Dienstleister und Prozessberater

Die IT-Strategie des Trinkwasseroptimierers Brita

31.05.2013 von Karin Quack
Frank Nittka hat bei Brita ein Shared-Service-Center installiert sowie das Beratungsprinzip in IT und Business-Bereichen eingeführt.

Seine Visitenkarte veranschaulicht, warum Frank Nittka beim Wettbewerb "CIO des Jahres" schon zum dritten Mal unter die zehn besten Mittelstands-CIOs im deutschsprachigen Raum gewählt wurde. Dort steht unter dem Namen der Titel "Group Director IT & Process Consulting - Shared Service Center IT". Das klingt so gar nicht nach Mittelstand, zu dem Nittkas Arbeitgeber, der Filterhersteller Brita, mit rund 1000 Mitarbeitern zweifelsohne zählt.

Platz 7, „CIO des Jahres 2012“, Mittelstand:
Frank Nittka vom Wasserfilterhersteller Brita hat im IT-Wettbewerb „CIO des Jahres 2012“ in der Kategorie Mittelstand den siebten Platz erreicht. Auf diesem Rang liegt er punktgleich mit Klaus Höffgen von der Delvag Luftfahrtversicherung.
Herausragend in Orientierungshilfe.
Der von Nittka entwickelte „U-Bahn-Plan“ veranschaulicht die Warenströme bei Brita.
Brita GmbH
Größe: 1000 Mitarbeiter<br> Branche: Konsumgüter<br> Hauptsitz: Taunusstein<br> Produkte „Maxtra“, „Purity“, Tischwasserfilter „Marella“, BRITA Ionox Wasserspender.
Wichtigstes Projekt: Unity
Hinter diesem Namen stecken zum einen die Umstellung des SAP-Systems auf neue Prozesse in Controlling und Materialwirtschaft, zum anderen der Aufbau eines Shared Services Centers. <br><br>Zeitrahmen: Okt. 2010 – Dez. 2011<br><br> Herausforderungen: Zu den zwei Hauptthemen „Kunden- und Serviceorientierung“ und „Kostenverrechnung“ mussten die IT-Mitarbeiter behutsam abgeholt werden, so Nittka.
Nittkas Team
30 IT-Mitarbeiter arbeiten für Nittka. An dem eingereichten Projekt wirkten im Kern sechs interne und zwei externe IT-Profis mit. Teilweise halfen zehn weitere Kollegen mit.
IT-Kennzahlen und -Ausrichtung
IT-Ausrichtung: (siehe Bild)<br> IT-Budget (allg.): 7,5 Mio. Euro, entspr. ca. 2,3 Prozent vom Umsatz<br> IT-Benutzer: 700
Beim Mountainbiken und Skifahren …
… erholt sich Nittka von der Arbeit. Oder gerne auch bei einem kühlen Bier mit Freunden.

Maßgeblich für die aktuelle Preisvergabe war sicher der Aufbau der Shared-Service-Organisation in der IT. Zunächst fragt man sich, wozu ein mittelständisches Unternehmen so etwas braucht. Aber bei genauem Hinsehen ergibt es durchaus einen Sinn.

Das Shared Service Center IT (SSC IT) läuft quasi quer zur Unternehmensstrategie der Brita Gruppe, die seit 2011 auf Divisionalisierung abzielt. Aber einen IT-Bereich mit knapp 30 Mitarbeitern auf mehrere Divisionen aufzuteilen ergäbe wohl wenig Sinn. "Wir wären gar nicht mehr arbeitsfähig", bestätigt Nittka.

Außerdem lassen sich in der IT durchaus Synergien aus einer zentralen Struktur gewinnen, beispielsweise wenn es um Infrastrukturen, Anwendungslizenzen oder Informationssicherheit geht. Wie der CIO nicht ohne Stolz berichtet, betreibt Brita weltweit eine SAP-Instanz.

