Industrie 4.0

Die größten Hürden für Internet-of-Things-Projekte

23.01.2018 von Christiane Pütter
Zu hohe Investitionen, zu wenig qualifizierte Mitarbeiter – das blockiert das Internet of Things (IoT) in der deutschen Industrie. Wer auf Kostensenkungen abzielt, rechnet sich Einsparungen von mindestens fünf Prozent aus, zeigt eine Studie von EY und Bitkom Research.
  • 2015 haben 57 Prozent der Unternehmen digitale Abbilder in der Produktion eingesetzt, jetzt sind es nur noch 47 Prozent
  • Stärkster Nutzer von IoT-Lösungen ist Automotive, aber Konsumgüter und Elektrotechnik investieren am stärksten

Das Internet of Things (IoT), in Deutschland auch Industrie 4.0 genannt, verbreitet sich "eher schleppend", erklärt der Unternehmensberater EY (Ernst & Young) in seiner Studie "Industrie 4.0: Status Quo und Perspektiven". Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Zum einen beklagen fast sechs von zehn Entscheidern (59 Prozent) hohe Investitionskosten. Fast ebenso viele (57 Prozent) sprechen von einem Mangel an qualifizierten Mitarbeitern. Als weitere Hemmnisse gelten Sicherheitsbedenken (48 Prozent) und fehlende Standards (46 Prozent).

Als höchste Hürden auf dem Weg zum Internet of Things (oT) gelten die Investitionskosten und der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern.
Foto: EY/Bitkom Research

Die Studie von EY und Bitkom Research basiert auf Angaben von rund 560 deutschen und 100 Schweizer Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe. Demnach arbeitet noch nicht einmal jede zweite Firma (45 Prozent) mit IoT-Lösungen. Gegenüber 2016 entspricht das einem Plus von vier Prozentpunkten. Weitere 43 Prozent planen oder diskutieren den Einsatz.

Dabei schreiben acht von zehn Befragten (80 Prozent) dem Thema eine hohe oder sehr hohe strategische Bedeutung zu, die in den kommenden Jahren noch wachsen wird. Lediglich einer von zwanzig (fünf Prozent) erklärt, das IoT habe für sein Unternehmen überhaupt keine Bedeutung.

