So lassen sich richtige Entscheidungen treffen

„Eine Weile in den Fuss-Stapfen anderer laufen“

29.06.2006 von David Rosenbaum
Joseph Badaracco, Professor für Business Ethics an der Harvard Business School und Experte in ethischen Karrierefragen, gibt CIOs Empfehlungen, wie sie gute Managemententscheidungen fällen und mit ihnen Karriere machen können.

Manchmal gibt es mehr als eine richtige Antwort auf eine Problemstellung. Die Option, für die Sie sich letztendlich entscheiden, kann viel über die Werte Ihres Unternehmens und auch Ihren Führungsstil aussagen. Die richtige Entscheidung zu treffen gehört sicherlich zu den schwersten Aufgaben, die ein Manager zu bewältigen hat. Joseph Badaracco jedoch behauptet, dass es einige einfache Methoden gibt, die Ihnen helfen, eine Antwort auf diese schwierigen Fragen zu finden. Zwar machen seine Ratschläge es nicht einfacher, eine Entscheidung zu treffen. Doch sollten sie Ihnen zumindest helfen zu verstehen und zu erklären, warum Sie diese Entscheidung getroffen haben.

CIO: Professor Badaracco, könnten Sie kurz die vier Fragen erklären, die man sich bei der Lösung eines Problems stellen sollte.

Joseph Badaracco: Ja. Die Probleme, von denen ich rede, sind Situationen, die ich „right vs. right“-Probleme nenne. Danach hat jeder zwei Verantwortlichkeiten, und beide muss man gut erfüllen. Die vier Fragen, die dem Menschen wirklich helfen, grundlegende Dinge zu begreifen, sind diese:

1. Welche sind die Konsequenzen aus einer unterschiedlichen Herangehensweise für alle, die davon betroffen sind?

2. Welche Einzelpersonen und welche an dem Problem beteiligten Gruppen haben Rechte, die tatsächlich respektiert werden müssen? Einigen steht mitunter das Recht zu, die Wahrheit zu erfahren. Aktienbesitzer haben das Recht auf gute Rendite und Ähnliches. Jeder muss sich an die Verpflichtung halten, das Gesetz zu beachten, und die Menschen haben das Recht zu erwarten, dass Verwaltungsbeamte dies auch tun.

3. Die dritte Frage behandelt die Botschaften, die man über seine Werte als Führungskraft und über die Werte seines Unternehmens senden möchte. Oft schauen Menschen in diesen schwierigen „right vs. right“-Konflikten wirklich genau hin, und man sendet Botschaften über seinen Charakter und den Charakter der Organisation, die man schaffen möchte.

4. Und die letzte Frage stellt sich dazu, was letztendlich funktionieren wird. Es ist eine Frage des Machiavellismus. Hier muss man geschickt sein. Man kann nicht einfach Konsequenzen beachten und auf Rechten bestehen und über seinen Charakter nachdenken. Man braucht etwas, was wirklich den Unterschied ausmacht. Dann muss man über diese Frage in Zusammenhang mit den vier anderen nachdenken.

CIO: Wenn man nun nur über Konsequenzen nachdenkt und nicht über Rechte? Wohin führt das?

Badaracco: Es wird Probleme machen. Wie ich eben erwähnte, gibt es eine Menge verschiedener Gruppen, die glauben, das Recht zu besitzen, Verwaltungsbeamte und Unternehmen das Gesetz befolgen zu lassen. Eine große Mehrheit der meisten Menschen in den meisten Unternehmen glauben, dass sie das Recht darauf haben, fair und ehrlich von denen behandelt zu werden, für die sie arbeiten. Und dann gibt es noch die Geschäftsinhaber, die ein Recht auf stabile, wachsende, dem Risiko angepasste, legale Rendite haben. Wenn man einen dieser Grundsätze missachtet, wird man dafür zahlen, entweder im Unternehmen, mit Aktienbesitzern oder Regulatoren.

CIO: Wenn man nun im umgekehrten Fall nur an diese Vielzahl von Rechte denkt und nicht an die Konsequenzen, welchen Weg wird man dann gehen?

Badaracco: Ich denke, davon wird man zu guter Letzt gelähmt sein. Deshalb muss man sein Denken über Rechte mit den Überlegungen zu den Konsequenzen, den Werten und dem Charakter und dem, was funktionieren wird, ausbalancieren. Es ist letztlich sehr schwierig, einige dieser Rechtsprobleme zu klären. Bis Juristen alle rechtlichen Fragen erforscht und gründlich geprüft haben, sind womöglich zwei oder drei Wochen vergangen, in denen die Entscheidung schon längst getroffen sein müsste. Man braucht Führungskräfte in allen Ebenen von Unternehmen und Institutionen, die sensibel sind für die wirklich wichtigen Rechte. Diese müssen sie bei ihren Plänen berücksichtigen, aber sie müssen auch in ihrer Arbeit fortfahren und ebenso über die anderen Punkte nachdenken.

CIO: Was passiert in Sachen Balance, wenn man nur an seinen Charakter denkt?

Badaracco: Nun, mit allem Respekt für die Menschen, die dies hören oder lesen: Wer hat Ihnen ein Gütesiegel für Ihren Charakter, Ihre Meinung, Ihren Instinkt gegeben? Das, wovon Sie denken, es sei richtig, könnte aber Konsequenzen für andere Menschen und die Rechte anderer Menschen haben.

Die besten Führungskräfte denken darüber nach, wofür sie verantwortlich sind, wofür sie Werte schaffen. Aber sie haben auch ein gutes Team um sich, und sie haben gute Berater, die nicht unbedingt zu ihrem Management-Team gehören. Sie versuchen vielmehr herauszufinden, wie andere denken, als darauf zu vertrauen, dass ihr ethisches Bewusstsein und ihre Instinkte ihnen den richtigen Weg weisen werden.

