Kienbaum-Studie

Die Jagd auf High Potentials

17.08.2009 von Christina  Kestel
Mehr als Dreiviertel der Unternehmen suchen händeringend hochqualifizierte Informatiker, Ingenieure und Wirtschaftswissenschaftler. Doch nicht immer sind die gesuchten High Potentials auch immer Right Potentials - ihnen fehlen oft die entscheidenden Softskills. Was Unternehmen dem Nachwuchs bieten.
Jung und hochqualifiziert geht es einfacher durch die Krise.
Foto: Vodafone D2 GmbH

Derzeit ist es en vogue, Arbeitsplätze abzubauen - oft als einzige schnelle Methode zur Kostenreduzierung verstanden. Auf der anderen Seite wird händeringend gesucht. Unternehmen melden verstärkten Bedarf an hochqualifiziertem Nachwuchs an, haben aber gleichzeitig Schwierigkeiten, die richtigen Topleute zu finden.

Das ist das Ergebnis der aktuellen Studie "High Potentials 2008/2009" der Managementberatung Kienbaum, die manager-magazin.de exklusiv vorliegt. Kienbaum befragte für die Erhebung 189 Konzerne und mittelständische Unternehmen in einem repräsentativen Branchenmix.

Klar ist: Unternehmen wollen mehr Talente einstellen, um sich für die Zukunft gut aufzustellen. Wurden im vergangenen Jahr noch durchschnittlich 28 Studenten, davon elf High Potentials, eingestellt, erhöhte sich der Bedarf in diesem Jahr auf 35 Absolventen, darunter 23 High Potentials. Willkommen sind vor allem Absolventen mit Titeln wie Master, Diplom oder einer Promotion, die am ehesten in den Unternehmensbereichen Marketing & Vertrieb, Controlling und strategischer Unternehmensführung benötigt werden.

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Als Ergebnis der Studie stellte sich aber auch heraus, dass mehr als Dreiviertel der Unternehmen Probleme haben, hochqualifizierte Informatiker, Ingenieure und Wirtschaftswissenschaftler zu rekrutieren. "Das Angebot an Absolventen in manchen, spezialisierten Fachrichtungen ist einfach zu klein", erklärt Erik Bethkenhagen, Geschäftsführer Kienbaum Communications. Große Konzerne wie Daimler oder BMW , die mit starken Marken aufwarten können, haben es leichter zu werben als Mittelständler - "Bekanntheit und Arbeitgebermarke sind entscheidende Faktoren", sagt Bethkenhagen. Eine größere Auswahl ist lediglich in der Masse an Absolventen der Politik-, Medien- und Kommunikationswissenschaften sowie den Geistes- und Sozialwissenschaften zu finden.

Beiderseits hohe Erwartungen

Um den Bedarf an Nachwuchs mit dem Prädikat "Top-Talent" zu decken, richten sich Unternehmen bei der Suche und der Auswahl stark nach den Erwartungen der High Potentials. Für diese Gruppe entwickelt die Mehrheit der Befragten speziell auf die Wünsche und Bedürfnisse der Talente abgestimmte Einstiegs-, Förder- und Weiterbildungsprogramme.

Jahresbruttoeinstiegsgehälter.

Die potenziellen Arbeitgeber werben gerne mit den Argumenten "Eigenverantwortliche Projektarbeit" , "Verantwortung" sowie Auslandseinsätzen und variabler Vergütung. Die höchsten Einstiegsgehälter erhalten Ingenieure mit durchschnittlich 44.000 Euro im Jahr. Nachwuchs mit Diplom-/Mastertitel aus den Wirtschaftswissenschaften kann mit 42.000 Euro als Einstiegsgehalt rechnen. Über die Fachbereiche hinweg erhalten High Potentials Gehälter in einer Spanne von 45.000 bis 50.000 Euro.

Wie erkennt man Top-Talente?
Foto: MEV Verlag

Die Erwartungen der Unternehmen an die Top-Talente sind dementsprechend auf einem hohen Niveau: Sie sollten durchschnittlich 26 Jahre alt sein, ihr Studium in acht bis zehn Semestern abgeschlossen haben und einen Notendurchschnitt von 1,8 oder besser vorweisen können. Ferner sind Praxiserfahrungen, Fremdsprachenkenntnisse, Fach- und Methodenkompetenz sowie Auslandserfahrung gewünscht. Die Persönlichkeit der Talente sollte zudem ein hohes Maß an Eigenmotivation, Lernbereitschaft, Selbstkritik, Belastbarkeit, Flexibilität und Kontaktfähigkeit aufweisen können.

Im Dunkeln tappen

Dass solche Wunschvorstellungen selten erfüllt werden, ist naheliegend. Die Personaler sind sich durchaus bewusst, dass ein High Potential nicht zwangsläufig ein "Right Potential" ist. Rund 90 Prozent der Befragten geben an, ein Top-Talent anhand der Lebensläufe nicht eindeutig ausmachen zu können. "Doch anhand dessen lässt sich eben nicht schließen, ob Talente auch kulturell zum Unternehmen passen", sagt Bethkenhagen. Softskills wie etwa Flexibilität oder Kommunikationsstärke hätten inzwischen mindestens das gleiche Gewicht wie ein Notendurchschnitt oder fachliche Qualifikationen.

Auch auf Seiten der Talente müssen ihre Wünsche mit den gegebenen Realitäten abglichen werden. Nach Meinung der Personaler scheitern Talente immer dann, wenn sie ein ungesundes Maß an Selbstüberschätzung entwickeln, eine zu hohe Anspruchshaltung und eine mangelnde Fähigkeit zur Selbstkritik vorweisen.

High Potentials wechseln im Schnitt alle fünf Jahre ihren Arbeitgeber

Die niedrige Verweildauer im Unternehmen ist auch ein Gradmesser für die Zufriedenheit. Wie die Befragung ergab, wechseln High Potentials im Schnitt alle fünf Jahre ihren Arbeitgeber. Die häufigsten Gründe dafür: Abwerbung, mangelnde Karriereperspektiven oder private Gründe.

Unternehmen sind jetzt aufgefordert, den Bewerbern attraktive Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen. "Sie müssen eine Langzeitperspektive bieten", sagt der Kienbaum-Geschäftsführer Communications. Die könne ruhig über zehn bis 15 Jahre reichen. Gerade Konzerne müssten klare Karrierepfade aufzeigen, denn "Mittelständler, die beispielsweise Talente enger und schneller in wichtige Prozesse einbinden, sind hier ganz klar im Vorteil", so Bethkenhagen.