endlosen Herumsitzen in Büros, Meetings und Flugzeugen finden. Das Ziel: auftanken und gesund bleiben. Höchstleistungen und Prestigepflege spielen dabei kaum noch eine Rolle.

Paff, paff, paff - linke Gerade, rechte Gerade, linke Gerade, dann Haken links, rechts, abtauchen und geduckt noch mal die gleiche Schlagsequenz. Das Parkett quietscht, der Atem pfeift, Schweiß fließt. 90 Minuten lang gibt Ari Bizimis (39) im Boxtraining alles - erst am Sandsack, dann gegen den Pratze genannten Übungshandschuh und zum Schluss im Ring mit seinem Sparringspartner.

Allerdings strebt der griechischstämmige Frankfurter keine späte Klitschko-Karriere an. Ganz oben steht er schon: Der Betriebswirt führt im Vorstand das Unternehmen CFI Fairpay, das Lebensversicherungen aufkauft und an institutionelle Anleger vermarktet.

Dennoch tauscht der Topmanager mindestens zweimal die Woche in der Mittagspause Nadel- gegen Adidas-Streifen und übt im "Executive Boxing Club" gleich neben den Türmen der Bankenmetropole die Choreografien seines Kampfsports. Danach glühen seine Muskeln, doch zurück am Schreibtisch fühlt sich der Firmenchef "geistig total erholt, hoch konzentriert und voller Energie".

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Mehr noch: In den zwei Jahren, die er nun im Ring tänzelt und Säcke malträtiert, hat Bizimis zehn Kilo abgenommen und einen beeindruckenden Oberkörper gewonnen. Die lästigen Rückenschmerzen seien verschwunden, sagt der Familienvater. Und Probleme gehe er seither direkt, aber ganz gelassen an: "Ich weiß schließlich genau, was ich tun muss, um nichts abzubekommen."

Führungskräfte: Großteil treibt regelmäßig Sport

Wie der Finanzmann spüren immer mehr Führungskräfte die segensreiche Wirkung regelmäßiger sportlicher Betätigung. Ob auf dem Rad, im Fitnessstudio oder auf dem Wakeboard - Deutschlands Wirtschaftselite bewegt sich. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage unter 1000 repräsentativ ausgewählten Managern, die die Personalberatung Heidrick & Struggles exklusiv für manager magazin erstellte.

Darin geben 91 Prozent der Befragten an, regelmäßig Sport zu treiben. Zwar scheinen in dieser erstaunlichen Zahl auch die Tennisstunden im Urlaub und die allwinterlichen Skitage mitgezählt. Doch immerhin zwei Drittel der Aktiven trimmen sich nach eigenen Angaben zwei- bis dreimal pro Woche. Dabei gehen sie zum größten Teil unaufwendigen Disziplinen nach, die sich ohne große Vorbereitung überall auf der Welt ausüben lassen. Meist joggen sie, trainieren auf Laufband und Stepper - im Studio oder auch gern im heimischen Fitnessraum.

Höchstleistungen und gar Prestigepflege spielen - anders als noch vor wenigen Jahren - kaum noch eine Rolle. Marathon und Ironman, Golfen oder Segeln scheinen auf den Topetagen nicht mehr in. Nur ein Fünftel misst sich im Wettbewerb. Der Anteil der Golfer liegt gerade mal bei 8 Prozent, der der Segler gar nur bei einem Prozent.

Wellness statt Weltrekord und Wichtigtuerei. Beim Sport wollen sich Topleute erholen, Ausgleich zum schier endlosen Herumsitzen in Büros, Meetings, in Autos und Flugzeugen finden. Ihr Ziel: auftanken und gesund bleiben.

"Bei den Spitzenkräften reift die Einsicht, dass ihr Körper ein wesentliches Kapital darstellt", diagnostiziert Werner Penk, Partner bei Heidrick & Struggles, neues Gesundheitsbewusstsein in der Elite. Wer heute beim Beisammensein noch mit 100-Stunden-Wochen, opulenten Geschäftsgelagen mit Alkoholexzessen und vier Stunden Schlaf strunzt, erntet statt Bewunderung nur Kopfschütteln.

Lieber tauschen die Vielbeschäftigten Tipps für die schönsten Laufrunden und die besten Fitnessräume in Berlin, Bangalore oder Peking aus. Sie ignorieren am Buffet Schnitzel und Soße, nehmen lieber Fisch und Früchte. Und zu später Stunde fragen sie hinter vorgehaltener Hand nach dem Urologen, der die Prostata am sanftesten untersucht.

