Druck durch Virtualisierung

Die Strategien der Server-Hersteller

25.08.2010 von Hartmut  Wiehr
Anzeige  Wenn sich Virtualisierung durchsetzt, werden Anwender immer weniger physikalische Server kaufen. Deshalb entwickeln einige Server-Hersteller bereits Gegenstrategien.

Mit Virtualisierung ist es für viele Unternehmen möglich geworden, die Anzahl ihrer physikalischen Server zu reduzieren. Sie konsolidieren Server und Anwendungen, indem sie mehrere virtuelle Maschinen auf einer einzigen physikalischen Maschine konzentrieren und in diesen abgekapselten Umgebungen Applikationen implementieren.

Sieht von außen wie ein herkömmliches Blade-System aus: Aber der UCS-Server (Unified Computing System) von Cisco kann weit mehr - Virtualisierung auf einer neuen Stufe. (Foto: Cisco)

Eine der Folgen dieser Entwicklung sind zurückgehende Verkaufszahlen für x86-Server, die nicht mehr nur mit der Wirtschaftskrise alleine erklärt werden können. Der übliche Austausch- oder Abschreibungszyklus lag bisher immer bei vier bis fünf Jahren, doch mit der weiteren Ausbreitung von Virtualisierung werden viele Server nicht mehr ersetzt werden.

Die großen Server-Hersteller haben sich allerdings schon längst auf den Virtualisierungstrend eingestellt. Sie haben entweder wie Dell die "virtuelle Ära" ausgerufen (will heißen, alle Produkte und Angebote sind jetzt irgendwie "virtuell") oder ganz einfach eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Anbietern von Virtualisierungs-Software in Gang gesetzt. Neben allen möglichen Bundles sind es ihre eigenen Angebote für das Management der virtuellen Umgebungen auf ihren Maschinen, mit denen sie am großen Trend teilhaben wollen. Oder sich eben nach neuen Geschäftsfeldern im Server-Umfeld umsehen, wenn der Hardware-Verkauf nicht mehr so läuft wie früher.

Ihnen kommt allerdings auch eine Eigentümlichkeit des Trends zu mehr Virtualisierung zugute: Damit virtuelle Maschinen so richtig funktionieren, braucht es mehr Rechenleistung, I/O-Kapazität und Speicherplatz an der Basis, über der die neue Technologie implementiert wird.

Das können dann mächtigere physikalische Server sein mit immer stärkeren, leistungsfähigeren CPUs mit mehreren Cores plus skalierbaren Speichergeräten. Hersteller wie Cisco und Hewlett-Packards sind aber noch einen Schritt weiter gegangen und haben jeweils ihre eigene "Converged Infrastructure" geschaffen. Cisco hat hierzu eine "Allianz" mit EMC und VMware geschaffen, HP geht selbständig vor und verfügt bereits über die meisten notwendigen Komponenten im eigenen Haus.

Neue Blade-Strukturen durch Virtualisierung

"Converged" meint hier, dass sie Pakete oder Gesamtlösungen herausgebracht haben, die Server, Storage und Netzwerkkomponenten in einer gemeinsamen Architektur miteinander koppeln. Die Pakete sehen dann so aus wie ein großer Server mit sehr viel Rechenleistung und Kapazität, der leicht in viele virtuelle oder physikalische Maschinen unterteilt werden kann.

Der bis heute gängigste Weg, mehrere Server zusammenzupacken, sind Blades, die in einem gemeinsamen Chassis angeordnet sind. Sie brauchen wenig Platz, haben aber offensichtliche Nachteile. Dazu zählen sehr große Hitzeentwicklung und enormer Energieverbrauch. Nach Auskunft von Administratoren stellen sie auch einen Alptraum dar, was Installation und Verwaltung angeht, weil sie über zahlreiche, jeweils eigene Netzwerkanschlüsse und Verkabelungen pro Blade verfügen.

Server-Schränke mit virtuellen I/O-Verbindungen reduzieren die Anzahl der installierten HBAs (Host Bus Adapter) und NICs (Network Interface Card), weil sie die einzelnen Blades direkt anschließen. Das vermindert darüber hinaus die Hardware-Kosten und erhöht die Bandbreite pro Blade.

Der Analyst John Rymer von Forrester nennt dieses Konzept „verteilte Virtualisierung" (distributed virtualization), wenn es für Applikations-Server angewendet wird. Das Ziel dieser Architektur sei es, hohe Rechenleistung durch Virtualisierung aller Elemente zu erreichen, die eine Anwendung braucht, und sie je nach Bedarf dynamisch zuzuteilen.

Neben HP und Cisco haben sich kleinere Anbieter wie Xsigo Systems oder Aprius auf dieses Vorgehen spezialisiert.

Converged-Infrastructure-Konzepte sind laut IDC erfolgreich

Wie ein IDC-Report vom April 2010 berichtet, ist es Cisco und HP bereits innerhalb des ersten Jahres nach Markteinführung der neuen Server-Architekturen gelungen, zahlreiche Kunden dafür zu gewinnen. Doch beide Hersteller kämpfen laut IDC noch immer mit der weit verbreiteten Ansicht bei den Anwendern, dass sämtliche Blade-Szenarien teurer als klassische Server seien. Herkömmliche Blade-Server machen bisher lediglich 15 Prozent des weltweiten Server-Marktes aus, weil sich viele Anwender nicht dafür begeistern konnten.

Anwender fürchten auch, sich mit dem Kauf einer „Converged Infrastructure" in ein Lock-in-Verhältnis zu dem jeweiligen Hersteller zu begeben, da dieser ja alle Komponenten wie Server, Storage und Netzwerk "aus einer Hand" anbietet.

Die Skaliermöglichkeiten des neuen Infrastrukturmodells könnten jedoch nicht nur große Unternehmen überzeugen. Insgesamt scheint sich die Landschaft für Server und Storage zu verändern. Am Horizont erscheint ein mainframe-artiger Rechner auf x86-Basis.