CIO.de Exklusiv-Interview

Die Konkurrenten des E-Postbriefs

10.08.2010 von Johannes Klostermeier
Die Deutsche Post hat nichts Neues erfunden. Die sichere Übermittlung von sensiblen Daten in elektronischer Form bieten spezialisierte Wettbewerber wie Regify und Itella schon seit längerer Zeit an. CIO.de sprach mit den Geschäftsführern.

Wenn es nach Jürgen Gerdes, Briefvorstand der Deutschen Post, geht, kommt mit dem jetzt offiziell vorgestellten E-Postbrief etwas ganz Neues auf den deutschen Markt. Das CIO Magazin berichtete zuletzt in dem Artikel DE-Mail gegen Deutsche Post – neue Runde und im Überblick in dem Artikel Deutsche Telekom gegen Deutsche Post. Die sichere Übermittlung von sensiblen Daten in elektronischer Form ist aber schon seit mehr als fünf Jahren möglich, sagt das Düsseldorfer Unternehmen Itella Information GmbH. Und die Regify AG aus Hüfingen schreibt: "Den grundlegenden Gedanken an die sichere und verbindliche E-Mail-Kommunikation hat unser Unternehmen bereits im Frühjahr 2009 verwirklicht und seinen eigenen Service für die vertrauliche und verbindliche E-Mail-Kommunikation auf den Markt gebracht."

CIO.de: Die Deutsche Post behauptet, sie hätte die Möglichkeit vertrauliche Briefe zu versenden, mit dem E-Postbrief neu erfunden. Sie behaupten: „Das können wir schon länger.“ Wie sieht Ihre Lösung aus?

Kurt Kammerer, Gründer und Geschäftsführer der Regify AG: Unser Service vereint die Qualitäten klassischer Briefpost mit den Zeit- und Kostenvorteilen der E-Mail. Wir sind seit gut einem Jahr im Markt. Der Service bewährt sich jeden Tag aufgrund seiner Einfachheit: Während Angebote wie der E-Postbrief oder DE-Mail dem Nutzer zum Beispiel eine neue E-Mail-Adresse aufdrängen, arbeiten wir mit den bestehenden E-Mail-Adressen. Genau das wollen die Nutzer.

Kurt Kammerer, Gründer und Geschäftsführer der Regify AG.

Unser Service wird von den Regify-Providern angeboten und betrieben. Die Regify AG liefert die Lösung. Die Nutzer melden sich beim Provider ihrer Wahl an und können ohne Änderung ihrer E-Mail-Infrastruktur vertraulich und verbindlich mit jedem anderen Regify-Nutzer kommunizieren. Wichtige Nachrichten können damit einfach als E-Mail über die gängigen E-Mail-Programme oder alternativ über ein eigenes Web-Portal geschrieben und gelesen werden. Wir sorgen dafür, dass E-Mails wie Einschreiben behandelt werden: Die Vertraulichkeit ist durch Verschlüsselung gewahrt. Der Sender einer E-Mail erhält eine Empfangsbestätigung, sobald der Adressat die Nachricht öffnet. Ein webbasiertes Transaktionsregister gibt dem Nutzer jederzeit lückenlos Auskunft über seine Transaktionen.

Raimund Schlotmann , Geschäftsführer des Dokumenten- und Informationslogistik-Dienstleisters Itella Information GmbH: Für die Deutsche Post ist der E-Postbrief mit Sicherheit etwas Neues und Revolutionäres. Die sichere Übermittlung von sensiblen Daten in elektronischer Form ist jedoch bereits seit einiger Zeit möglich.

Raimund Schlotmann, Geschäftsführer des Dokumenten- und Informationslogistik-Dienstleisters Itella Information GmbH.

Das Produkt Itella iPost bietet den gleichen Service wie die Hybridvariante des E-Postbriefs der Deutschen Post. Auch hier übergibt das Unternehmen den Brief online und Itella übernimmt das Drucken, Kurvertieren und den Versand des Briefes in Papier- und elektronischer- Form. In Finnland, unserem Ursprungsland, ist diese standardisierte Versand-Dienstleistung bereits seit zwei Jahrzehnten etabliert. Und auch der Versand von Briefen in rein elektronischer Form ist bereits seit langer Zeit über iPost möglich. Wir bieten einen standardisierten Multichannel-Versand-Service. Die Lösung lässt sich als Druckertreiber ohne Implementierungsaufwand in beliebige Windows-basierte Anwendungen integrieren oder per FTP-Datenübertragung ansteuern.

CIO.de Wie erklären Sie sich denn die Aussagen der Deutschen Post?