Körperbewusstsein ist in auf der Beletage. Mit Body-Mass-Index und Blutdruck kennen sich Topmanager mittlerweile fast so gut aus wie mit Bilanzen und Benchmarking. Ebenso gezielt und konsequent wie ihren Businessplan gehen sie das Projekt Körper an.

Vorstandskarriere: Schlank sein ist wichtig

Andreas Gruchow (44) zum Beispiel bemerkte kurz vor seinem 40. Geburtstag, wie sehr Familiengründung, Hausbau und Aufstieg in der Deutschen Messe AG an seinem Wohlbefinden gezehrt hatten: "Ich fühlte mich nicht mehr so fit wie in der Zeit, als ich noch regelmäßig Sport trieb. Heuschnupfen und Kopfschmerzen traten stärker auf."

Der Auslandsvorstand der Messegesellschaft startete sein Sportprogramm: Dreimal pro Woche steht er seither morgens vor seiner Familie auf, schwingt sich aufs Rennrad oder schnürt die Laufschuhe, und los geht's. "Mittlerweile läuft das automatisch wie Zähneputzen - ohne jedes Nachdenken über Wetter oder Laune", erzählt der Hannoveraner. Das befriedigende Gefühl, sich etwas Gutes getan zu haben, trage ihn durch den ganzen Tag. Besser noch: "Kopfschmerzen treten kaum noch auf, und meiner Figur tat's auch gut."

Folgen des Sports für die Linie schätzen Führungskräfte ganz besonders. Schließlich gilt ein schlanker Body fast schon als Voraussetzung für eine Vorstandskarriere.

Doch gerade am Bauch zeigen sich die Folgen von Stress und unregelmäßigem Leben am schnellsten. Deshalb achten laut Heidrick & Struggles-Umfrage 88 Prozent der Manager auf ihr Gewicht. 82 Prozent erklären, sie ernährten sich bewusst gesund, bevorzugten Obst und Gemüse und verzichteten auf fette Speisen. Ein Viertel setzt sich sogar auf Diät oder fastet.

Gruchow hätte ohne Training wohl auch eine schlechtere Figur. Auf seinen unzähligen Reisen zu den Auslandsveranstaltungen der Messe AG folgen mehrgängige Abendmenüs auf üppige Buffet-Empfänge auf Mittagessen mit lokalen Spezialitäten und Frühstückstermine mit Eiern und Speck. Nie darf der Repräsentant aus Deutschland bei den Treffen mit seinen vorwiegend asiatischen und arabischen Geschäftspartnern ablehnen: "Zieren wäre unhöflich und geschäftsschädigend."

Deshalb greift der Genussmensch immer zu. Allerdings nimmt er dabei Probierportionen, nippt nur an Wein oder Bier und treibt vor allem Konversation. Frei nach dem Motto: Wer viel über das Essen spricht, muss weniger davon futtern.

Weil seine Kalorienbilanz dennoch oft zu hoch ist, bleibt Gruchow auch auf Reisen ständig in Bewegung. Kaum hat er seine 1,92 Meter aus dem Flieger gefaltet, springt er im Fitnessraum seines Hotels auf das Spinningrad oder dreht Runden im Pool.

Mens sana in corpore sano

Auf dem Laufband um 4.30 Uhr findet man auch Achim Berg (44) häufig. Egal ob frühmorgens schlaflos in Seattle oder spätabends in München, der Deutschland-Chef von Microsoft zieht sein Pensum mit eiserner Disziplin durch. "Mich sehen sie auch mal abends um 23 Uhr durch irgendein Industriegebiet rennen", erzählt der Mann, der Trikot und Schlappen immer in Büro und Kofferraum liegen hat. Mindestens dreimal die Woche joggt er wenigstens eine Stunde, am Wochenende lieber länger, denn "mit weniger als 25 Kilometern pro Woche geht es mir nicht gut".

Das Ergebnis: Ein ranker Body-Mass-Index von 23,7 (Werte zwischen 19 und 25 gelten als optimal) und "immer ein freier Kopf". Wobei Berg die wundersame Wirkung der Bewegung auf Konzentration und Kreativität fast für noch wichtiger hält als die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit. "Aus Transpiration wird Inspiration", philosophiert er und hofft, dass die Lauferei aus ihm einen besseren Chef und effizienteren Manager macht.

Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper - um diesen Erfolgsfaktor wussten schon die alten Römer. Die Erkenntnis aber, dass sich Sport vorteilhaft auf die Führungsqualität auswirkt, dringt erst jetzt in die Literatur vor.

In ihrem lehrreichen Buch "Heartfacts" etwa schildern die beiden Coachs Annette Reisinger und Conny Thalheim, wie sich ein gestresster und erfolgloser Firmenlenker nach einer Herzattacke durch die Reha verändert. Bewegung, Entspannung und Reflexion wandeln nicht nur seine Persönlichkeit, sondern bescheren auch seinem Unternehmen neuen Schwung. Weil der Chef als Vorbild gelassen und kreativ agiert, bessern sich Betriebsklima und Firmenprofil. Das mag simpel klingen. Doch die Botschaft stimmt, und die vielen Tipps zum Nachmachen sind alltagstauglich.

Bewegung hält schlank, macht gelassen, gesund und erfolgreich. Diese Argumentation haben die deutschen Manager völlig verinnerlicht. Kaum einer wagte in der Umfrage von Heidrick & Struggles ein klares Nein zum Sport. Selbst von den 9 Prozent, die laut Selbstauskunft keinen Sport treiben, würde es mehr als die Hälfte gern tun.

Wie motivieren sich Topleute?

Wie aber motivieren sich die Topleute, morgens in aller Frühe ins Trainingszeug zu springen oder nach einem anstrengenden Arbeitstag ins Fitnessstudio zu gehen? Wie besiegen sie den inneren Schweinehund, der sie - wie einer ("Nennen Sie bloß nicht meinen Namen") gesteht - abends mit Bier, Zeitung und Zigarette aufs Sofa lockt?

Regelmäßige Arztbesuche

Christian Aders (42), der zweimal die Woche im Sportstudio an Geräten rackert oder sich mit Freunden zum Joggen trifft und am Wochenende bei gutem Wind am Ammer-, Walchen- oder Gardasee surft, kennt jede Menge Tricks, die Trägheit der Masse zu überwinden.

Der Deutschland-Chef von Duff & Phelps, einem auf Unternehmensbewertungen spezialisierten Investmenthaus, überlistet sich etwa, indem er nur kleine, machbare Einheiten plant. Die Dosis erhöhe sich ohnehin von selbst, sobald er angefangen habe: "Nehme ich mir 30 Minuten auf dem Laufband vor, werden daraus fast immer 45."

Die Termine zum Laufen und Trainieren trägt sich Aders wie geschäftliche Verabredungen fest in den Kalender ein. Nur wenn es wirklich in der Firma brennt, verschiebt er das Date mit seinem Körper. Am meisten aber motiviert ihn das Wissen, "wie gut ich mich danach fühlen werde". Und natürlich, dass er ohne kontinuierliche Vorbereitung nicht Windsurfen kann.

Immer häufiger helfen die Arbeitgeber ihren Führungskräften auf die Sprünge. Die Deutsche Telekom etwa überzeugt träge Manager mit sanftem Druck davon, den offerierten Personaltrainer in Anspruch zu nehmen.

Die Sorge um ihre Gesundheit animiert die Spitzenleute aber nicht nur zu Cardio- und Muskeltraining. Anders als die meisten Männer gehen Topmanager auch regelmäßig zum Arzt. 79 Prozent nutzen ohne akuten Anlass medizinische Vorsorgeangebote, zwei Drittel kennen ihren Blutdruck.

Allgemeiner Check-up, ein Durchgang im Computertomografen plus Scan der Halsschlagader zwecks Schlaganfallprophylaxe sowie Magen-/Darmspiegelung und Prostatauntersuchung. Diese Prozedur lässt Peter Mohrmann (57) jedes Jahr über sich ergehen. Seit 16 Jahren lässt der Geschäftsführer von Ermenegildo Zegna in Deutschland, Österreich und der Schweiz keinen Doktortermin aus.

Damals rettete ihm die zufällige Entdeckung eines Melanoms das Leben. Heute beschwört der Vater zweier kleiner Kinder seine jüngeren Kollegen: "Sie müssen sich zu den manchmal unangenehmen Untersuchungen überwinden." Denn in den 40ern drückten sich zu viele Manager nonchalant mit dem Gedanken, noch jung zu sein.

