Forrester-Studie

Die Mobile-Strategie für 2016

02.03.2012 von Thomas Pelkmann
Mobility heißt das neue Geschäftsfeld. Die Analysten von Forrester glauben daran und empfehlen Unternehmen, daraus eine Geschäftsstrategie zu formen.
Unternehmen brauchen eine Mobility-Strategie, fordert Forrester. Nur so könne man die Möglichkeiten mobiler Geräte tatsächlich nutzen.
Foto: MEV Verlag

Bis 2016 werden mehr als eine Milliarde Menschen entweder mit einem Smartphone oder einem Tablet herumlaufen - oder gleich mit beiden. Mehr als 90 Prozent der mobilen Geräte werden entweder auf Apple-, Google-, oder Microsoft-Plattformen laufen. Für die Verbindungen ins Internet werden unter anderem 5,8 Millionen öffentliche WiFi-Hotspots in der ganzen Welt sorgen. Das ist das Ergebnis einer Forrester-Studie zum Thema "Mobile Is The New Face Of Engagement" der Analysten Ted Schadler and John C. McCarthy.

Bis 2016 werden laut Forrester weltweit 350 Millionen Mitarbeiter von Unternehmen Smartphones nutzen; 200 Millionen werden ihr eigenes mitbringen. Die Ausgaben für mobiles Arbeiten werden bis 2016 die fantastische Summe von 1,3 Trillionen US-Dollar erreichen, was in Euro nur wenig unspektakulärer klingt: rund 984 Milliarden. Der Anteil mobiler Geräte an der gesamten IT-Wirtschaft beträgt dann bereits 35 Prozent. Allein für Apps werden in den nächsten vier Jahren rund 41,6 Milliarden Euro ausgegeben - und das bei einem Durchschnittspreis von 1,84 Euro pro App.

Forrester startet angesichts solcher Zahlen einen Aufruf zur strategischen Umorientierung der Unternehmen: Mobile Systeme sollen den Firmen helfen, ihre Kunden, Partner und Mitarbeiter mit kontext-sensitiven Anwendungen und intelligenten Produkten noch stärker zu machen als bisher. Für die Entwicklung des mobilen Business fordert Forrester von CIOs und Unternehmensverantwortlichen die Gründung eines Teams rund um einen "Chief Mobility Officer", das die firmenweite Mobility-Strategie entwickelt.

Vier Vorteile von "Design for mobile first"

Dieses Team soll künftige Investitionen in Business und Technologie unter dem Mantra "Design for mobile first" koordinieren. Das bringe vier Vorteile, schreiben die Forrester-Analysten:

Mitarbeiter nur mit technischem Anspruch sind out, Abteilungen für Business Technology mit Blick auf neue Formen des Unternehmens-Engagements sind in.

Mobile Anwendungen (und die hier synonym genannten mobilen Webseiten) seien mächtige Werkzeuge, mit denen Firmen ihren Umgang mit Kunden, Partnern und Mitarbeitern verbessern können, argumentiert Forrester für (s)eine Mobilstrategie. Dabei gehe es nicht einfach nur um das Schrumpfen ansonsten großer Anwendungen auf die Bildschirmgröße eines Smartphones.

Mit Apps sind Unternehmen in den Taschen ihrer Kunden

Mobility sei vielmehr der Auslöser für etwas sehr viel Größeres, Ganzheitliches, das die Dinge grundlegend ändern wird, schreibt Ted Schadler nicht ohne Pathos. Auf den Punkt gebracht heißt das: Über die App befinden sich die Unternehmen in der Tasche ihres Kunden.

Wie sie damit umgehen, sollte Teil strategischer Überlegungen sein. Forrester beschreibt das "new system of engagement" als ein System kontext-sensitiver Apps, das Kunden, Partner und Mitarbeiter in die Lage versetzt, in Echtzeit zu entscheiden und zu handeln. Das ist mehr, als etwa ein Buchungssystem für Hotels auf Smartphone-Größe zu schrumpfen und das ganze dann "mobile App" zu nennen. Wenn schon, dann geht es darum, ein System zu schaffen, das selber merkt, wann ein Gast die Lobby das erste Mal betreten hat, um möglicherweise einzuchecken.

Die neuen Systeme nutzen alles, was bei Mobile, Social, Cloud und Big Data abzugreifen ist. Sie speisen damit Anwendungen, die das tägliche Verrichten und den Workflow der Kunden, Partner und Mitarbeitern unterstützen.