Kurt Kammerer: Die Deutsche Post musste auf digitaler Ebene nachziehen, weil sie kontinuierlich Briefvolumen an E-Mail-basierte Services verliert, die dem traditionellen Brief qualitativ überlegen sind. Es blieb der Post daher gar nichts anderes übrig, als selbst im digitalen Briefgeschäft aktiv zu werden. Um dafür eine Erfindung zu reklamieren, kommt die Deutsche Post allerdings etwas spät. E-Mail ist immerhin 25 Jahre alt, und sichere E-Mail-Services sind kein Novum. Zum Vergleich: Wir haben die zentralen Verfahren unserer Lösung seit 2005 international patentiert.

Post will den Zug nicht ganz verpassen

Raimund Schlotmann: Das müssen Sie die Deutsche Post fragen. Aber ich denke, es geht darum den Zug in Richtung „e“ nicht ganz zu verpassen und sich gegen Anbieter zu positionieren, die im elektronischen Bereich bereits einen Vorsprung haben. Neu erfunden hat die Post dabei jedoch nicht wirklich etwas. Vielmehr hat der Konzern seine Position genutzt und ordentlich die Werbetrommel gerührt, was ja auch sein gutes Recht ist. Das langfristige Ziel der Deutschen Post kann nur sein, den Platz des wesentlichen elektronischen Postkastens der Kunden zu besetzen. Ich denke aber, dass die gesamte Branche von der gestiegenen Aufmerksamkeit profitieren kann.

CIO.de: In welchen Punkten ist Ihr Produkt dem der Post ebenbürtig oder sogar überlegen?

Kurt Kammerer: Regify gibt dem Nutzer, anders als die Deutsche Post, Wahlmöglichkeiten durch die patentierte Multi-Provider-Lösung. Das bedeutet, dass mehrere Provider den Dienst anbieten, und die Nutzer dadurch den Provider ihrer Wahl aussuchen und sofort mit anderen Regify-Nutzern kommunizieren können, unabhängig davon, bei welchem Provider diese angemeldet sind. Große Unternehmen können auch selbst Provider werden. Wir bieten damit ein sicheres Kommunikationsnetzwerk auf reiner E-Mail-Basis. Weiterhin verwenden die Nutzer einfach seine bestehenden E-Mail-Adressen. Dies ist ein unschätzbarer Vorteil, wenn man bedenkt, dass es weltweit 1,8 Milliarden E-Mail-Konten gibt.

Regify kann mit jedem dieser Konten genutzt werden, der E-Postbrief mit keinem, denn er funktioniert nur mit einer neuen E-Mail-Adresse. Zu guter Letzt der Preis: Wir bieten das preisgünstigste Angebot, der E-Postbrief ist um ein Vielfaches teurer. Und dabei ist das System zumindest ebenbürtig in punkto Vertraulichkeit, Verlässlichkeit und Verbindlichkeit.

Raimund Schlotmann: Unser Produkt ist kinderleicht in der Implementierung: Das Unternehmen installiert einfach einen Druckertreiber von uns. Zudem sind zwei Jahrzehnte Erfahrung in und aus anderen Märkten kaum zu schlagen. In Finnland etwa sind Services wie der E-Postbrief schon lange erfolgreich am Markt. Hier haben sich mittlerweile jede Menge Zusatzangebote wie Archivierungs- und Finanzdienste um die Services entwickelt.

CIO.de: Wer sind Ihre Kunden?

Kunden und Kosten der E-Briefe

Kurt Kammerer: Regify richtet sich an alle, die vertrauliche Nachrichten verbindlich versenden und empfangen wollen. Insbesondere sind dies Unternehmenskunden sowie die öffentliche Hand, aber auch Privatpersonen. Zu den Kunden zählen Großunternehmen wie die Würth-Gruppe oder eine große deutsche Bankengruppe, über die kommerziellen Betreiber nutzen auch viele kleinere Unternehmen den Service.

Raimund Schlotmann: Unsere Kunden kommen aus allen Teilen der Wirtschaft, ob nun IT-Dienstleister, Konsumgüterhersteller, Energieunternehmen oder Telekommunikationsanbieter. iPost wird beispielsweise vom Fachgroßhändler Zickwolf und dem Personaldienstleister Arinso eingesetzt.

CIO.de: Wie viele Briefe versenden Sie, und wie teuer ist Ihre Dienstleistung?

Kurt Kammerer: Die Briefe werden von den Providern versendet. Wir sind lediglich der Enabler durch die Lieferung der kompletten Software und der Organisation des Systems. Zahlen über die Briefvolumina sind interne Informationen der Provider. Endkunden zahlen für die Nutzung je nach Provider einen monatlichen Betrag (Flat Rate). Dieser liegt heute im Schnitt bei drei Euro pro Nutzer im Monat für bis zu 200 versendete Nachrichten bzw. bei 1,5 Cent je Nachricht. Nutzer zahlen erst, wenn sie Regify-Mails schreiben wollen. Empfangen und reines Lesen sind kostenlos. Oftmals bieten die Provider eine kostenlose Kennenlernphase an.

