Management und Verantwortung

Eitelkeit, Gier und zu viel Ehrgeiz

22.02.2010 von Karsten Langer
Manager sind nicht generell gierig. Aber wer nicht über sich selbst reflektiert, dem fehlt Selbstakzeptanz. Wem der Selbstwert fehlt, der muss das Defizit mit Materiellem füllen oder mit äußerer Anerkennung. Gier ist ein klares Zeichen von mangelnder Selbstachtung.
Hasso Mansfeld arbeitet als selbstständiger Unternehmensberater und Kommunikationsexperte. Die Beschäftigung mit philosophischen Fragen ist fester Bestandteil seiner Beratungstätigkeit. Mansfeld ist Kolumnist von evangelisch.de, dem Internetportal der evangelischen Kirche in Deutschland.

Übernehmen Manager heute noch Verantwortung?

Mansfeld: Die meisten ja, viele aber nicht. Wie die Krise zeigt, mit Folgen für die gesamte Gesellschaft. Verantwortung ist eine Verpflichtung, die aus einer bestimmten Aufgabe und einer bestimmten beruflichen Stellung resultiert. Deswegen steht das Maß an Verantwortung auch in direkter Korrelation zur Entlohnung. Ein Manager, der seiner Verantwortung nicht gerecht wird, kann nicht erwarten, dass er hoch entlohnt wird.

Also sollten viele Manager weniger Geld verdienen?

Mansfeld: Zumindest diejenigen, die verantwortungslos handeln. Es muss ein Parameter entwickelt werden, mit dem man messen kann, wer langfristig seiner Verantwortungssoll erfüllt. Das gibt es bisher nicht. Die langfristige Gewinnmaximierung muss im Vordergrund stehen, nicht die kurzfristige. Das ist in Vergessenheit geraten - mit den bekannten Folgen.

Hat das Verantwortungsbewusstsein nachgelassen?

Mansfeld: Es gibt eine negative Rückkopplung von schlechten Vorbildern. In unserem jetzigen Gesellschaftszustand vergisst der Mensch zusehends, was es bedeutet, Mensch zu sein. Wenn man das nicht mehr weiß - und immer mehr Menschen in Führungspositionen wissen das nicht mehr - dann ist man nicht mehr in der Lage zu reflektieren.

Mit welchen Folgen?

Mansfeld: Fatal ist, dass die Position des Managers eine wichtige Symbolposition für eine leistungsorientierte Marktwirtschaft darstellt. Kommt es hier zur Fehlverhalten, gefährdet das die Akzeptanz unseres marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystems und stärkt die Position derer, die meinen, der Staat könne alles besser. Es gab und gibt zu viele Manager, die ihrer Verantwortung nicht mehr gerecht werden, weil sie gierig geworden sind - oder es schon immer waren.

Foto: manager-magazin.de

Gefunden im manager magazin.

Das soll nicht heißen, dass man als Manager generell gierig ist. Aber wer nicht über sich selbst reflektiert, dem fehlt zwangsläufig ein großer Teil Selbstakzeptanz. Wem der Selbstwert fehlt, der muss das Defizit mit Materiellem füllen oder mit äußerer Anerkennung. Gier ist ein klares Zeichen von mangelnder Selbstachtung. Wer gierig ist, zeigt seine Angst, zu kurz zu kommen.

Was treibt dann Manager an, Karriere zu machen?

Mansfeld: Natürlich ist es ein starker Antrieb, viel Geld zu verdienen. Wenn der Antrieb aber zur Gier wird, kommt es zur Fehlleitung der Leistungsbereitschaft. Ein solches System führt in den meisten Fällen zum Scheitern.

Wenn Gier das Substitut von Leere ist, kann dann richtig verstandene Verantwortung erfüllend sein?

Mansfeld: Viele Manager haben ein großes Bedürfnis der Selbstdarstellung. Verantwortungsbewusste Manager sind souverän. Die wissen, was sie können, haben strategische Ziele und brauchen nicht die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit.