25 der 30 größten US-Handelsketten bieten Apps für Kunden

Mit mobilen Anwendungen interagieren Kunden im Moment der Entscheidungsfindung direkt mit dem Anbieter. Traumhaft. Genau das ist der Grund, schreibt Forrester, dass 25 der 30 größten US-Handelsketten Smartphone-Apps für ihre Kunden anbieten. Sie werden damit den Anteil mobil getätigter Geschäfte bis 2016 von sechs auf 31 Milliarden US-Dollar steigern helfen. Besonders, wenn neue Funktionen dazu kommen, etwa Rabatt-Aktionen oder Self-Services für das Abkassieren der Einkäufe.

Mobile Anwendungen erlauben Kunden und Partnern die direkte Verbindung ins eigene ERP-System und unterstützen sie damit beim täglichen Geschäft. So kann man Warenströme in beide Richtungen und nahezu in Echtzeit steuern. Die Mitarbeiter eines Unternehmens können ihre Entscheidungen mit Dashboards voller operativer Daten auf dem Tablet ebenfalls überall und jederzeit treffen.

Und schließlich erhalten typische Offline-Produkte über Mobility ganz neue Impulse in Richtung Moderne. Sensoren, Funksteuerungen oder andere drahtlose Zugriffsmöglichkeiten sorgen für zeitgemäße Funktionen und Kommunikationsmöglichkeiten. Forrester berichtet in diesem Zusammenhang über die Firma Withings, die ihre Badezimmerwaage mit WiFi ausgestattet hat. Die 30 Apps des darum errichteten Ökosystems kommunizieren nun mit der Gewichtsanzeige, um direkt praktische Ernährungstipps vermitteln zu können.

Vorsicht vor unerwünschten Nebenwirkungen

So toll mobile Apps auch sind: Forrester warnt auch vor versteckten Kosten. Die entstehen zum Beispiel, wenn die mobile Anwendung unterschiedliche und im schlimmsten Fall inkompatible Daten aus unterschiedlichen Unternehmensanwendungen miteinander synchronisieren muss. Wer da nicht von vorneherein an alle Implikationen denkt, bekommt in der Folge sicher teure Schwierigkeiten.

Probleme gibt es auch, wenn die komplexen Geschäftsprozesse sich nicht mit den einfachen Handgriffen eines Smartphones oder Tablets erledigen lassen. Der Formfaktor dieser Geräte ist auf simple Bedienfolgen ausgelegt, nicht auf komplexe Tätigkeiten, wie man sie von PC oder Laptop gewöhnt ist.

Aber in diesem Risiko liegt auch eine Chance, die eigenen Geschäftsprozesse deutlich zu simplifizieren, um sie für mobile Zugriffe zu öffnen. Mobile Anwendungen werden nach Überzeugung der Forrester-Analysten für eine Atomisierung bisher komplexer Geschäftsprozesse sorgen. In der Folge davon wird es zu einem Re-Design der Prozesse kommen.

Auch die Server und Infrastrukturen sind schlecht auf den explodierenden Umfang der mobilen Aktivitäten vorbereitet. Das Jederzeit und Überall moderner Anwendungen und die angesprochen Atomisierung der Prozesse sorgen für ein explosionsartiges Anwachsen der Menge an Transaktionsdaten.

Schon heute erzeugen Cloud-Dienste und soziale Netzwerke wie Dropbox, Twitter oder Salesforce.com mehr als die Hälfte ihres Traffics mit mobilen Geräten. Netzwerke, Middleware oder Datenbanken, die einst für den gelegentlichen Zugriff von PCs dimensioniert wurden, werden unter der zu erwartenden Datenlast in die Knie gehen, wenn nicht aktiv gegengesteuert wird.

CIOs brauchen eine Mobil-Strategie

CIOs brauchen also eine tragfähige Mobil-Strategie, um das Wachstum im Mobilbereich und die Folgen für die Infrastruktur planmäßig angehen zu können. Wie einst der PC Änderungen in der Rechenzentrumsarchitektur notwendig machte, sind es nun die mobilen Geräte, die aus Informationstechnologie eine "Business Technologie" machen. CIOs sollten also nicht nur kurzfristig dafür sorgen, dass die Mitarbeiter mit mobilen Anwendungen ausgestattet werden.

Im Sinne des Forrester-Reports sollen sie die Mobility als Ausgangspunkt nehmen, um die Geschäftsprozesse des Unternehmens neu zu durchdenken. Auch wenn die CIOs nicht jedes daraus folgende Projekt und Budget kontrollieren können: Aufgrund ihrer technologischen Expertise sind sie die richtigen, um ihre Unternehmen nach ersten Pilotphasen in eine zweite Etappe zu führen, bei der es um die Umgestaltung der Architekturen geht.