Top 10 - Jesper Doub, Bauer Media Group

Ein CIO macht Schlagzeilen

26.11.2009 von Simon Hülsbömer
In der Medienbranche geht es drunter und drüber. Jesper Doub stemmte für die Bauer Media Group trotzdem ein internationales Großprojekt.
Jesper Doub ist stolz auf sein Großprojekt.

Jesper Doub ist weltoffen, selbstkritisch und leistungsorientiert. Nach eigener Einschätzung. Und er belegt diese Charaktereigenschaften sogleich: herzlich im Umgang, erfrischend ehrlich Fehler eingestehend, aber mächtig stolz auf das bisher Erreichte. "Wir haben so etwas Großes vorher noch nie machen dürfen - es war ein Privileg, das aber viele graue Haare gebracht und Nerven gekostet hat", beschreibt er das Großprojekt "TSA - Post Merger Integration of Corporate Services", für das er seit Anfang 2008 fast eineinhalb Jahre neben den täglichen Aufgaben als IT-Chef große Teile seiner Zeit aufgebracht hat. Es galt, die IT- und Finance-Services-Infrastruktur für die Geschäftsbereiche Publikumszeitschriften und Radio der britischen Mediengruppe Emap Plc. nach der Akquisition durch Bauer "on the fly" in ihre Bestandteile zu "zerlegen" und die einzelnen Abteilungen umgehend in einen einheitlichen Betrieb gemeinsam mit den Hamburgern zu überführen.

Bei den Briten

Dass die Arbeit mit deutschen und britischen Kollegen nicht ohne Reibung und kulturelle Differenzen verlief, war abzusehen: Er habe den Briten erst einmal die deutsche Mentalität einimpfen müssen. "Ich kam zu einem englischen Kollegen und fragte 'Das System können wir doch abschalten, oder?' Er sagte sofort: 'Ja, klar' - nur, weil er sich durch meine direkte Frage zu dieser Antwort genötigt sah. Dabei stellte sich heraus, dass das angesprochene System überlebenswichtig war", schmunzelt Doub.

Natürlich seien auch Fehler passiert, stellt der 39-Jährige selbstkritisch fest. So hätte er die Zusammenführung der Abteilungen entschiedener vorantreiben müssen und nicht immer auf jedes noch so kleines Anliegen eingehen dürfen, was einzelne Projektteile - insbesondere das Lizenz-Management - doch sehr in die Länge gezogen habe.

Rückblickend bezeichnet der CIO "sein" Projekt, für das er sich zwischenzeitlich vier Tage pro Woche in England aufhielt, somit auch als große Belastung. "Sie wurde aber erträglich durch die netten und engagierten Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten durfte - ich würde es jederzeit wieder auf mich nehmen", resümiert Doub. Es folgt ein Hoch auf sein Team, das ihm absoluten Rückhalt gebe: Seine 180 Mitarbeiter seien nicht nur fachlich höchst kompetent, sondern auch persönlich sehr integer.

International denken

Was bleibt? Der CIO ist stolz auf den Wandel der Bauer-IT "weg von einer national orientierten hin zu einer europäischen Kooperation". Man habe es geschafft, dass die meisten Mitarbeiter in beiden Ländern mitgezogen hätten: "Allein schon die vielen Leute, die jetzt hier für die Zusammenarbeit Englisch gelernt haben." In den kommenden drei Jahren möchte er dazu beitragen, das norddeutsche Medienhaus zu einem veränderten, internationalen Selbstverständnis zu führen. Dazu gehöre, dass die IT-Leistungen im Wesentlichen aus einem Netz von Kompetenzzentren - vornehmlich angesiedelt in Großbritannien, Polen und Deutschland - erbracht würden, die für alle Landesgesellschaften standardisierte Services für unternehmenskritische Bereiche bereitstellten - nicht aber für die Medienproduktion, weil diese mit einer zu starken Vereinheitlichung nur zu leiden hätte.

