IT-Dienstleistungsmarkt

Dynamische IT-Services aus dem Baukasten

27.08.2008 von Holger Eriksdotter
In einer globalisierten Welt mit zunehmendem Wettbewerbs- und Kostendruck müssen alle Marktteilnehmer die Reaktions- und Anpassungsfähigkeit ihrer Geschäftsprozesse verbessern. Innovative Unternehmen reagieren darauf mit einer zunehmenden Flexibilisierung ihrer IT-Infrastruktur. Von den IT-Dienstleistern erwarten sie neue Konzepte und Lösungen, die den veränderten Anforderungen einer dynamisierten IT-Landschaft gerecht werden.

Kein Zweifel: Die Anforderungen an die Unternehmens-IT sind gestiegen. Angesichts immer kürzerer Innovationszyklen und des zunehmenden lokalen und globalen Wettbewerb kommen der Agilität und Flexibilität der Enterprise-IT eine immer wichtigere Rolle zu. Deshalb müssen Unternehmen, die sich am Markt behaupten wollen, IT von der Unterstützungsfunktion zur Basis neuer Geschäftsmodelle und -prozesse weiterentwickeln, sie vom Kostenfaktor zum Business-Enabler transformieren. Voraussetzung dafür ist die enge Verzahnung von Geschäfts- und IT-Prozessen, die sich nur mit agileren und flexibleren IT-Infrastrukturen erreichen lassen.

Fast selbstverständlich müssen sie dabei gleichzeitig die Forderung nach Qualitätssteigerung und Kostenreduktion erfüllen. Denn klassische Outsourcing-Modelle, die im wesentlichen auf die Senkung der IT-Kosten zielen, sind vielen Unternehmen unterdessen zu wenig. Sie verlangen standardisierte IT-Services, die exakt die Anforderungen einer flexibilisierten Enterprise-IT erfüllen und die dynamischen IT-Infrastrukturen der Unternehmen passgenau ergänzen.

Deshalb müssen die Unternehmen innovative Sourcing-Konzepte entwickeln. Dabei geht es in der Regel darum, sich auf die Kernkompetenzen zu konzentrieren und Tätigkeiten, die nicht direkt zur Wertschöpfung oder zur Differenzierung vom Wettbewerb beitragen, an IT-Dienstleister auszulagern. Den in vielen Fällen macht es für Unternehmen weder strategisch noch aus Kostensicht Sinn, sich mit zusätzlichen IT-Ressourcen und Reserven auszustatten.

Ein immer stärkerer Kostendruck erfordert, gerade in Bereichen, die nicht zu den Kernkompetenzen eines Unternehmens gehören – wie etwa der Betrieb der Enterprise-IT - Kosten variabler und transparenter zu gestalten, um sie skalierbar zu machen und zu reduzieren. Die Botschaft ist in den Unternehmen angekommen: Nach einer vom Marktforschungsunternehmen Pierre Audoin Constultants im Auftrag von T-Systems im letzten Jahr durchgeführten Untersuchung planen mehr als 50 Prozent aller Befragten in naher Zukunft die Einführung eines flexibleren ICT-Konzepts. zu gefährden.

IT-Dienstleister können durch Skaleneffekte und Spezialisierung nicht nur kostengünstiger, sondern auch in besserer Qualität und bedarfsgerecht die benötigten Services liefern. Denn oft stehen die Anwender vor der Situation, dass die Informations- und Kommunikationstechnologie die Geschäftsprozesse nicht optimal unterstützt, sondern in kritischen Phasen zum Flaschenhals für die Umsetzung der Business-Strategie wird. Die Herausforderung für die Unternehmen liegt deshalb auf der einen Seite darin, die ehemals geschlossenen, monolithischen IT-Architekturen zu einer dynamischen Landschaft aus flexiblen, adaptiven und vernetzten Systemen umzubauen.

Auf der anderen Seite müssen die Firmen ein offenes Modell der Zusammenarbeit mit ihren IT-Dienstleistern etablieren. Voraussetzung dafür ist, dass die eingekauften IT-Services so flexibel zu Verfügung gestellt werden und dass sie - zum Beispiel beim Aufsetzen neuer Geschäftsprozesse - schnell und einfach zur Verfügung stehen. Diese Anforderungen erfüllen an besten IT-Leistungen, die wie einzelne Services abrufbar und auch so – also nach tatsächlicher Nutzung - abzurechnen sind.

Foto: T-Systems

Die IT-Servicedienstleister haben die Herausforderung erkannt. Gerade die großen IT-Dienstleister, die auch ein Komplett-Outsourcing anbieten, schneiden aus ihrem Full-Size-Angebot zunehmend standardisierte und automatisierte Services, die einzeln und bedarfsgerecht eingekauft werden können. „Die Arbeitswelt ist schon immer arbeitsteilig organisiert – das erfasst jetzt den IT-Bereich und sorgt für die Industrialisierung von IT-Services“, sagt Peter Dück, Vice President bei Gartner.

