Management vs. Spezialisten

Die größten Kommunikationsprobleme im Management

24.08.2009 von Martin J.  Eppler und Jeanne  Mengis
Manager und Experten im Unternehmen verstehen sich oft nicht. Ihre Kommunikation scheitert an unterschiedlichen Prioritäten, Perspektiven, Terminologien und Aufgaben. Zeitdruck verschärft die Lage. Es fehlt Vertrauen. Was über den Erfolg von Kommunikation entscheidet und wie Lösungen aussehen.
Entscheider und Experten: Wer aneinander vorbei redet, kann nicht die richtigen Entscheidungen treffen.

Was haben die Katastrophen der Nasa-Raumfähren Challenger und Columbia, das Deutsche Maut-Debakel und der Niedergang der Schweizer Fluggesellschaft Swissair gemeinsam?

Jeanne Mengis ist Forscherin an der Warwick Business School, University of Warwick; zudem Dozentin für Entscheidungstheorie an der USI in Lugano.

Alle vier wurden mitverursacht durch mangelnde Kommunikation zwischen Managern und Spezialisten. Das Wissen um die Probleme und Risiken war in allen vier Fällen bei den (internen) Experten vorhanden. Es gelang jedoch in keinem der vier Fälle, dieses Wissen wirksam und rechtzeitig in die Entscheidungsprozesse des Managements einzuspeisen. Die Konsequenzen sind bekannt: Milliardenverluste, riesige Imageschäden und im Falle der Space-Shuttle-Katastrophen der Verlust von insgesamt 14 Menschenleben.

Martin J. Eppler ist Professor für Kommunikationsmanagement an der Universität der italienischen Schweiz (USI); zudem Dozent für Strategie im MBA-Programm der Universitäten St. Gallen und Genf.

Um die Schwierigkeiten in der Manager-Experten-Kommunikation besser zu verstehen, haben wir umfangreiche Untersuchungen durchgeführt.

Wir haben über hundert erfahrene Manager befragt, zehn Firmen bezüglich der Experten-Manager-Kommunikation genauer untersucht und in zehn Fokusgruppen mehr als 160 Fachleute gefragt, welches aus ihrer Sicht die wichtigsten Probleme in der Kommunikation mit Managern sind.

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Die Kommunikation zwischen Managern und Spezialisten ist ein heikler und kritischer Prozess. Die Probleme beginnen bereits bei der gegenseitigen Wahrnehmung. Die Experten sind von Managern häufig frustriert, wie folgende, typische Aussagen belegen: "Das Management weiß nicht, was es will." "Manager interessieren nur Kosten und Erträge." "Warum nimmt sich der CEO nur 30 Minuten Zeit für dieses wichtige Problem?" "Die Entscheider wollten sich die Details gar nicht genauer anschauen."

Auch die Manager äußerten sich häufig negativ über die Experten: "Unsere Spezialisten verlieren sich oft in Details." "Statt immer nur zu problematisieren, erwarten wir Lösungsvorschläge." "Warum sehen die nur die technische Seite eines Problems?" "Spezialisten berücksichtigen oft nicht den größeren Kontext eines Problems."

Erschreckend tiefe Kluft

Um die richtigen Entscheidungen treffen zu können, brauchen Manager das Wissen von Experten wie Ingenieuren, Programmierern, Analysten oder Juristen. Bei Technologie- oder Investitionsentscheidungen, rechtlichen Problemen, Marktanalysen, Infrastrukturbelangen und natürlich auch bei vielen strategischen Fragestellungen stützen sich Manager gern auf das Wissen von Spezialisten.

Dieses Wissen kann aber nur dann effektiv genutzt werden, wenn die Kommunikation zwischen Managern und Experten gelingt. Doch was entscheidet über Erfolg oder Misserfolg in der Kommunikation zwischen Entscheidern und Experten?

Die Resultate unserer Fokusgruppen-Diskussionen mit Spezialisten zeigen, dass die Kommunikation aufgrund unterschiedlicher Prioritäten, Perspektiven, Terminologien und Aufgaben oft problematisch verläuft (siehe Tabelle im nächsten Teil). Solche Differenzen können nur schwer überwunden werden, wenn Manager unter starkem Zeitdruck stehen und daher die Interaktionen mit den Experten auf ein Minimum beschränken.

Der für die Kommunikation nötige minimale gemeinsame Kontext (Common Ground) wird nicht entwickelt, Sprachunterschiede führen zu kostspieligen Missverständnissen, und das Kontextwissen (und der Überblick) der Manager wird nicht mit dem Detailwissen der Spezialisten verbunden.

Die Wahrnehmung von Experten und Entscheidungsträgern ist oftmals, dass ihre unterschiedlichen Betrachtungsweisen und Expertisen im Konflikt stehen und sich nicht wirklich ergänzen. Hinzu kommt, dass inhaltliche Differenzen häufig zu Störungen im persönlichen Verhältnis führen. Gerade mangelndes Vertrauen ist ein großes Problem: "Weil uns das Management nicht wirklich vertraut, müssen wir immer alles tausendmal beweisen, was sehr aufwendig ist."

Dieses mangelnde Vertrauen und das Abwehrverhalten der Manager wird als 'Prophetenproblem' bezeichnet: Interne Fachleute werden nicht geschätzt und nur externe konsultiert. Im Folgenden möchten wir an einem Beispiel zeigen, welche Gründe diese Kommunikationsbarrieren in Unternehmen haben, und anschließend darlegen, wie Manager die Probleme lösen können.

