Ernst & Young Studie

Die Strategien gegen Fachkräftemangel

13.02.2012 von Werner Kurzlechner
Mitarbeiterbindung hat derzeit bei Mittelständlern Vorrang vor der Neu-Rekrutierung. Doch nutzen sie viele andere Möglichkeiten noch nicht aus.

Mitarbeiterbindung hat derzeit im deutschen Mittelstand Vorrang vor der Rekrutierung neuen Personals. Das geht aus einer Studie der Wirtschaftsprüfer und Berater von Ernst & Young hervor, die die Reaktionen kleiner und mittlerer Unternehmen auf die Herausforderung des Fachkräftemangels beleuchtet. Talent Management ist demnach mittlerweile auch im Mittelstand als sinnvolle und wichtige Strategie erkannt worden – wenngleich unter anderen Vorzeichen als in Konzernen.

„In Großunternehmen ist Talent Management häufig als elitärer Ansatz zur Förderung einiger weniger High Potentials zu finden“, heißt es in der Studie. Derartig komplexe und professionelle Programme und Systeme seien jedoch nicht eins zu eins auf den Mittelstand übertragbar. Dort gelte vielmehr die Devise, dass jeder Talent – sprich Begabungen – habe: „Damit ist Talent Management als Strategie zur Fokussierung aller Personalpraktiken auf die mit dem demografischen Wandel verbundenen Herausforderungen zu verstehen.“

Buhlen um Schüler und Studenten: Mit diesen Maßnahmen will der Mittelstand personelle Nöte vermeiden.
Foto: Ernst & Young

Gerade den kleineren Firmen schärft Ernst & Young ein, neue und insbesondere IT-unterstützte Wege in der Personalpolitik zu beschreiten. „Begrenzte Kapazitäten und knappe Recruiting-Budgets verlangen innovative und trotzdem kostengünstige Ideen in der Bewerberansprache“, heißt es weiter in der Studie. Der Fachkräftemangel zwinge gerade Mittelständler dazu, sich noch besser auf die verschiedenen Zielgruppen einzustellen und sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren.

Wie man an die Generation Y rankommt

Gerade um die nach 1980 geborene „Generation Y“ anzusprechen, seien die Möglichkeiten des E-Recruitings voll auszuschöpfen, so Ernst & Young. Damit gemeint sind explizit Präsenz auf Karriere-Websites, Stellenausschreibungen auf Online-Jobbörsen und Rekrutierung über Social-Media-Foren. Laut Studie haben inzwischen 44 Prozent der Mittelständler erkannt, wie wichtig Internet-Recruiting ist.

Gerade auf das junge Reservoir an potenziellen Mitarbeitern haben es die Mittelständler laut Studie vorrangig abgesehen. 62 Prozent der Mittelständler wollen nach eigenen Angaben frühzeitig junge Talente wie Schüler und Studenten identifizieren und für das Unternehmen zu gewinnen. 55 Prozent der befragten Unternehmen konzentrieren sich vor allem auf die Rekrutierung regionaler Mitarbeiter.

Firmen vernachlässigen viele Zielgruppen

Nur 29 Prozent der Studienteilnehmer richten demgegenüber ihr Augenmerk auf die Rekrutierung von Frauen, Migranten oder älteren Mitarbeitern. International scouten ebenfalls nur wenige. Lediglich ein Fünftel der Befragten spricht gezielt potenzielle Kandidaten im Ausland an. „Dabei sind es gerade diese Zielgruppen, die Unternehmen nicht vernachlässigen dürfen, wenn sie auch zukünftig ihren Bedarf an neuen Mitarbeitern decken wollen“, warnt Jens Maßmann, Managing Partner Performance & Reward bei Ernst & Young. „Nur die altbewährten Rekrutierungsmaßnahmen werden langfristig nicht mehr reichen.“

45 Prozent der Unternehmen geben an, Rekrutierung und Selektion von Job-Kandidaten habe für sie derzeit hohe Relevanz im Personalbereich. Weitaus größer aber noch ist der Anteil von 69 Prozent, die die Wichtigkeit der Bindung von Mitarbeitern betonen.

29 Prozent der Befragten planen laut Studie, ihr Budget für Rekrutierung sowie Mitarbeiterbindung und -entwicklung zu erhöhen, nur zehn Prozent werden ihre Talent-Management-Ausgaben in den nächsten drei Jahren senken. 27 Prozent der Umfrageteilnehmer planen Gehaltserhöhungen, um Mitarbeiter stärker an ihr Unternehmen zu binden.

Benefits für Mitarbeiter

Jeweils mehr als zwei Fünftel der Mittelständler nennen die Wertschätzung von Leistungen der Mitarbeiter, die Steigerung der Arbeitgeberattraktivität, eine anziehend wirkende Unternehmenskultur und erkennbare Perspektiven für die Angestellten als Grundvoraussetzungen für eine nachhaltige Personalpolitik. Ganz oben auf dieser Liste stehen mit 45 Prozent flexible Arbeitszeitmodelle, mit denen auch in der Praxis gepunktet werden soll. 86 Prozent der Befragten bieten in irgendeiner Form flexible Arbeitszeitlösungen an.

Konkret setzen jeweils mehr als 90 Prozent der Firmen auf Anreize wie Diensthandys und Firmenwagen, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. „Aber solche Incentives reichen heute nicht mehr aus, um Top-Talente an sich zu binden“, merkt Ernst & Young an. Entsprechend verbreitet sind weitere Anreize wie Bonifikationen und Teamziele, die in 86 Prozent beziehungsweise 72 Prozent der Firmen zum Repertoire zählen.

Firmen kooperieren bei Personalsuche zu wenig

Die Berater bekritteln allerdings, dass der Mittelstand im Wettbewerb mit Großunternehmen zu selten auf Zusammenarbeit setze. „Den Kampf gegen den Fachkräftemangel nehmen die meisten Unternehmen alleine auf, anstatt strategische Netzwerke zu nutzen“, so Ernst & Young. Nur ein Viertel der befragten Unternehmen arbeitet laut Studie im Personalbereich mit anderen Unternehmen oder Partnern zusammen.

Je höher der Umsatz eines Unternehmens, desto größer ist jedoch die Bereitschaft dazu. So kooperieren immerhin 32 Prozent der mittelständischen Unternehmen mit über 100 Millionen Euro Jahresumsatz mit einem oder mehreren externen Partnern. Davon arbeitet die Hälfte mit anderen Unternehmen zusammen, 33 Prozent kooperieren mit öffentlichen Einrichtungen wie Universitäten und 15 Prozent nutzen Firmennetzwerke. „Eine solche Kooperation ist gerade für mittelständische Unternehmen ideal, um im Wettbewerb mit den großen Konzernen mithalten zu können“, sagt Management Partner Maßmann.

Die Studie „Agenda Mittelstand. Talent Management im Mittelstand – mit innovativen Strategien gegen den Fachkräftemangel“ enthält weitere Empfehlungen der Berater und steht auf der Website von Ernst & Young zum Download bereit.