CIO des Jahres 2012 - Preisträger Mittelstand
Mit großer Freude präsentieren wir Ihnen die CIOs des Jahres 2012 in der Kategorie Mittelstand.
Platz 9: Sebastian Saxe, Hamburg Port Authority
Sebastian Saxe von der Hamburg Port Authority hat im IT-Wettbewerb "CIO des Jahres 2012" in der Kategorie Mittelstand den 9. Platz erreicht. Diese Platzierung teilt er sich punktgleich mit Christoph Grewe-Franze von Weleda.
Platz 9: Christoph Grewe-Franze, Weleda AG
Christoph Grewe-Franze vom Naturkosmetikhersteller Weleda hat im IT-Wettbewerb „CIO des Jahres 2012“ in der Kategorie Mittelstand den 9. Platz erreicht. Diesen belegt er punktgleich mit Sebastian Saxe von der Hamburg Port Authority.
Platz 7: Frank Nittka, BRITA GmbH
Frank Nittka vom Wasserfilterhersteller Brita hat im IT-Wettbewerb "CIO des Jahres 2012" in der Kategorie Mittelstand den siebten Platz erreicht. Auf diesem Rang liegt er punktgleich mit Klaus Höffgen von der Delvag Luftfahrtversicherung.
Platz 7: Klaus Höffgen, Delvag Luftfahrtversicherungs AG
Klaus Höffgen von der Delvag Luftfahrtversicherungs AG hat im IT-Wettbewerb "CIO des Jahres 2012" den siebten Platz in der Kategorie Mittelstand erreicht. Auf diesem Rang liegt er punktgleich mit Frank Nittka, CIO von Brita.
Platz 6: Volker Dirksen, Landwirtschaftsverlag GmbH
Volker Dirksen vom Landwirtschaftsverlag hat im IT-Wettbwerb "CIO des Jahres 2012" den sechsten Platz in der Kategorie Mittelstand erreicht.
Platz 5: Leo Hintersteiner, Bene AG
Leo Hintersteiner von der Bene AG hat im IT-Wettbewerb "CIO des Jahres 2012" den fünften Platz in der Kategorie Mittelstand erreicht.
Platz 4: Markus Kapler, EBZ SE
Markus Kapler von der EBZ-Gruppe hat im IT-Wettbewerb "CIO des Jahres 2012" den vierten Platz in der Kategorie Mittelstand erreicht.
Platz 3: Thorsten Pawelczyk, SieMatic
Thorsten Pawelczyk von SieMatic hat im IT-Wettbewerb "CIO des Jahres" den dritten Platz in der Kategorie Mittelstand erreicht. Der CIO des Küchenherstellers hat ein Unternehmens-Wiki auf Sharepoint-Basis eingeführt.
Platz 2: Sönke Vetsch, Börse Stuttgart
Sönke Vetsch von der Börse Stuttgart hat im IT-Wettbewerb "CIO des Jahres 2012" den zweiten Platz in der Kategorie Mittelstand erreicht. Der CIO und COO der Börse Stuttgart hat die gesamte IT-Infrastruktur erneuert und dabei vier Rechenzentren auf zwei konsolidiert, Windows 7 eingeführt und die Zahl der Firmen-Notebooks um 75 Prozent verringert.
Platz 1: Bernd Kuntze, Haas Food Equipment GmbH
Der Mittelstandssieger des IT-Wettbewerbs "CIO des Jahres 2012" heißt Bernd Kuntze, CIO von Haas Food Equipment. Erstmalig hat es ein österreichischer IT-Leiter auf das oberste Treppchen im Wettbewerb geschafft.

Aus diesen Gründen entschied das Unternehmen, die IT weiterhin als Zentralbereich bestehen zu lassen. Das entband Nittka und sein Team aber keineswegs von der Aufgabe, sich zu verändern. Vor allem in drei Punkten waren sie mehr denn je gefordert.

1. Strikte Orientierung an den Kunden

Das wichtigste Ziel der neuen Organisation ist die interne Kundenorientierung. "Wir müssen uns positionieren wie ein externer Dienstleister", erläutert Nittka. So stimme sich das IT-Team in den zweimal pro Jahr anberaumten Service-Meetings mit seinen Kunden ab, sammle Feedback und versuche, die Anforderungen der Klientel zu sortieren und zu kanalisieren.

Hier kommt die zweite Zuständigkeit des Brita-CIOs ins Spiel: die Prozessberatung. Schon 2005 wurde aus der IT heraus in den Fachbereichen ein kleines Team von Business-Prozess-Experten (BPX) installiert. Sie stehen als interne Berater zur Verfügung, wenn ein Fachbereich neue Projekte oder Prozessveränderungen plant. "Es gibt keine Pflicht, einen BPX einzubinden", betont Nittka, "aber das Angebot wird immer häufiger angenommen."