"Antriebe, die ihre Kraft aus der Neurose schöpfen"

Ist Verantwortung erlernbar?

Mansfeld: Manager müssen darüber nachdenken, warum sie tun, was sie tun. Und vor allem: für wen. Sie müssen sich entscheiden, ob sie den Weg zu sich selbst gehen oder auf der Promenade wandeln, dem Publikum zugewandt. Sie sollten erforschen, warum sie so viel Geld verdienen wollen. Warum öffentliche Anerkennung, Status und Macht für sie so wichtig ist.

Ehrgeiz, Gier, Eitelkeit und Materialismus sind Antriebe, aus denen Menschen viel Kraft schöpfen. Mit hehren Ansprüchen kommen Manager nicht weit.

Mansfeld: Eitelkeit, Gier, überzogener Ehrgeiz und ungezügelter Materialismus sind Antriebe, die ihre Kraft aus der Neurose schöpfen. Demgegenüber gibt es einen Antrieb des Menschen auf der Ebene des gesunden Egoismus, mehr zu erreichen. Jedem Manager ist es freigestellt, welchem Antrieb er folgt. Mehr Geld ist doch nichts anderes als die Möglichkeit zu mehr Konsum. Da sollte man sich als Manager schon mal fragen: Wie viel Konsum braucht ein Mensch?

Wer viel hat, hat viel Erfolg. Und der Beste hat auch das höchste Einkommen.

Mansfeld: Das darf aber kein Grund sein, extrem hohe Risiken einzugehen, die alles infrage stellen, was man bisher erreicht hat. An genau dieser Fehleinschätzung sind, von außen betrachtet, Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und die Continental-Großaktionärin Maria-Elisabeth Schaeffler gescheitert.

Wenn Geld so wichtig ist, warum wird dann so wenig darüber geredet?

Mansfeld: Man redet ja darüber - jedenfalls in den einschlägigen Kreisen, da ist man unter sich. Und da muss dann aber - bitte sehr - deutlich zum Vorschein kommen, wer der Größte, Tollste und Schönste ist. Das ist etwa zu besichtigen in Kitzbühel oder auf Sylt.

"Es ist Zeit für eine zweite Aufklärung"

Welcher deutsche Manager legt denn weniger Wert darauf, der Tollste, Schönste und Größte zu sein?

Mansfeld: Nicola Leibinger-Kammüller zum Beispiel.

Die ist aber nicht Managerin im klassischen Sinne, sondern ihr und ihrer Familie gehört der Betrieb. Ist das ein Manko, dass angestellte Manager sich ihrem Unternehmen nicht verpflichtet fühlen?

Mansfeld: Angestellte, auch leitende Angestellte, delegieren einen Teil ihrer Verantwortung an Dritte. Auch wenn man noch so gut ist, muss man sich unterschiedlichen Interessen unterordnen. Etwa dem Willen der Eigentümer, seien es nun Gesellschafter oder Aktionäre.

Übernehmen Unternehmer mehr Verantwortung?

Mansfeld: Tatsächlich ist ausschließlich der selbstständige Unternehmer als tätiger Eigentümer einer von ihm selbst geschaffenen wirtschaftlichen Einheit in der Lage die volle Verantwortung für sein eigenes Leben zu übernehmen. Jeder bekommt immer nur das, was er sich auch zutraut - und zwar auf der Ebene der kritischen Selbstreflektion, nicht auf der Ebene der Verdrängung und Megalomanie. Das ist ein großer Unterschied.

Trauen sich viele zu wenig zu?

Mansfeld: Die meisten Menschen schöpfen ihre Fähigkeiten gar nicht richtig aus, weil sie gar nicht wissen, was sie alles schaffen können. Die Elite will natürlich, dass alle Welt glaubt, es sei etwas Besonderes, was sie da treibt, und dass der Abstand zwischen Ihnen und den anderen riesig ist. Denn dann sieht die eigene Leistung noch einmal besonders toll aus.