Raimund Schlotmann: 2006 wurden über Itella iPost europaweit rund 80 Millionen Dokumente verschickt; 2008 waren es bereits über 105 Millionen. Was den Preis betrifft, so hängt dieser immer vom Versandvolumen des Unternehmens ab. Hinzu kommt, dass mit einer Standardisierung der zugrundeliegenden Prozesse weitere Kosten für den Versand eingespart werden können – ohne dabei an Flexibilität einzubüßen.

CIO.de: Hat die Einführung des Bürgerportalgesetzes Auswirkungen auf Ihr Geschäftsmodell?

Kurt Kammerer: Nicht wirklich. DE-Mail betrifft nur einen kleinen Prozentsatz der Briefe, den der Behördenpost. Weil DE-Mail sehr kompliziert ist und im Vergleich sehr teuer sein wird, wird DE-Mail eine Nischenanwendung bleiben. Hinzu kommt, dass DE-Mail als rein deutsches Produkt auf den deutschen Markt begrenzt bleiben wird, während wir schon heute weltweit Anwender haben. Die deutschen E-Mail-Nutzer repräsentieren weltweit einen Anteil von weniger als fünf Prozent, zu wenig für einen kommerziellen Erfolg von DE-Mail. Hinzu kommt, dass die DE-Mail eine gravierende Sicherheitslücke hat. Jede einzelne DE-Mail wird nämlich vom jeweiligen DE-Mail-Provider geöffnet und liegt dort im Klartext vor, bevor sie wieder verschlossen wird. Kunden haben zu Recht Bedenken, denn dadurch entsteht unnötigerweise die Gefahr des Missbrauchs.

Post und DE-Mail zwingen Anwendern neue Mail-Adressen auf

Auch die De-Mail von United Internet und Deutscher Telekom bietet bald rechtssicheren E-Mail-Versand an.

Außerdem zwingt - wie der E-Postbrief - auch die DE-Mail den Nutzer, eine neue E-Mail-Adresse zu verwenden, obwohl dieser den sicheren Postservice am liebsten unter seiner alten nutzen würde. Sachlich gibt es keinen Grund für eine neue E-Mail-Adresse. Man kann hier getrost von einer Fehlkonstruktion sprechen, und es stellt sich die Frage, warum der deutsche Gesetzgeber als einziger weltweit so ein Gesetz verabschieden will. Unserem Service verhelfen allerdings sowohl die DE-Mail als auch der E-Postbrief zur vorteilhaften Positionierung im Markt.

Raimund Schlotmann: Sollte in den nächsten Jahren eine kritische Masse von De-Mail Postkästen entstehen, kann das nach Wunsch des Kunden zu einem Distributionskanal unserer iPost werden. Das kann für den Kunden dann Sinn machen, wenn er eine große Menge seiner Post über diesen Kanal empfangen kann.

CIO.de: Was haben Sie für die Zukunft geplant?

Kurt Kammerer: Wir sind von Beginn an international ausgerichtet, weil E-Mail-basierte Services nur im internationalen Kontext skalieren. Man stelle sich nur für einen kurzen Moment vor, wo E-Mail heute stünde, wenn jedes Land seine eigenen E-Mail-Standards hätte. Wir werden noch dieses Jahr in Benelux und Großbritannien aktiv werden und unsere Position im deutschen Markt ausbauen. Hier überlegen Firmen und Organisationen - angestachelt durch die Werbung für DE-Mail und den E-Postbrief -, wie sie durch die Substitution des klassischen Briefes Kosten senken und die Produktivität steigern können.

Raimund Schlotmann: Auch in Zukunft wollen wir unseren Kunden ein kanalübergreifendes Lösungsangebot zum Versand und Empfang ihrer Rechnungen und Dokumente bieten. Meines Erachtens wird in Unternehmen in Zukunft auch die Digitalisierung und Optimierung des gesamten Bearbeitungsprozesses von Rechnungen und Dokumenten an Bedeutung gewinnen. Erhebliche Vorteile lassen sich kurzfristig durch den Wegfall des Portos und der Druck- und Kuvertierprozesse erzielen, langfristig wirksame Effekte vor allem aber bei den Prozesskosten. So reduziert der Einsatz elektronischer Prozesse beispielsweise mögliche Fehlerquellen bei der manuellen Verarbeitung, gleichzeitig werden sie erheblich beschleunigt.