Was ist was im Internet der Dinge?
Das ABC des Internets der Dinge
Das "Next big thing" der letzten Jahre schlechthin ist nicht nur selbst eines der derzeit am häufigsten strapazierten Buzzwords. Rund um das Internet der Dinge tummeln sich Begriffe, die oft genauso wenig oder kaum verstanden werden wie der Oberbegriff. Zeit also dass wir mit Mythen, Buzzwords und Wissenslücken rund um IoT aufräumen.
API
"Ohne API Management wäre das Internet der Dinge nur ein großes Ding", <a href="http://www.wired.com/2013/07/without-api-management-the-internet-of-things-is-just-a-big-thing/" target="_blank">hieß es mal bei Wired</a> und es stimmt. API (Application Programming Interfaces) sind eine extrem wichtige Zutat des Internets der Dinge: Sie machen den Datenaustausch zwischen Apps und Geräten möglich. Mit offenen APIs kann die smarte Wetterstation eines Herstellers seine Daten an die smarte Markise eines anderen Herstellers weitergeben und bei starkem Wind Markisen einfahren und Rolladen schließen. Mulesoft hat die 10 wichtigsten APIs im IoT in einer Infografik illustriert, darunter zum Beispiel Fitbit API oder das <a href="https://www.mulesoft.com/infographics/api/internet-things#sthash.9hXXH871.dpuf" target="_blank">Nest Learning Thermostat API</a>.
BLE (Bluetooth Low Energie / Bluetooth 4.0)
Bluetooth Low Energy (kurz BLE oder Bluetooth 4.0) ist eine spezielle Version des bekannten Drahtlos-Standards und eine wichtige Technologie für smarte Devices: Mit BLE ausgerüstete Gadgets können sich permanent drahtlos mit der Umgebung unterhalten, schonen aber den Akku und müssen nicht bei jedem Aufeinandertreffen erneut gepaired werden.
Cloud-based Application
Klar, die Cloud kennt heute jeder, was gibt es da zu erklären? Im Internet der Dinge spielt sie aber eine besondere Rolle: Apps und Dienste werden im IoT oft im Internet gehostet, statt neue Infrastruktur, Personal oder Software zu verlangen. Zweitens landen oft die von Sensoren, Geräten und Apps gesammelten Daten in der Cloud und können so leicht zwischen Apps und Diensten ausgetauscht werden.
Embedded Intelligence
Computer sind heute als Alleskönner bekannt. Embedded Intelligence oder Embedded Computing beschreibt Systeme, die nur ein bestimmtes Ziel verfolgen, nur ein paar bestimmte Aufgaben erledigen. So kann bei Embedded Computing an Hard- und Software gespart werden. Das ergibt schlanke Systeme, die dann im Zusammenspiel mit anderen Geräten ihre volle Funktionalität entfalten.
iBeacon
Der Markenname iBeacon wurde 2013 von Apple als proprietärer Standard für Navigation in geschlossenen Räumen eingeführt. Die kleinen, in der Anschaffung bewusst günstigen Geräte senden Sensordaten über ein BLE-Signal. Mit einer Knopfzelle können iBeacons rund ein Jahr laufen. Mit mehreren iBeacons können Positionen sehr exakt bestimmt werden und zum Beispiel in einem Ladengeschäft zu jedem Regal passende Angebote aufs Smartphone geschickt werden.
Industrie 4.0
So wie Smart Home das Internet der Dinge im Heimbereich beschreibt, steht der Begriff "Industrie 4.0" smarte, vernetzte Fabriken. "4.0" spielt dabei auf die vierte industrielle Revolution an. In smarten Fabriken könnten sich ganze Produktionsanlagen mit M2M-Kommunikation permanent unterhalten, über Sensoren gesammelte Informationen auswerten und so Prozesse schnell, effizient und kostengünstig halten. So können Werkstoffe, die in eine Produktionsanlage geliefert werden, zum Beispiel per RFID-Chips der Anlage sagen in welcher Maschine sie verarbeitet werden sollen.
Interoperability
Ein wichtiger Faktor für den Erfolg des Internets der Dinge ist der Austausch von Informationen und Services mit einem anderen System, der als Interoperability bezeichnet wird. Geräte können im Idealfall nahtlos und effektiv zusammenarbeiten. Tatsächlich herrscht in vielen Bereichen wie Smart Home noch ein Chaos aus Geräten von verschiedenen Herstellern die nur begrenzt miteinander vernetzbar sind.
Location Technologies
Technologien wie GPS, die Positionsbestimmung per WLAN oder BLE machen es im Internet der Dinge möglich den Ort eines Geräts, wie eines Smartphones, an Sensoren zu melden. Aus ortsbasierten Informationen zu Geräten ergeben sich enorm viele Möglichkeiten, vom simplen Angebot des nächsten Ladens aufs Smartphone bis zu selbstfahrenden Autos.
M2M
Dank M2M (Machine-to-Machine Communication / Technology) sollen sich Geräte automatisch, ganz ohne Zutun des Menschen unterhalten. Zum Beispiel könnte ein Containerschiff vollautomatisch in einem Hafen entladen werden oder ein Auto ferngesteuert die freie Lücke im Parkhaus finden und dort einparken. Notwendig sind für M2M-Systeme oft Sensoren, die permanent Daten untereinander austauschen und damit eine zentrale Steuerung möglich machen.
RFID Tags
Radio Frequency IDentification Tags können im IoT für Tracking-Zwecke wertvolle Daten liefern: Zum Beispiel können sie Warenbestände oder Personendaten erfassen und verwalten. Die kleinen Tags können zum Beispiel leicht in einem Container oder Kleidung untergebracht werden und dann beim Passieren eines Lesegeräts registriert werden – ohne Sichtkontakt. Im Gegensatz zu Barcodes können Geräte hunderte von RFID-Tags gleichzeitig lesen – und sie funktionieren in Metallteilen, aufgedruckt oder sogar unter der Haut. Der <a href="http://www.inotec.de" target="_blank">RFID-Hersteller Inotec</a> zeigt die Vorteile der RFID-Technologie im Detail.
Sensor
Sensoren kennt heute jeder aus dem Smartphone, das beim Kippen die Benutzeroberfläche von vertikal nach horizontal umschaltet. Sensoren schlagen die Brücke zwischen der echten und digitalen Welt, indem sie wie in dem Beispiel Bewegungen übersetzen. Sensoren können noch viele andere Daten wie den Ort eines Gerätes, Bewegungen, Temperatur oder Helligkeit messen.
Smart Home
Smart Home ist der Sammelbegriff für das Internet der Dinge im Heimbereich. Haushaltsgeräte von der Küche über Wohnzimmer bis Garten werden durch Zusatztechnik zentral, zum Beispiel über Smartphone-Apps steuerbar. Smart Home kann in vielen Bereichen den Wohnkomfort enorm verbessern, etwa durch Jalousien, die auf das Wetter reagieren. Zudem winken Zusatznutzen wie weniger Stromverbrauch durch automatisch abgeschaltetes Licht und Geräte, sobald man den Raum verlässt oder verbesserten Schutz gegen Einbrecher durch smarte Überwachungskameras, die bei Bewegung Push-Nachrichten aufs Smartphone senden.
Ubiquitous Computing
Beim Internet der Dinge werden winzige Computer in Alltagsgegenstände eingebaut. Damit sie vernetzt funktionieren, müssen sie oft immer angeschaltet sein – im Gegensatz zum Desktop-PC der nach Benutzung wieder ausgeschaltet wird. "Ubiquitous Computing" bedeutet also Computersysteme, die immer eingeschaltet und allgegenwärtig sind.
Wearables
Das Internet der Dinge hat in den letzten Jahren besonders viele smarte Geräte zum Anziehen, die so genannten Wearables, hervorgebracht. Sportarmbänder, Smart Watches, Fitnesskopfhörer mit Trainingsanleitungen, Bewegungs-Tracker in verschiedenen Formen sind nur einige Beispiele für aktuelle Wearables. Neben Fitness und Gesundheitsgeräten gehören auch neue Formen von Computern wie Datenbrillen zu den Wearables.

