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Diese 10 Dinge hat das Internet getötet

26.07.2019
Von Sex und Nigeria bis hin zu Lexika und Stammtisch- Argumenten: Das Web hat viele Werte des Lebens stark in Mitleidenschaft gezogen und verändert.
Für manche Menschen ist das Internet die Killerapplikation.
Foto: JoeZ - shutterstock.com

Von Zeitungen und den Gelben Seiten bis hin zur eigenen Privatsphäre - das Internet kann des Mordes beschuldigt werden, es hat mehr Dinge verändert, ruiniert oder verdrängt als irgendetwas zuvor. Einige Behauptungen sind konkreter als andere, aber das Netz rollt wie eine Lawine durch unser Leben.

Hier sind die zehn Dinge, die durch das Internet praktisch ausgestorben sind - und die vier, die trotzdem florieren:

1. Der Glaube an Enzyklopädien

Früher war der Brockhaus die unantastbare Wissensquelle der meisten Menschen. Was dort stand, war wahr. Als Kind schauten die meisten noch ehrfürchtig ins Bücherregal und sahen sich unermesslichem Wissen gegenüber. Heute - dank Wikipedia - versteht man unter "enzyklopädischem Wissen" etwas ganz anderes und es ist nicht unwahrscheinlich, dass der letzte Artikel den Sie gelesen haben von einer 12-Jährigen zusammengebastelt wurde.

Nach einer Studie aus dem Jahr 2005 durch die britische Zeitschrift "Nature" wurden die Britannica und die Wikipedia als vergleichbar fehlbare Wissensquellen entlarvt - das Vertrauen in Enzyklopädien ist dadurch erneut gesunken. Britannica kritisierte diese Studie zwar als fehlerhaft, aber da war es bereits zu spät. Das Internet macht Wissen global, multimedial, immer verfügbar und umfassend - gravierende Vorteile. Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt.

2. Stammtischargumente

Google, andere Suchmaschinen und Wissensquellen im Internet machen Wissen immer und überall verfügbar. Früher durfte man noch stundenlang in einer Kneipe verbringen und über dieses und jenes Thema philosophieren; war man unterschiedlicher Meinung, dann zählten die besseren Argumente, die Glaubwürdigkeit und der Ruf des jeweiligen Kontrahenten. Heute zückt jemand ein Smartphone und zerstört den Traum vom eigenen, analog gespeicherten Wissen in Sekunden.

Fragen zu zukünftigen Ereignissen - wer gewinnt die Wahl, wer gewinnt das nächste Fußballspiel? - waren emotionale Themen, die nahezu unerschöpfliche Diskussionen ermöglichten, notfalls mit einem weiteren Bier gerüstet konnte man sich dem hingeben, was Generationen vor uns schon gerne getan haben. Von der platten Parole bis hin zu fundiertem Wissen konnte man alles finden. Doch heute spielen andere Dinge eine Rolle: Statistiken, knallharte Fakten, aktuelle Informationen. Manch einer wird sich fragen, wo bleibt da der Spaß?

Platz 3-5: Heiße Exfreundinnen, Manieren und ganze Alben

3. Heiße Exfreundinnen und alte Helden

Egal wie es gerade um die aktuelle Beziehung steht, es war schon immer schön, sich ein paar Minuten der Sehnsucht nach alten Helden und Flammen hinzugeben. Im Geist waren diese dann genauso berauschend wie vor Jahrzehnten, als man zusammen einen heißen Sommertag verbracht hat oder mit offenem Mund seinem Fußballidol beim Einlaufen zusah. Aber jetzt sind sie alle bei Facebook und man weiß mehr als man manchmal wissen möchte. Dazu kommt, dass aktuelle Bilder einem ins Bewusstsein rufen, dass der einstige Held und die große Jugendliebe genauso alt und fett geworden sind wie man selbst.

Gibt es für manchen auch eine gute Nachricht? Es gibt einen Grund dafür, warum Facebook in älteren Studien als Mitursache für 20 Prozent der Scheidungen genannt wurde. Aber trauen Sie nicht jedem: Britische Forscher stellten einen Anstieg der sexuell übertragbaren Krankheiten fest, zum Teil, so sagten sie, könnte man das auf soziale Netzwerke und die dadurch grundlegend veränderten Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme zurückführen.

4. Stille Zurückhaltung und gute Manieren

Die Möglichkeiten für stille Zurückhaltung und effektive Dementis hat das Internet ausgelöscht. Das Zerreißen, Diskutieren und Zerlegen von Geschehnissen und Gerüchten ist zu einer eigenen Form der Unterhaltung geworden; ganze Seiten widmen sich diesem Thema und bieten Gott und der Welt die Möglichkeit, zu allem ihren Senf abzugeben. Man denke nur an das Youtube-Format "Die Zerstörung von xyz". Es verwundert auch nicht, dass man in Internetforen und auf anderen Plattformen selten einen guten Umgangston antrifft. Zwar gibt es auch im Internet Orte, an denen gute Manieren zählen und Verstößen effektiv geahndet werden - aber dass diese immer seltener werden, sticht deutlich ins Auge.

5. Das Anhören von ganzen Alben

Erinnern Sie sich daran, wie Sie mit leuchtenden Augen Ihre erste CD (oder gar Schallplatte) der Lieblingsband in den Player (bzw. auf den Plattenspieler) geschoben haben? Wie Sie der runden Scheibe voll Ehrfurcht die ersten Töne entlockt haben? Ihre Kinder werden das recht sicher nicht mehr erleben. Nicht nur das Konzept von Musik allgemein verändert sich durch das Internet und die Möglichkeiten der "molekularen" Verteilung im 20. Jahrhundert, sondern der Gedanke eines Albums an sich wird infrage gestellt. In den vergangenen Jahren sank der Umsatz mit kompletten Alben - sogar inklusive der Online-Versionen - um 55 Prozent auf weniger als 400 Millionen im Jahr 2009. Im gleichen Zeitraum ist der Umsatz mit einzelnen Songs von null auf fast 1,2 Milliarden angestiegen.