Fehlendes Verständnis

Die typischen Gründe für die Kluft zwischen Spezialisten und Managern zeigten sich uns am Beispiel eines großen, internationalen Beratungs- und Revisionsunternehmens: Die Experten, in diesem Fall die Branchenanalysten der firmeneigenen Recherche- und Dokumentationsstelle, fühlten sich in ihrer wichtigen Arbeit von den Partnern und Beratern der Firma nicht genug geschätzt. Sie beklagten sich über ungenaue Aufträge und fehlende Rückmeldungen über den Nutzen der geleisteten Analysen. Die Berater wiederum empfanden die Berichte der Analysten oft als zu weitschweifig und zu wenig fokussiert und nützlich. Obwohl sich das Unternehmen einen teuren Stab von Branchenspezialisten leistete, schienen diese ganz offensichtlich nicht den optimalen Mehrwert für das Beratungsgeschäft zu leisten. Warum?

Die häufigsten Probleme in der Kommunikation.

Eine vertiefte Analyse des Problems ergab, dass oft kein gemeinsames Verständnis der Aufgabenstellung vorlag, etwa bei Hintergrundrecherchen zur Gewinnung eines neuen Kunden. Anstatt sich gemeinsam auf einen Recherchefokus zu einigen und abzuklären, welche Form die Analyseresultate haben sollten (und welche Informationen den Beratern bereits bekannt waren), erhielten die Analysten oft nur vage Hinweise vom Management.

Ungenaue Aufgabenstellung

Die Delegation von Rechercheaufgaben erfolgte "zwischen Tür und Angel" oder durch eine schnell geschriebene E-Mail-Nachricht eines Partners an den entsprechenden Spezialisten. Das Management rechtfertigte dieses Vorgehen mit der Erklärung, es könne die Recherche nicht genauer definieren, da sie genau dieses Wissen von den Analysten erwarten würden.

In der Tat stellt sich die Frage, wie das Management eine spezifische Frage stellen kann über etwas, von dem es nicht weiß, dass es existiert. Die in diesem Zusammenhang öfter gehörte Formel: "Ich weiß nicht, was ich brauche, aber ich erkenne es, wenn ich es sehe" suggeriert, dass die Branchenanalysten eine aktivere Rolle in der Briefingphase einnehmen sollten.

Es stellte sich heraus, dass nicht nur die Briefingphase problematisch, sondern der gesamte Kommunikationsprozess zu linear geführt war. Die Rollen zwischen Experten und Management innerhalb der Phasen waren zu starr verteilt. Während das Briefing vorwiegend in der Verantwortung der Manager lag, wurde die Analysephase ausschließlich als Sache der Branchenanalysten verstanden. Diese arbeiteten isoliert und bekamen auf diese Weise weder Feedback von den Managern, noch konnten sie ihre Analysen den sich schnell ändernden Bedürfnissen anpassen.

Erst als die Schlussberichte auf dem Tisch der Manager landeten, wurden sie sich dieser Probleme bewusst. Zu diesem Zeitpunkt war es jedoch viel zu spät, um den Auftrag noch einmal umzuformulieren, und eine erneute Analyse hätte erhebliche Kosten verursacht (eine Zusammenfassung der typischen Probleme, die ein zu starrer, linearer Kommunikationsprozess verursacht, finden Sie in der Abbildung im nächsten Teil).

Um das Zusammenspiel von Analyst und Berater zu optimieren, leitete das Unternehmen in der Folge verschiedene Maßnahmen ein: Die Anfragen an Analysten wurden durch eine einfache Checkliste formalisiert und durch eine kurze Absprache mit dem entsprechenden Berater ergänzt. Zudem wurde vereinbart, die Rückmeldung des Beraters an den Analysten als obligatorischen Schritt im Beratungsprozess zu definieren.

Die Kommunikation verbessern

Der geschilderte Fall zeigt, dass man die Kommunikationsprobleme zwischen Managern und Experten nicht punktuell und ad hoc angehen sollte. Vielmehr muss die Kommunikation zwischen diesen beiden zentralen Gruppen in einer Organisation systematisch strukturiert und unterstützt werden. Insbesondere sollte der Kommunikationsprozess als ein Zyklus verstanden werden, bei dem sich die Auffassungen beider Seiten graduell annähern und Lösungen permanent verfeinert und konkretisiert werden.

Natürlich gibt es viele Möglichkeiten, die Qualität der Kommunikation zwischen Managern und Experten zu verbessern (zum Beispiel durch Trainings, Coaching oder gezielte Rekrutierung). Die folgenden drei Empfehlungen scheinen uns jedoch besonders wichtig, um eine Methode zu finden, die das beste Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen aufweist.

Die Tücken linearer Kommunikation

Viele Probleme entstehen aufgrund unterschiedlicher Auffassungen darüber, wie detailliert das Briefing der Experten sein sollte, und dadurch, dass die Rollen während der verschiedenen Projektphasen zu rigide verteilt sind. Insgesamt fehlt es meist an Abstimmung. Ein Feedback der Manager an die Experten erfolgt häufig viel zu spät, und es geht viel Zeit dabei verloren, den Auftrag neu zu formulieren und die Analyse zu wiederholen.

Reformulierung und Neuausrichtung des Auftrags. Quelle: HBM

Briefing der Experten

Anfrage bleibt vage und abstrakt:

Analyse durch Experten

Kommunikation der Resultate