Neues Raumkonzept

Ergo: Neues Rechenzentrum statt Outsourcing

07.07.2011 von Christiane Pütter
Statt auszulagern hat Versicherer Ergo ein Rechenzentrum gebaut. Sprecher Birger Jaspers im CIO.de-Interview über die Strategie, Cloud und offene Arbeitsräume.
Birger Jaspers, ERGO-Sprecher für den Bereich Informationstechnologie, Solvency II, Risikomanagement
Foto: Ergo Versicherungsgruppe

Mitte Mai hat die Düsseldorfer Versicherung Ergo ihr neues Rechenzentrum offiziell eingeweiht. 750 Mitarbeiter haben dort ihren Arbeitsplatz - in hellen, offenen Büros, deren Wände Kunstwerke schmücken. Birger Jaspers, als Sprecher bei Ergo für den Bereich Informationstechnologie und Risiko-Management zuständig, erklärte CIO.de, warum die Versicherung den Rechenzentrums-Betrieb nicht auslagert. Über die Kosten für das neue Data Center schweigt er sich jedoch aus.

Herr Jaspers, warum lagern Sie den Rechenzentrums-Betrieb nicht aus? Warum haben Sie ein eigenes, neues Rechenzentrum gebaut?

Jaspers: Ergo möchte die Kontrolle über die IT-Infrastruktur - zusammen mit der Steuerung der Unternehmensservices - im eigenen Haus behalten. Mit der Investition in eine neue Rechenzentrums-Infrastruktur haben wir dafür eine gute Basis geschaffen.

Ihr IT-Vorstand Bettina Anders erklärt, es sei wichtig, zwei unabhängig voneinander versorgte Rechenzentren zu betreiben. Wo steht denn das andere Rechenzentrum?

Jaspers: Das neue Rechenzentrum ist 2010 zusammen mit dem Neubau der Ergo in Düsseldorf in Betrieb genommen worden. Das zweite Rechenzentrum befindet sich - vollkommen getrennt vom ersten - ebenfalls in Düsseldorf und wird 2011 den gleichen Technologiestand erreicht haben. Beide Rechenzentren arbeiten synchron und werden von unabhängigen Versorgungssystemen betrieben. Wenn ein Rechenzentrum ausfällt, übernimmt das andere Rechenzentrum alle Funktionen.

Frau Anders erklärt weiter, modernste Technologien führten zu einer Einsparung von bis zu 40 Prozent Primärenergie. Was für Technologien sind das? Wie erreichen Sie diese Einsparungen?

Jaspers: Es handelt sich in erster Linie um moderne Gebäude- und Energieversorgungstechnologien. Die drei hauseigenen Blockheizkraftwerke haben einen Wirkungsgrad von 86 Prozent zur Eigenstrom-, Kälte- und Wärmeerzeugung. Die hohe Effizienz wird zum Beispiel dadurch erreicht, dass im Sommer mit der Abwärme, die bei der Umwandlung von Gas in Strom entsteht, Absorptionskältemaschinen betrieben werden. Und auch die Lüftungsanlagen entsprechen hohen ökonomischen und ökologischen Standards.

Ist das neue Rechenzentrum terror- und erdbebensicher gebaut?

Jaspers: Vor der Umsetzung des Vorhabens sind entsprechende Untersuchungen vorgenommen worden. Das neue Rechenzentrum erfüllt alle erforderlichen Sicherheitsstandards. Eine Zertifizierung der Infrastruktur beider Rechenzentren bereiten wir derzeit vor.

Wie viele Daten lagern zentral auf den Servern? Was für Daten sind das?

Jaspers: Es handelt sich um alle Kunden- und Vertragsdaten, die für einen reibungslosen Versicherungsbetrieb notwendig sind. Insgesamt lagern auf den neuen Servern Daten von weltweit über 40 Millionen Kunden, die der Kompetenz, Sicherheit und Hilfe von Ergo und ihrer Spezialisten in den verschiedenen Geschäftsfeldern vertrauen.

Cloud derzeit keine Alternative für Versicherungen

Was planen Sie in Sachen Cloud Computing und Virtualisierung?

Jaspers: Versicherungsunternehmen unterliegen besonderen Sicherheitsauflagen für sensible Kundendaten wie zum Beispiel Gesundheitsdaten. Cloud Services, die zurzeit auf dem Markt verfügbar sind, können diese Auflagen noch nicht hinreichend erfüllen. So sind die Fragen, wo und wie die Daten zu einem bestimmten Zeitpunkt gespeichert sind, ungeklärt. Kurzfristig sehen wir - auch vor dem Hintergrund unterschiedlicher Gesetzgebung in Europa - keine Lösung des Problems.