Allerdings arbeiten heute weniger Anwender in der Produktion mit digitalen Abbildern als in den Umfragen aus den Jahren 2016 und 2015. Vor zwei Jahren haben 57 Prozent digitale Abbilder eingesetzt. Jetzt sind es nur noch 47 Prozent. Anders sieht es in der Qualitätskontrolle aus: Hier stieg die Nutzung digitaler Abbilder von 84 auf 97 Prozent.

Mittlerweile setzen weniger Firmen digitale Abbilder in der Produktion ein als noch vor zwei Jahren.
Foto: EY/Bitkom Research

Wer in IoT-Lösungen investiert, verspricht sich mehr Flexibilität in der Produktion (72 Prozent). Außerdem geht es um schnellere Reaktionszeiten (52 Prozent) und mehr Effektivität der Gesamtanlage (47 Prozent). Weniger oft verbinden die Studienteilnehmer IoT mit mehr Kundenunterstützung (33 Prozent), dem Entwickeln von Innovationen (25 Prozent) und dem Erschließen neuer Märkte (22 Prozent).

Auch Kostensenkungen zählen mit 23 Prozent der Nennungen nicht zu den wichtigsten Treibern. Wer darauf abzielt, erwartet Einsparungen von mindestens fünf Prozent.

Das IoT-Budget fließt vor allem in Personal und Software

Die Unternehmen, die Geld für Industrie 4.0-Lösungen bereitstellen, geben es in erster Linie für Personal aus (43 Prozent) sowie für Software (38 Prozent). Die verbleibenden rund 20 Prozent des Budgets fließen in digitale Abbilder, mobile/smarte Endgeräte für die Produktion und Sonstiges. Im Schnitt liegt das IoT-Budget bei fünf Prozent des Jahresumsatzes.

Überdurchschnittlich stark (etwas sieben Prozent vom Jahresumsatz) investieren die Konsumgüter-Industrie und Unternehmen der Elektrotechnik. Stärkster IoT-Nutzer ist allerdings die Branche Automotive. Es folgen Konsumgüter (46 Prozent), Elektrotechnik (37 Prozent) und Maschinenbau (34 Prozent).

Gleichzeitig geben in der aktuellen Umfrage rund drei von vier Unternehmen (76 Prozent) an, 2018 in Industrie 4.0 investieren zu wollen. Das gilt vor allem für kleinere Firmen mit bis zu 500 Mitarbeitern.

Die strategische Bedeutung das Internet of Things (IoT) ist erkannt.
Foto: EY/Bitkom Research

Anwender treten als IoT-Anbieter auf

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Elf Prozent der Unternehmen treten am Markt als Anbieter von IoT-Lösungen auf. Hier haben wiederum Automotive (15 Prozent) und Maschinenbau (14 Prozent) die Nase vorn. Sie offerieren meist Industrie 4.0-Produkte (62 Prozent), Wartungsverträge auf Basis von Monitoring/Predictive Maintenance (60 Prozent) oder technische Beratung beziehungsweise Bereitstellung von Prozess-Wissen rund um das IoT. 71 Prozent der Anbieter von Industrie 4.0-Lösungen erklären, sie könnten Produkte nach dem Verkauf identifizieren und zurückverfolgen.

Stefan Bley, Partner bei Ernst & Young, kommentiert den zögerlichen Einsatz von Industrie 4.0. Als positiven Impuls betrachtet er die Anfang September von mehreren Maschinenbauern und der Software AG gegründete Softwarefirma Adamos, die anderen Unternehmen Lösungen für Fernwartungen anbieten will. "Die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes profitieren von der vernetzten Produktion. Je mehr von ihnen an entsprechenden Lösungen arbeiten und vielleicht sogar Standards etablieren, desto schneller wird sich Industrie 4.0 auch bei den kleinen und mittelständischen Betrieben durchsetzen", sagt Bley.