Doch weit gefehlt. "Der Körper verändert sich laufend, mit jedem Jahr schwinden Muskeln und verkürzen sich Sehnen", weiß Mohrmann, der dieser Entwicklung mit einem Programm aus Kraft-, Koordinations- und Ausdauertraining entgegenwirkt. Sport allein aber wandle das aufreibende Managerleben nicht zum Gesundheitstrip, gibt er zu bedenken. Da sei mal Golf hip, dann verlange der Zeitgeist Yoga oder Marathon. "Aber wer sein Leben nicht in der Balance hält, dem nutzen diese ganzen Moden nichts", räsoniert der Stilexperte.

Sieben bis acht Stunden Schlaf

In der Ruhe liegt die Kraft. Diese Grundregel für mehr Ausgeglichenheit beziehen die meisten Manager, die Heidrick & Struggles befragte, auf die Nachtruhe. Die Mehrheit gönnt sich sieben bis acht Stunden Schlaf. Die Möchtegernnapoleons, die vier Stunden pro Nacht für ausreichend halten, bilden eine verschwindende Minderheit. "Mit so wenig Schlaf kann ich vielleicht irgendwie funktionieren", sagt Adrian von Hammerstein (55).

Zu Topleistungen aber sieht sich der Geschäftsführer von Kabel Deutschland nach solchen Mini-Nickerchen nicht in der Lage. Deshalb versucht er, so oft wie möglich auf acht Stunden seliges Schlummern zu kommen, denn nur wirklich ausgeruht mache ihm sein Job so richtig Spaß.

Nach dem Stress im Büro und auf Reisen höchst schlaffördernd wirkt bei dem "reinen Familiensportler" Bewegung. Deshalb fährt er am Abend mit dem Rad nach Hause und strampelt sich dort gern noch ein halbes Stündchen auf dem Crosstrainer ab. Danach sind alle quälenden Gedanken an verbesserungswürdige Zahlen, bockige Kunden und technische Probleme vertrieben. Die süßen Träume können kommen.

Nach all den überzeugenden Gründen, die Deutschlands Manager für Joggen, Radeln oder Boxen vorbringen, erstaunt es nicht, dass viele die Stunden im Studio oder Stadion mit zur Arbeitszeit zählen. Schließlich mühen sie sich dabei nicht zuletzt für ihr Unternehmen. Oder könnte es nicht sein, dass es manchen der so rationalen, coolen, kontrollierten Führungskräfte einfach hemmungslos Spaß macht, sich mal so richtig auszutoben, zu schwitzen, ohne Nachdenken nur den Körper zu spüren?

Wakeboarden für Manager

Sanjiv Singh (37) bekennt sich zu dieser Leidenschaft. Na klar joggt der Vorstandschef des Ingolstädter Modeunternehmens Bäumler, "so als Basis für Gesundheit und Wohlergehen". Aber sein wahrer Sport sei das Wakeboarden, eine Art Wasserski auf dem Snowboard. Ein bisschen gefährlich ist das rasante Springen über die Welle des ziehenden Bootes schon. 360-Grad-Drehungen, Vorwärts- und Rückwärtsrollen bei 30 Stundenkilometern - da haut es einen schon mal kräftig ins kühle Nass.

Ein paar blaue Flecken und die eine oder andere geprellte Rippe hat sich der Hesse schon zugezogen. Und am Abend danach schmerzen alle Muskeln, "auch die, die ich gar nicht habe". Aber genau die Gefahr und die Anstrengung machen für Singh den Reiz aus: "Beim Wakeboarden fühle ich mich total lebendig, bin ich nur bei mir selbst - und noch nicht ganz so alt."

Noch weiter steigert den Fun-Faktor die Tatsache, dass diesem neuen Wassersport hauptsächlich Jungs um die 16 frönen. Mit denen über die angesagten Boards und Bindungen zu fachsimpeln bereitet dem Textilmanager riesiges Vergnügen: "Den Kids ist völlig egal, wer und was du bist. Die bringen mich voll aus meinem Managertrott."

Spricht's und taucht mit seinem Board hinter dem hoch motorisierten Boot ab in den glitzernden Bodensee. Der Motor röhrt auf, er schießt aus der Welle. Die Muskeln gespannt, der Kopf voll konzentriert. Jetzt den Griff runterdrücken, 3-2-1 - Sprung. Das ist Freiheit - für diesen Moment.

Die beliebtesten Manager-Sportarten
Die beliebteste Sportart unter Managern ist das Joggen. 29 Prozent der Befragten schlüpfen beim Sport am häufigsten in ihre Laufschuhe.