Heißt das, Sie arbeiten gar nicht mit Cloud Computing?

Jaspers: Innerhalb unseres Rechenzentrums nutzen wir Cloud-ähnliche Prinzipien zur Betriebsoptimierung. In Bereichen, in denen keine besonderen Datensicherheitsniveaus notwendig sind, setzen wir heute schon auf extern gehostete öffentliche Cloud-Lösungen. Beispiele sind die Ideenforen von ITERGO und unserer Vertriebe oder die neue Ergo-Kundenwerkstatt (hier können Kunden ihre Wünsche äußern, Anm. d. Red.).

In den Büros wurden neue Raumkonzepte umgesetzt: kleine Arbeitsinseln in großen Räumen, Besprechungsecken, offene Kaffeeküchen - was versprechen Sie sich davon?

Jaspers: Das Raumkonzept nennt sich "Open Space" und führt zu einer engeren Vernetzung unter den Mitarbeitern, die sich in großen, lichtdurchfluteten Räumen an kleinen Arbeitsinseln gegenüber sitzen. Das führt dazu, dass sich Arbeitswege verkürzen und sich der interne Austausch beschleunigt. Ergänzend dazu können kurze informelle Treffen an Steh-Tischen abgehalten werden, für längere Zusammenkünfte stehen Besprechungsecken und -räume zur Verfügung. Rückzugs- und Einzelarbeitsplätze ermöglichen konzentriertes Arbeiten und Alkove-Gruppen - hochlehnige Sofas, die eine visuelle und akustische Trennung bieten - schaffen Raum für vertrauliche Gespräche.

Die Mitarbeiter können selbst entscheiden, wo sie arbeiten?

Jaspers: Die moderne Bürowelt ist geprägt von durchlässigen Strukturen, in denen der Mensch seine Raum- und Zeiteinteilung selbstständig wahrnimmt. Die Mitarbeiter können ihre Arbeitsposition jederzeit verändern und in eine andere Umgebung eintreten. Die Gestaltung der Räume fördert die Zusammenarbeit innerhalb des Teams, bietet aber ebenso Rückzugsmöglichkeiten.

In allen sechs Etagen des Erweiterungsbaus hängen Kunstwerke. Warum?

Jaspers: Bereits in den Bauten am Victoriaplatz aus den Jahren 1986 und 1998 spielt Kunst eine Rolle. Ergo ermöglicht ihren Mitarbeitern die Begegnung mit Kunst auch am Arbeitsplatz. Kunst war und ist an der konkreten Zukunftsgestaltung unserer Lebensverhältnisse wesentlich beteiligt. Zu allen Zeiten hat sie, wenn auch nicht immer unumstritten, immer wieder neuen Ideen den Weg gebahnt und damit die Zukunft vorbereitet. Insofern versteht Ergo die Gestaltung der Arbeitswelt mit Kunst auch nicht als Dekoration, sondern als Bestandteil einer Lebenswelt insgesamt, zu deren Verständnis Kunst wesentlich beitragen kann.

Die Kunst einer guten Arbeitsatmosphäre

Welche Künstler sind vertreten?

Jaspers: Zu erwähnen sind besonders die herausragenden Arbeiten von Gerhard Richter und Sol LeWitt in den Bauten am Victoriaplatz 1 und 2. Für den Neubau an der Fischerstraße 20 wurde die Sammlung nun ergänzt. Ziel dieser Sammlungsergänzung war es, die Räume mit einer nachhaltigen künstlerischen Spannung aufzuladen, die der gleichzeitig konzentrierten und offenen Atmosphäre der Arbeitsbereiche nicht entgegen tritt, sondern diese kreativ unterstützt.

Welchen Schwerpunkt setzt die Sammlung?

Jaspers: Schwerpunkt ist in erster Linie ungegenständliche Malerei, die mit der bestehenden Sammlung offen kommuniziert und interagiert. So wird der Sammlungskern bestätigt und mit zeitgenössischen Arbeiten lebendig erhalten und gleichzeitig aktualisiert. In allen sechs Etagen des Erweiterungsbaus befinden sich Kunstwerke von sechs Künstlern. Dabei ist jeder Künstler auf je einer Etage vertreten. Um den Mitarbeitern den Zugang zu den Werken auf ihrer Etage zu erleichtern, wurden Flyer mit Hintergrundinformationen zu Kunst und Künstlern ausgelegt.