Apple iTunes und File-Sharing-Netzwerke haben das Anhören und Entdecken kompletter Alben eines Künstlers völlig verdrängt, mehr als ein Lied von einem Künstler am Stück hört sich kaum noch jemand an. Unsere Kinder werden uns vielleicht bemitleiden - aber wenn man ehrlich ist, wissen sie vielleicht einfach nicht, was sie da verpassen.

Platz 6 - 10: Von Nigeria bis hin zum Sex

6. Fachkenntnisse

Vor den Zeiten des Internets brauchten Sie messbare Verdienste und Auszeichnungen, um sich auf einem Gebiet Experte nennen zu dürfen. Alles was Sie jetzt brauchen, ist ein Blog oder einen Youtube-Account und eine ausreichender Menge an Dreistigkeit und Elan. Einer Umfrage von PR Week zufolge nennen sich 52 Prozent der Blogger selbst "Journalisten." Die Bezeichnung "Schreibkraft" wäre eben nicht annähernd so beeindruckend.

7. Nigerias Ruf

Vor einiger Zeit war Nigeria eine souveräne afrikanische Nation, deren primärer Exportartikel Erdöl war. Nun scheinen die primären Exportschlager gefälschte E-Mails zu sein, in denen nach Menschen gesucht wird, die Ex-Ministern der Regierung beim Stehlen einiger Millionen Dollar helfen sollen. Der Name des Landes ist zum Synonym für fortschrittlichen Betrug per E-Mail geworden, besser bekannt als Vorschussbetrug oder "419-Scams", bezogen auf dem Abschnitt der nigerianischen Gesetze, der dadurch verletzt wird.

8. Korrekte Rechtschraibung

Man kann der SMS und Twitter die Schuld für den schleichenden Tod der Sprachen dieser Welt geben, aber die entspannten Standards für Blogger und selbst ernannte Journalisten und die neuen Gepflogenheiten im Umgang mit der eigenen Sprache spielen ebenfalls eine große Rolle. Hoffentlich vergisst der letzte Redakteur nicht, das Licht auszumachen.

9. Berühmtheit

In den alten Tagen musste man in der Regel gut aussehen oder besonders talentiert sein, um berühmt zu werden. Nun, dank Reality-TV, Video-Websites und anderen Internet-Plattformen, stehen Ihre Chancen dann am besten, wenn sie besonders dick, dement oder ausgebufft sind. Wenn Sie hunderttausend Fans bei Twitter haben, dann zählt es eben nicht mehr, ob ihre letzten Leistungen ein absoluter Flop waren. Es muss erhebend sein, wenn einem plötzlich das halbe Land zuhört - vorher aber nicht mal der Nachbar wusste, wer man ist.

10. Sex

Früher war er so geheimnisvoll und verlockend. Um zu sehen, wie zwei andere Fremde es zu tun, musste man entweder in ein Theater im lokalen Rotlichtbezirk gehen oder zu einem Voyeur werden. Heute findet man Pornografie überall, neue Celebrity-Sex-Videos (natürlich meistens aus Versehen an die Öffentlichkeit gelangt) erscheinen alle paar Wochen online. Mit den anatomischen Details so mancher Stars sind viele Internetnutzer besser vertraut als deren Frauenarzt (man denke etwa an Paris Hilton). Sex ist dank Internet reichlicher vorhanden als je zuvor - doch geheimnisvoll und sexy, das ist er eben nicht mehr so wie früher.

Vier Dinge, die das Netz (noch) nicht getötet oder ruiniert hat

1. Irrationalität

Man könnte meinen, dass das Platzen der Dotcom-Blase den Menschen eine Lehre war. Dann liegt man aber falsch. Der überschwängliche Glaube an den Triumph der neuen Technologien hat sich nur auf Social Media Sites verschoben. Doch niemand sollte sich zu früh freuen.

2. Vertrauen in die Weisheit der Menge

Es liegt nicht unbedingt klar auf der Hand, aber beliebte Internetseiten und Suchmaschinen, die schlichtweg allen die Möglichkeit bieten, anderen Informationen zukommen zu lassen, sind selten die besten. Bei einem zweiten Blick stellt sich schnell heraus, dass die Massen nicht klüger sind als Einzelpersonen. Sie sind einfach lauter.

3. Der analoge Einzelhändler

Einzelhändler (tatsächlich offline) sind immer noch zu finden, trotz der Bemühungen von Amazon und anderen Online-Händlern. Schön, dass sie noch leben, auch wenn die fetten Jahre vorbei sind. Man darf aber nicht vergessen, dass der Online-Handel sich langsam aber sicher auch auf die klassischen Domänen der Ladengeschäfte stürzt (man denke an Schuhe).

4. Täuschung

Das Internet ermöglicht es den Menschen, etwas ganz anderes darzustellen, als sie wirklich sind. Man kann sich neu erfinden: Sie sind ein unauffälliger, mittelalter Man vom Lande, der seine Zehen seit 10 Jahren nicht mehr gesehen hat - aber Ihr MMRPG-Avatar ist 24 und so heiß, dass sich die Frauen an ihm verbrennen. (PC-Welt)