Visualisierung kann dem Gedächtnis helfen

Durchblick im Wald der Passwörter

02.10.2008 von Nicolas Zeitler
Fünf Passwörter, fünf PINs, zwei Nummernschilder, drei Sicherheits-Identifikationsnummern und drei Bankkontonummern - all das muss sich der Durchschnittsmensch merken, nur um sein alltägliches Leben zu meistern. Vielen wächst die Fülle der Buchstaben- und Zahlenkombinationen über den Kopf. Ein Psychologe rät: Wer sich Passwörter bildlich vor Augen ruft, kann sie sich besser merken.

Ohne Geheimzahlen und Passwörter kommt niemand mehr durch den Alltag: Wer sich am Geldautomaten bedienen möchte, muss seine PIN eintippen, am Rechner im Büro sind häufig kryptisch anmutende Buchstaben-Zahlenfolgen für die Anmeldung am Firmennetzwerk oder dem geschäftlichen Mail-Konto einzugeben. Und viele mussten wohl schon einmal die Hotline bemühen oder sich gar eine neue PIN für die ec-Karte zuschicken lassen, weil sie eine der Sicherheitskombinationen vergessen hatten.

Kein Wunder, wie ein Artikel unserer amerikanischen Schwesterpublikation CIO.com deutlich macht: So belegt eine Untersuchung des Psychologen Ian Robertson vom Institut für Neurowissenschaften am Trinity College in Dublin/Irland, dass der Durchschnittsmensch mittlerweile ohne eine ganze Reihe von Zahlen und Geheimwörtern nicht mehr auskommt.

Auch eine Untersuchung von Microsoft unter Internetnutzern aus dem Jahr 2007 belegt das. Demnach hat der durchschnittliche Internetnutzer 6,5 Passwörter, von denen er jedes für den Zugang zu beinahe vier verschiedenen Seiten nutzt. Insgesamt verfügt er über etwa 25 Nutzerkonten, für die er ein Passwort braucht, und tippt täglich um die acht mal ein Passwort ein.

60 Prozent von Robertsons Studienteilnehmern gaben an, sie könnten sich wahrscheinlich nicht in jedem Fall immer an das gerade geforderte Passwort erinnern. Die Folge: Viele legen sich gleich leicht zu merkende und damit häufig auch unsichere Passwörter zu - die Namen des eigenen Hundes oder Kinds führen die Liste an. Andere setzen auch technische Lösungen, mit denen sich die alphanumerischen Daten speichern lassen.

Auch Lösungen etwa zur Gesichtserkennung gibt es auf dem Markt mittlerweile häufig. Diese Zugangsart erspart es dem Nutzer, sich Kombinationen zu merken.

Viele können eigene Telefonnummer nicht auswendig

Psychologe Roberton plädiert indes dafür, das Problem an der Wurzel anzupacken. Seiner Ansicht nach können sich viele nicht an Zugangscodes erinnern aufgrund der speziellen Art und Weise, wie ihnen beigebracht wurde, sich an etwas zu erinnern. "Dabei könnten wir uns ohne weiteres zwei Dutzend Passwörter merken, wenn wir nur einige gewöhnliche Erinnerungstechniken richtig einsetzen würden", behauptet er.

Wie mit jedem anderen Körperteil, so sei es auch mit dem Gehirn: Wer es nicht benutzt, lässt es verkümmern. Vor allem Jüngere laufen Robertson zufolge Gefahr, ihre grauen Zellen zu unterfordern. Seiner Studie zufolge kann fast jeder Dritte unter 30 seine heimische Telefonnummer nicht auswendig aufsagen, weil er sie in den meisten Fällen im Mobiltelefon gespeichert hat.

Übung stärkt das Gedächtnis

Auch darin, sich an wichtige Daten wie die Geburtstage von Freunden oder nahen Familienmitgliedern zu erinnern, schnitt die Generation derer unter 30 deutlich schlechter ab als die Befragten jenseits der 50. Von letzteren hatten 87 Prozent solche Angaben parat, von den Jüngeren nur vier von zehn.

Auch andere Untersuchungen erhärten die These, dass das Gehirn Training braucht. So schreiben Forscher der Universität Stanford, dass die Fähigkeit des Gehirns, Unwichtiges zu unterdrücken, es erleichtern könne, sich an wirklich Wichtiges zu erinnern. Dieser Mechanismus könnte etwa dann zum Tragen kommen, wenn ein Passwort alle sechs Monate geändert werden muss. Psychologie-Professor Anthony Wagner sieht im Vergessen eines alten Passworts einen Schlüssel dazu, das Gehirn effizienter zu machen.

Um sich Passwörter leichter merken zu können, rät Ian Robertson dazu, sie zu verbildlichen. Bei Zugangsdaten, die nur aus Ziffern bestehen, ist das noch relativ einfach. Dazu muss man sich zunächst für jede Zahl von eins bis zehn einen leicht zu merkenden Begriff einfallen lassen, der sich darauf reimt - zum Beispiel die Ziffer Sechs und das Wort Klecks. Die Kombination aus mehreren Zahlen kann man sich dann als Gesamtbild merken.

Passwörter visualisieren

Mit etwas mehr Aufwand sei die Methode auch für Passwörter anwendbar, die Buchstaben enthalten. Allerdings muss man sich dazu zunächst für jeden der 26 Buchstaben des Alphabets ein Bild merken. Robertson jedenfalls ist von dieser Vorgehensweise überzeugt: "Die ersten paar Male wird ihnen das zeitaufwändig und arbeitsintensiv vorkommen", räumt er ein. "Aber wenn sie sich einmal daran gewöhnt haben, können sie sich ohne weiteres zwei bis drei Dutzend solcher Bilder merken."

Dem Wissenschaftler zufolge graben sich solche Bilder viel eher ins Gehirn ein als ein Passwort an sich. Technische Hilfen, um dem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen, will er indes auch nicht gänzlich verteufeln. "Ich will die Menschen nur auffordern, dass sie trotz aller technischen Stützen nicht ganz vergessen, ihr Hirn zu benutzen."