Die Chance, dass seine Wünsche angenommen werden, stehen gut: Er sei auch deshalb so gerne bei Bauer, weil die IT-Fachkräfte nicht auf die Rolle der Techniker reduziert würden, sondern dank der Digitalisierung der Medien immer direkter zu den vom Haus hergestellten Produkten beitrügen, so Doub.

Lachen ist gesund

Um auf die eingangs erwähnten Charakterstärken zurückzukommen: Zwei entscheidende - und für die oft unterkühlten Norddeutschen eher ungewöhnliche - hat der Familienvater noch vergessen, nämlich Spontaneität und Humor. So wurde der CIO bei der ersten Vorstellung des Projekts vor der britischen IT-Abteilung gefragt: "Müssen wir jetzt alle Deutsch lernen?" Und Doub antwortete trocken: "Ja, natürlich - Sie dürfen sich aber aussuchen, ob mit hamburgischem oder bayerischem Dialekt…"

Jesper Doub, Bauer Verlag

Position: CIO/Geschäftsleiter IT.

Branche: Medien, Verlagswesen.

Ein CIO muss ... es schaffen, dass die Kollegen im Management und auch die übrigen Mitarbeiter mit ihm und seinem Team die Bedürfnisse und Potenziale des Geschäfts diskutieren und dabei nicht an Technik denken.

Er liest gerade ... Willms Buhse und Sören Stahmer: "Die Kunst, lozulassen - Enterprise 2.0".

Er ärgert sich über … Ignoranz, Selbstgefälligkeit, "störrische Bewahrer".

Ein Leben ohne Blackberry ist für mich… schwer vorstellbar. Aber wenn es mal für einen Tag doch passiert, kann es erstaunlich erholsam sein … oder auch beunruhigend.

Wichtigstes Projekt: "TSA" - Post Merger Integration of Corporate Services.

Beschreibung: Integration der Infrastruktur IT und Finance Services eines akquirierten britischen Medienunternehmens in die Bauer Media Group im laufenden Betrieb; internationale Konsolidierung der SAP-Finanzsysteme, der Kommunikationssysteme (Lotus Notes auf Exchange) sowie Ausarbeitung der Konsolidierung der Data-Center- und Hosting-Systeme; Vollständiges Klonen oder Trennen der gemeinsam genutzten Systemlandschaft (betraf in Großbritannien 43 Radiosender, 59 Zeitschriften und 100 Websites); Integration der neuen Systeme (wurden teils zur Blaupause künftiger Integrationsprojekte); Neuverhandlung Hunderter Lizenzverträge und deren internationale Harmonisierung; Reduzierung des IT-Personals um ein Drittel.

Projektbereiche: IT-Sicherheit; Vernetzung/Telefonie; ERP; CRM; Branchensoftware; Business Intelligence; Datenqualität/-Management; Service-Management; IT-Governance; ECM, Dokumenten-Management, Archivierung; Messaging und Collaboration; IT-Architektur; Konsolidierung (IT-Infrastruktur); Virtualisierung; Storage; Outsourcing; Projekt- und Portfolio-Management; Anwendungsentwicklung.

IT-Umgebung: nahezu alle typischen Bereiche einer IT-Landschaft.

Herausforderungen: Die große Zahl der gleichzeitigen Veränderungen (Trennung der Unternehmen, neue technische Lösungen, Blueprint-Lösungen für die Gruppe und Internationalisierung); die gemeinsame Nutzung von Systemen durch zwei Parteien inklusive deren Trennung; das Management der Mitarbeiter, der Umgang mit den durch das Projekt bedingten Ängsten.

Zeitrahmen: 14 Monate bis zur Trennung aller akquirierten Unternehmensteile (24 Monate waren Plan). Derzeit laufen noch Integrationsprojekte (neue Lösungen), die ebenfalls innerhalb der ursprünglichen 24 Monate fertig sein werden.

Projektmitarbeiter: rund 150 (IT-Mitarbeiter allg.: Deutschland 170, Großbritannien 100).

Projektbudget: Zehn Millionen Euro, letztlich benötigt wurden 5,5 Millionen Euro (IT-Budget allg.: zirka 3 Prozent des Umsatzes - variiert je nach Land).