Die Elite schottet sich ab, um den größten Teil vom Kuchen zu bekommen?

Mansfeld: Diejenigen, die wissen, wie Führen funktioniert, haben gar kein Interesse daran, das den anderen mitzuteilen. Denn dann schrumpft der Abstand zwischen ihnen und dem Rest der Welt.

Ist denn die Mehrheit der Menschen - also auch die Entscheidungselite - unglücklich?

Mansfeld: Ich glaube, es ist Zeit für eine zweite Aufklärung. Wir beschäftigen uns immer damit, herauszufinden, wie die Welt funktioniert, aber vergessen, uns damit zu beschäftigen, wie der Mensch funktioniert. Wer das nicht weiß, steht in großer Gefahr, unglücklich zu werden.

"Kein Risiko - der Untergang, zu viel Risiko - ebenso"

Wie funktioniert er denn, der Mensch?

Mansfeld: Zuerst muss man doch wissen, was man will und wozu man fähig ist. In einem liberalen Wirtschaftssystem definiert der Mensch im Wesentlichen selber, welche Stelle er in unserer Gesellschaft einnimmt. Natürlich gibt es Ausgangssituationen, die ein Fortkommen schwerer oder leichter machen. Dennoch: Glück und Pech sind nur Erklärungsversuche für das eigene Unvermögen. Die eine Seite der Medaille ist, dass man wissen muss, dass man für sein Scheitern selbst verantwortlich ist. Die andere Seite ist, dass man seines eigenen Glückes Schmied ist.

Aber daran zweifelt doch keiner.

Mansfeld: Doch, die Altruisten, die Gutmenschen etwa. Diejenigen, die breiten Bevölkerungsschichten erzählen: Euch muss geholfen werden. Doch die Kehrseite dieser Botschaft ist: Ihr könnt nichts.

Manager gehen zu extreme Risiken ein

In Ihren Augen eine Anleitung zur Unmündigkeit?

Mansfeld: Der Mensch muss lernen, kalkulierbare Risiken einzugehen, denn ohne Risikobereitschaft ist keine Entwicklung möglich. Es geht nicht um Glück und Pech, sondern es geht um das Erkennen und Bewerten der Korrelation von Chance und Risiko. Das muss jeder für sich abwägen. Generell gilt: Jeder ist für sein eigenes Schicksal verantwortlich.

Nichts anderes haben doch Porsche und Schaeffler getan - mit den bekannten Folgen.

Mansfeld: ... und haben sich dabei grandios verhoben. Es geht eben um die richtige Abwägung. Kein Risiko - der Untergang, zu viel Risiko - ebenso.

Trotzdem gilt: Weniger Sicherheit, mehr Glück?

Mansfeld: In China gibt es Zoos, in denen Bären auf zwei Quadratmeter eingesperrt sind. Wenn man da die Tür aufmacht, geht der Bär raus - und nach zwei Minuten ist er wieder im Käfig. Der weiß gar nicht, was er mit seiner Freiheit anfangen soll. Sie macht ihm Angst. So ähnlich ist das mit dem Menschen. Es ist wichtig, dass man dem Menschen die Angst nimmt, sich in Freiheit zu bewegen. Man muss Risiken übernehmen, sonst gibt es keine Bewegung, keine Innovation. Wer stehen bleibt, geht unter.

Wenn ein Manager ein zu hohes Risiko eingeht, ist er schnell seinen Job los.

Mansfeld: Auf der Ebene der breiten Masse gehen die Menschen ein zu geringes Risiko ein, auf der Führungsebene gern ein zu großes. Die krisenrelevanten Manager haben sich überschätzt, haben das Scheitern verdrängt und waren deswegen extrem risikobereit.

Ist das verantwortungslos?

Mansfeld: Ja. Wer Verantwortung trägt, muss an seinen Schwächen arbeiten. Das heißt, einen gesunden Selbstwert zu entwickeln. Man muss sich selbst ernst nehmen, damit man für den Rest der Gesellschaft keine Belastung ist.