Arbeiten nach Corona

Es muss immer einen Ort für physische Treffen geben

02.11.2020 von Hans Königes
Unternehmen beginnen ihre Lehren aus Corona zu ziehen. Wie sich das Softwarehaus Atlassian auf die Nach-Corona-Zeit vorbereitet, erläutert deren Work Futurist Dominic Price.
Dominic Price, Work Futurist bei Atlassian, erklärt im CIO-Interview, wie Mitarbeiter produktiv im Homeoffice arbeiten können.
Foto: Atlassian

CIO.de: Was passiert jetzt im Herbst? Werden Mitarbeiter demnächst in die Büros zurückkehren oder weiterhin remote arbeiten?

Dominic Price: Unsere Mitarbeiter haben die Möglichkeit, vom Ort ihrer Wahl aus zu arbeiten, was bedeutet, dass sie nicht jeden Tag ins Büro kommen müssen. Mitarbeiter können ins Büro zurückzukehren, wenn es in ihrem Land sicher ist, aber niemand ist verpflichtet, jeden Tag physisch dort anwesend zu sein. Im Übrigen arbeiten wir als verteiltes, globales Unternehmen mit vollständigen Remote-Teams.

Welche Erfahrungen haben Ihre Mitarbeiter in Corona-Zeiten gemacht?

Dominic Price: Eines der wichtigsten Instrumente, die unsere Entscheidungen bestimmen, ist eine interne Umfrage, mit der wir regelmäßig Feedback von unseren Mitarbeitern einholen. Unsere Umfragen haben gezeigt, dass sich die Menschen zu Beginn der Pandemie unproduktiv fühlten, weil sie nicht über die gewohnte physische Einrichtung verfügten. Deshalb haben wir weltweit allen Mitarbeitern eine Unterstützung in Höhe von 500 US-Dollar für die Einrichtung des Heimarbeitsplatzes gewährt, damit sie sich so einrichten können, um längere Zeit von zu Hause aus zu arbeiten.

Einige Mitarbeiter haben geäußert, dass sie mit ihrer psychischen Gesundheit und Belastbarkeit zu kämpfen haben. Als Reaktion darauf haben wir neue Richtlinien eingeführt, um dem entgegenzuwirken, etwa der Einführung eines verlängerten Urlaubs.

Was haben sich Ihre Mitarbeiter in der Umfrage gewünscht, was ist ihnen wichtig?

Dominic Price: Viele Mitarbeiter gaben an, dass sie eine größere Flexibilität bei der Art und Weise und dem Ort ihrer Arbeit wünschen. Jeder Mitarbeiter wird unterstützt, sei es durch den Bedarf an Ausrüstung oder anderweitig, um sicherzustellen, dass er in der Lage ist, von jedem Ort seiner Wahl aus zu arbeiten.

Was ist aber mit Mitarbeitern, die zum Beispiel in einer kleinen Wohnung leben und komplett auf Homeoffice umsteigen müssen?

Dominic Price: Jeder Mitarbeiter ist anders und hat andere Bedürfnisse. Unsere Aufgabe besteht darin, alle Hürden zu beseitigen, damit die Beschäftigten produktiv sind. Wenn einer das Gefühl hat, dass er aus verschiedensten Gründen nicht effektiv in einer häuslichen Umgebung arbeiten kann, kann er in sein Büro zurückkehren, wenn dies sicher ist.

Inwieweit prägt ihre "Work from Anywhere"-Policy die Unternehmenskultur?

Dominic Price: Vor der Covid-19-Pandemie war Homeoffice die drittbeliebteste Lösung von Atlassian (nach den beiden Standorten in San Francisco und Sydney). Fakt ist, dass wir immer in einer stark verteilten Weise gearbeitet haben. Wenn es mit der Pandemie so weitergeht, wird die Art und Weise unserer Zusammenarbeit natürlich anders aussehen. Bei Unklarheiten ist es wichtig, dass wir weiter experimentieren und lernen, was funktioniert. Es wird wahrscheinlich viel 'Trial and Error' erfordern, aber solange wir daraus lernen, was funktioniert und was nicht, wissen wir, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen.

Was geschieht mit dem physischen Büro in Zukunft?

Dominic Price: Unsere Büroräume auf der ganzen Welt sind so gebaut, dass sie sehr flexibel sind. Selbst mit einer stark verteilten Belegschaft brauchen wir aber einen Ort, an dem wir zusammenkommen können, so dass das Büro weiterhin eine wichtige Rolle für unsere Mitarbeiter spielen wird.

Wie wollen Sie den Übergang zum eventuell "permanenten" Homeoffice schaffen?

Dominic Price: Wir haben noch nicht alle Antworten darauf, wie wir unsere Belegschaft so umstellen, dass sie in Zukunft noch verteilter ist, aber wir haben das Gefühl, dass wir einen guten Anfang gemacht haben.

Wie werden dann etwa Meetings in Zukunft funktionieren? Sollten diese nur virtuell stattfinden?

Dominic Price: Bei einem Beispiel, das wir bereits umgesetzt haben, geht es um Arbeits-Meetings. Wenn Sie ein Team an einem gemeinsamen Standort haben und nur wenige Mitglieder, die weit voneinander entfernt sind, ist es fairer, wenn sich alle Teammitglieder getrennt in die Sitzung einwählen, als wenn sich die Mitglieder im Büro in einem Gruppengespräch zusammenschließen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Stimme derer, die aus der Ferne arbeiten, nicht in der Mehrheit verloren geht. Wir glauben, dass es immer noch einen Ort für physische Treffen gibt, um den Aufbau und die Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen zu unterstützen.

Wie geht es nach Corona weiter, wie ist Ihre Prognose?

Dominic Price: Wir glauben, dass es in der Welt nach Corona eine Zunahme der verteilten Arbeit in allen Branchen geben wird, und wir wollen diese Entwicklung für uns und unsere Kunden anführen. Aber wir können nicht Wasser predigen und Wein trinken, wir müssen die Entwicklung selbst anführen und als gutes Beispiel vor unseren Kunden hergehen.