Die BPX sind organisatorisch an den Hauptprozessketten angesiedelt, aber disziplinarisch dem CIO unterstellt. "Das ist insofern sinnvoll, als ein BPX ja auch kritische Fragen stellen muss und der Blick von außen oft neue Möglichkeiten eröffnet", sagt Nittka. Außerdem mache es die gemeinsame Zugehörigkeit zum IT-Bereich leichter, einheitliche Methoden zu erarbeiten und sich untereinander auszutauschen.

Verantwortlich ist jeder dieser Experten für einen Hauptprozess, wie er sich im ERP-System darstellt: Order to Cash (Vertrieb), Supply Chain (Logistik), Plan to Produce (Produktion und Qualitäts-Management) sowie Finance / Controlling / Human Resources. Parallel dazu ist die Prozesseignerschaft auf der Business-Seite organisiert: Für jede Prozesskette gibt es genau einen Owner.

2. Hundertprozentige Leistungsverrechnung

Die zweite Änderung, die das SSC IT vom früheren IT-Bereich unterscheidet, betrifft das IT-Budget. Wie Nittka ausführt, soll es zu 100 Prozent auf die Business-Bereiche umgelegt werden - zumindest theoretisch. Infrastrukturelle Services werden nach dem Verursacherprinzip intern verrechnet. Dazu hat die IT hat einen Katalog mit etwa 20 Services erstellt, die ein Preisschild tragen. So können die internen Kunden genau erkennen, was eine Dienstleistung sie kosten wird, und entscheiden, ob sie ihnen das wert ist. "Das war für die Geschäftsleitung wichtig", so Nittka: "Die Kunden gehen jetzt bewusster mit der Ressource IT um."

Bei Projekten sorgt die neue Organisationsform bisweilen für Diskussionsstoff. Nämlich dann, wenn Kundenanforderungen im Widerspruch zu IT-Standards stehen. Hier gilt es, Interessen abzuwägen und gemeinsam nach Lösungsalternativen zu suchen. "Schließlich haben wir auch ausdrücklich den Auftrag, Wildwuchs zu verhindern", erläutert Nittka.

Seit das Shared Service Center Anfang 2012 in Betrieb genommen wurde, hat sich die Zahl der Projekte merklich verringert. Kostentransparenz und projektbezogene Verrechnung erleichterten die Entscheidung für oder gegen ein Projekt, unterstützten die korrekte Priorisierung und verringerten letztendlich den Einführungsaufwand, freut sich der IT-Chef. Dabei habe sicher eine weitere Neuerung geholfen: Beratungsleistungen der BPX würden seit Anfang des Jahres nicht mehr einzeln verrechnet, sondern über Gemeinkosten abgebildet: "Damit steigt die Motivation, BPX einzubinden, zusätzlich."

3. Variable Kosten mit Hilfe externer Services

Das Shared Service Center soll auch den Anteil der variablen IT-Kosten erhöhen "Früher hatten wir einen recht hohen Fixkostenblock", erinnert sich Nittka, "den wir nun nach und nach in variable Kosten umwandeln." In diesem Zusammenhang denke er immer häufiger über externe Dienstleistungsangebote nach. Cloud-Services würden es ihm ermöglichen, Services flexibel zu bestellen, nach Verbrauch zu bezahlen und sauber wieder abzustoßen: "Bestellt ist immer schnell", sagt der CIO, "viel schwieriger ist es, sicherzustellen, dass ein Service, den ich nicht mehr brauche, auch von der Kostenliste verschwindet."

Um diese Vorgaben zu erfüllen, musste die IT auch ihre internen Prozesse auf den Prüfstand stellen - mit teilweise erheblichem Aufwand, wie Nittka einräumt. Der IT-Bereich müsse sich quasi selbst wie ein Cloud-Provider aufstellen. Aber auch das Business war gefordert: "Die Geschäftsbereiche müssen mehr planen und sich intensiv mit den Kosten auseinandersetzen", geht Nittka ins Detail. Doch mittlerweile sei das Prinzip gut verstanden, die Fachbereiche hätten sich mit den neuen Begriffen angefreundet, und die Möglichkeiten würden immer stärker genutzt. (Computerwoche)