Während Analysten und Marktbeobachter von einer „Industrialisierung“ der IT-Dienstleistungen sprechen, verkaufen die verschiedenen Anbieter diese Services mit unterschiedlichen Bezeichnungen wie „On Demand Computing“, „Agile Enterprise“, „Dynamic Computing“ oder „Adaptive Enterprise“. Der deutsche Marktführer T-Systems hat dafür den Begriff „Dynamic Services“ geprägt. Dynamic Services stellen nach T-Systems-Definition „standardisierte und automatisierte ICT-Leistungen und -Services bereit. Sie umfassen dabei sowohl traditionelle Telekommunikationsressourcen, wie Netzwerk- und Datentransferkapazität, als auch die IT-Ressourcen Speicherkapazität und Rechenleistung bis hin zur kompletten End-to-End Applikationslösungen.“

Beratungshäuser wie McKinsey sagen nach eigenen Umfragen bereits einen Paradigmenwechsel im Markt für IT-Dienstleistungen voraus. CIOs wollen vermehrt Lösungen statt Technik einkaufen – von standardisierten, nach Verbrauch abgerechneten Services bis zu durchgängigen End-to-End Lösungen für IT und TK. Die Rolle der Enterprise IT verlagert sich damit weg von der Erzeugung und hin zum Management der benötigten IT-Ressourcen.

Indem Unternehmen mit dynamischen Services ihre IT-Ressourcen bedarfsgerecht anpassen und beziehen können, wird das Vorhalten nicht genutzter (Reserve-)Kapazitäten überflüssig. Damit entfallen die Investitionen in Leerkapazitäten und die laufenden Kosten für deren Aufrechterhaltung, die Investitions- und Betriebskosten sinken. Ebenfalls entfällt die Bindung von Kapital, da industrialisierte Services nach Bedarf bezogen werden können und keine initialen Investitionen notwendig sind. Wichtig dabei ist allerdings, dass eine Anpassung der bezogenen Services in beiden Richtungen möglich sein muss: Nicht nur eine höhere, sondern auch eine geringere als die veranschlagte IT-Leistung muss in der Abrechnung berücksichtigt werden können, damit bei einem dauerhaft niedrigeren Bedarf nicht wieder ungenutzte Leerkapazitäten zu Buche schlagen.

Im Erfolgsfall nimmt durch dieses Modell die Komplexität der Enterprise-IT ab und die Transparenz zu. Zudem tragen das regelmäßige Monitoring und Reporting zur Kostentransparenz und Planungssicherheit des eigenen „Verbrauchs“ bei. Denn das Messen und Kontrollieren der verbrauchten Leistung ist im Vertragsverhältnis zu einem Dienstleister Abrechnungsgrundlage – und wird schon deshalb meist präziser und gründlicher durchgeführt, als es üblicherweise bei selbstbetriebener IT der Fall ist. Die tatsächlich anfallenden Kosten für Betrieb und Administration der eigenen IT-Landschaften sind heute von den Unternehmen oft nicht exakt bezifferbar, schwer zu planen und zu kontrollieren. Der hohe Anteil an manuellen Tätigkeiten ist ressourcenintensiv, fehleranfällig - und nicht selten ineffizient. Dynamische Services sind dagegen in hohem Maße standardisiert und automatisiert und versprechen einen gesicherten Qualitätslevel.

Die Palette der standardisierten Services umfasst nahezu alle Felder, die ein Unternehmen für den Betrieb seiner IT benötigt: Von reiner Rechenleistung, Plattenkapazität oder dem Betrieb (von Teilen) der Netzwerk-, Server oder Telekommunikations-Infrastruktur, über die gesamte Desktop-, E-Mail und Messaging-Infrastruktur oder der Daten- und Dokumentenarchivierung bis hin zum Management und Betrieb der gesamten SAP-Applikationslandschaft.

Foto: T-Systems

Also eine schöne neue IT-Welt, in der sich der CIO aus einer großen Palette von IT-Dienstleistungen nach dem Baukastenprinzip bedient und je nach aktueller Geschäftsanforderung bedarfsgerecht zusammenstellt? Die Vorteile sind unbestreitbar – aber es gibt noch gewichtige Hemmnisse, die einem schnellen Umbau der in Jahrzehnten gewachsenen IT-Strukturen entgegenstehen.

In vielen Fällen sind die monolithischen IT-Architekturen und die gewachsenen und heterogenen IT-Landschaften der Unternehmen noch nicht reif, für den großflächigen Einsatz dynamischer Dienstleistungen. Zudem handelt es sich um einen grundlegenden Umbau der Infrastruktur, die eines ausgeklügelten Sourcing-Konzepts und auch eines anderen Verständnisses von IT-Organisation bedarf. Und nicht zuletzt fürchtet so mancher IT-Leiter, mit dem Auslagern von Teilen der Enterprise-IT an Kontrolle – und auch an Einfluss - zu verlieren.

Die IT-Dienstleister, die mit ihren neuen Modellen noch am Anfang einer langfristigen Entwicklung stehen, müssen deshalb ihre Kunden noch mehr von dem Potenzial und den Vorteilen der neuen Konzepte und Lösungen überzeugen - und ihre Dienstleistungen noch genauer auf deren aktuellen Bedarf der Unternehmen zuschneiden.

Der Trend zur Industrialisierung und Standardisierung von IT-Dienstleistungen ist indes unverkennbar und nicht aufzuhalten. Aber während sich auf der Anbieterseite zunehmend die Erkenntnis durchsetzt, dass sich – zusätzlich zu ihren Angeboten des Komplett-Outsourcing - mit kleinteiligeren, standardisierten Dienstleistungen ein lukrativer Markt erschließen lässt, stehen sich auf der anderen Seite die Kunden oft noch selbst im Weg: „Die Unternehmen sind nach wie vor zu sehr dem ‚Projektdenken' verhaftet. Sourcing-Verträge werden oft noch nach dem Schema ‚Plan – Build – Run' geplant und abgeschlossen. Dabei sind die meisten IT-Dienstleistungen durchaus als standardisierte, konfigurierbare Produkte denkbar“, sagt Gartner-Experte Dück.