CIO: Und ich nehme an, es geht selbstredend, wenn man nur daran denkt, was in der Welt draußen läuft – nehmen Sie beispielsweise den Fall Enron.

Badaracco: So ist es. Sie werden zum Klempner, zum Techniker, jemand, der eine Werkzeugkiste hat, mit der Sie an Problemen arbeiten können. Aber das wahrhaftige Risiko ist, unter Druck zu arbeiten. Eine Situation ist nicht ganz eindeutig, und Sie suchen nach etwas, das funktionieren könnte. Dann werden Sie letztendlich etwas finden, das nur kurzfristig funktioniert, indem man nur ein einziges Maß anlegt, sich vom eigentlichen Problem entfernt, aber in vielen Fällen es nicht in seiner ganzen Komplexität erfasst. Es scheint, als hätte man das Problem für einen Tag gelöst, aber es kommt sicherlich zurück und wird Sie und andere später noch beschäftigen!

CIO: Stellen Sie sich vor: Jemand kommt zu Ihnen und sagt: „Ich habe die Chance, mein Traumhaus zu kaufen.“ Und Sie sind sein Chef, aber Sie sind auch ein guter Freund. Und er fragt Sie, nachdem er Ihnen von dem Haus erzählt hat: „Kannst du mir einen Grund nennen, warum ich dieses neue, teure Haus, nicht kaufen soll?“ Sie wissen, in Ihrem Schreibtisch gibt es eine Liste von Leuten, die in zwei Wochen entlassen werden sollen, und natürlich wird vorausgesetzt, dass Sie die Sache vertraulich behandeln, weil die Kündigungen zusammen ausgesprochen werden sollen.

Sie deuteten in Ihrem Gespräch an, dass es Möglichkeiten gibt, ohne die Vertraulichkeit zu missachten oder das Vertrauen zu Ihrem Unternehmen zu brechen, ein wenig drumherum zu reden, zu sagen: „Du weißt schon, die Zeiten sind hart und die Konkurrenz ist hart, vielleicht solltest du noch ein bisschen warten“. Aber was, wenn der Mann sagt: „Jo, du kennst mich schon sehr lange, und ich kenne dich schon sehr lange. Sei ehrlich mit mir. Weißt Du etwas?“

Badaracco: Das ist eine gute Frage. Stellen Sie sich vor, er schaut Ihnen direkt in die Augen, er fragt nach der Wahrheit, und er wird auch schauen, ob Sie blinzeln und so die Frage auf eine andere Art beantworten. Wenn man an diesem Punkt angelangt ist, muss ich etwas zu diesem Effekt sagen: „Das ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann.“ Das Unangenehme an der Beantwortung dieser Frage ist, dass es eine Antwort ist. Er könnte vermutlich daraus schließen, dass diese Nachricht eine schlechte Nachricht ist, und er würde wahrscheinlich diese Vermutung ein paar anderen Leuten weitergeben. Die Alternative wäre natürlich zu lügen. Aber zunächst einmal sind Menschen in der Regel keine guten Lügner, und zweitens erzählen sie es Leuten, die sie kennen. Und den Ruf, also die ganze Integrität verloren zu haben, das möchte kein Manager riskieren. Sie haben die härteste Version dargestellt, und dann muss man sagen: „Das ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann.“ Vielleicht ist es auch möglich, ihm das in einer Art zu sagen, die ihm unmissverständlich klar macht: Sollte er damit hausieren gehen, könnte das Leben künftig härter für ihn werden.

CIO: Auf die Frage „Was passiert, wenn man diese konsequente Vier-Fragen-Analyse nicht beachtet?“ sagten Sie auf einer Veranstaltung, dass es eine Drei-Fragen-Version, eine Art Schnellversion, gibt. Wie sieht die aus?

Badaracco: In der Regel haben Manager weniger Zeit, als sie brauchen, sie haben nicht alle Fakten, die sie gerne haben möchten. Drei Schnelltests fragen jedoch alles Wichtige ab:

1. Einer davon ist der Zeitungstest: Fragen Sie sich selbst, welcher Aktionsplan für das vor Ihnen liegende Problem am besten funktioniert, wenn es auf der Titelseite Ihrer Lokalzeitung, beispielsweise am nächsten Tag, erscheinen müsste. Damit kann man sämtliche Konsequenzen eines Aktionsplans schnell erfassen, und es ist eine Art, die Dinge pragmatisch zu sehen, also gewissermaßen die machiavellische Art. Hier ist der Fokus darauf gerichtet, was wirklich funktioniert.

2. Der zweite Test ist das „Golden Rule“, das goldene Gesetz, oder der „Native American Advice“, ein Ratschlag der Eingeborenen Amerikas. Demnach sollte man eine Weile in den Fußstapfen anderer laufen. Damit kann man die Rechte anderer Leute erfassen, die man sonst übersehen hätte.

Und die letzte Frage hat mehrere Versionen.

3. Die gute Version ist der „Beste-Freund-Test“. Fragen Sie sich selbst, wie jemand, der Sie gut kennt, dessen Meinung Sie schätzen, Sie in einigen Jahren auf der Straße ansieht, und denken Sie dann über die Entscheidung nach. Das ist eine Art, wie man Licht auf die wirklich wichtigen Themen wirft – Ihren Charakter, den Charakter Ihres Unternehmens, das Sie zu gestalten versuchen.

Das sind die drei Tests. Dafür brauchen Sie nicht viel Zeit, und oft können Sie auf diesem Weg einige wirksame Instinkte hervorlocken, die helfen, schließlich die richtigen Entscheidungen zu treffen.