Jahrbuch zur IT im Gesundheitswesen

Ein Dokument der Widersprüche

19.08.2010 von Hartmut  Wiehr
Das deutsche Gesundheitswesen kann als ziemlich undurchsichtig beschrieben werden. Da tut es natürlich gut, wenn Publikationen wie das "Jahrbuch und Monitoring eHealth & Gesundheitswirtschaft 2010" umfangreiche Informationen und Hintergründe versprechen. Es ist zugleich ein Spiegel der Widersprüche bei der Healthcare-IT.
Wie weit kann im Gesundheitswesen und bei Healthcare-IT gespart werden? Dieser und vielen weiteren Fragen widmet sich das "Jahrbuch und Monitoring eHealth und Gesundheitswirtschaft 2010".

Im Editorial des Jahrbuchs schreibt der Herausgeber Oliver Lorenz: "Bleibt zu hoffen, dass nunmehr auch wieder Tempo bei der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte gemacht wird, denn die eGK ist doch quasi der Schlüssel für viele visionäre Anwendungen. Die jüngsten Verzögerungen lassen da leider wenig Gutes erwarten."

Lorenz verweist darauf, dass er dies schon 2005 im Vorwort des ersten Jahrbuches geschrieben hatte und dass sich leider seitdem gar nichts geändert hätte. Der Satz habe noch heute, fünf Jahre später, Gültigkeit. Er schreibt: "Es ist schlimm, dass dieser Satz Wahrheit geworden ist, und noch schlimmer ist, dass er heute genauso hier stehen könnte. Es bleibt also die Frage zu analysieren, wo die Ursachen dieser Verzögerung (oder gar des Scheiterns?) für das sowohl technologisch als auch gesundheitsökonomisch für Deutschland so wichtige Vorhaben liegen."

Damit ist die Messlatte für diese Publikation ziemlich hoch gelegt. Etwas niedriger wird sie schon wieder dadurch, dass im Folgenden die üblichen Grußworte aus Politik und Verbänden stehen und Dutzende von Seiten in Anspruch nehmen.

Auf insgesamt 154 Seiten findet der geneigte Leser u.a. Aufsätze zu den "Gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen". Sie stammen aus der Feder von Politikern, Staatssekretären und Verbandsvorständen wie August-Wilhelm Scheer vom Bitkom. Lesenswert erscheint besonders der Beitrag von Daniel Strech von der Medizinischen Hochschule Hannover mit dem Titel "Kostendruck vs. Versorgungsqualität – Sparen um jeden Preis?"

Für Strech wirkt sich die vorherrschende Form der Kontrolle über die einzusparenden Mittel in einem Gesundheitswesen, das zunehmend auf ökonomische Effizienz getrimmt wird, nicht nur qualitätsmindernd aus, sondern steigert auch die Ungerechtigkeit in der Gesellschaft.

Der Autor schreibt: "Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, dass vulnerable Patientengruppen – etwa mit geringerem sozio-ökonomischem Status strukturell benachteiligt werden, da diese durchschnittlich schlechter informiert sind über das, was ihnen vorenthalten wird, und ein geringeres (finanzielles und somit juristisches ) Druckpotenzial besitzen, das einzufordern, was ihnen vorenthalten wird." (Seite 32)

Prozessoptimierung und Erfolgsbeispiele

In dem Anschnitt "Prozessoptimierung, eHealth & Vernetzung" geht es um Themen wie "Prozessverbesserungen durch die Konvergenz von Medizintechnik und IT" oder "Erfolgsbeispiele der Standardisierung des Informationsaustauschs zwischen IT-Systemen im Gesundheitswesen", eine Problematik, die vielen Institutionen und Krankenhäusern auf den Nägeln brennt.

Den Krankenhäusern und den Krankenkassen und Versicherungen sind eigene Abschnitte gewidmet. Und im Bereich "Unternehmen & Praxis" sind viele Praxisbeispiele versammelt. Bei den Artikeln nach dem Schema "Herausforderung – Lösung – Ergebnis" handelt es sich aber mehr um die üblichen "Success-Storys" als um echte Erlebnisberichte, die auch Schwächen und Probleme der Installierung eines Systems aufzeigen. Der Lerneffekt ist insofern doch recht begrenzt.

Das Jahrbuch gibt es bei www.wegweiser.de.