Bundes-Datenschützerin Voßhoff

EU muss gegenüber USA Klartext reden

27.01.2015
Die Verhandlungen zwischen Europa und den USA laufen besonders nach den Snowden-Enthüllungen zäh. Die oberste Datenschützerin aus Deutschland will nun von Brüssel mehr Härte sehen.

Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff hat die Europäische Kommission aufgefordert, in den Datenschutz-Verhandlungen mit den USA härter aufzutreten. Sollte in den stockenden Gesprächen in absehbarer Zeit keine Lösung gefunden werden, die die Grundrechte der europäischen Bürger angemessen berücksichtige, sollte die Kommission eine Aussetzung oder Aufhebung der "Safe-Harbor-Entscheidung" nicht ausschließen und in Verhandlungen für ein neues Abkommen eintreten, sagte Voßhoff zum 9. Europäischen Datenschutztag, der am Mittwoch begangen wird.

Die "Safe-Harbor-Entscheidung" gestattet US-Unternehmen wie Google, Microsoft oder Facebook die Übermittlung personenbezogener Daten aus der Europäischen Union in die USA. Die versprochene Gegenleistung, europäische Datenschutzgrundsätze zu befolgen, haben die Konzerne aber nicht eingehalten. Die Kommission verhandelt seit Herbst 2013 mit der US-Regierung über neue Regularien, welche die rechtlichen Grundlagen für den Datenverkehr zwischen EU und USA bilden. Der ursprünglich für Sommer 2014 geplante Abschluss der Verhandlungen wurde bis heute nicht erreicht.

Die führenden US-Internetkonzerne Google, Facebook und Amazon machte der innen- und rechtspolitische Sprecher der Grünen im europäischen Parlament, Jan Philipp Albrecht, auch als schärfste Widersacher gegen eine europaweite Datenschutzverordnung auf hohem Niveau aus. Die derzeitige Regelung, wonach Silicon-Valley-Unternehmen sich in Europa die Länder mit den schwächsten Datenschutzregeln als Sitz aussuchten, komme einer Subventionierung gleich. Die US-Konzerne könnten damit schärfere Datenschutz-Regelungen in Ländern wie Deutschland oder Österreich umgehen, während EU-Unternehmen sich an die Spielregeln halten müssten. Zu den Gegnern gehörten aber auch Firmen in der EU, die beispielsweise auf Adresshandel oder Telemarketing spezialisiert seien. Die Lösung sei, gleiche Datenschutzstandards für alle europaweit durchzusetzen.

Die Lehren aus der NSA-Affäre
Viktor Mayer-Schönberger, Professor für Internet Governance and Regulation
"Es geht nicht mehr um das Ausspähen der Gegenwart, sondern um einen Einblick in die Zukunft. Das ist der Kern von Prism. Präsident Obama hat schon recht, wenn er sagt, die von Prism gesammelten Daten seien doch für sich genommen recht harmlos. Er verschweigt freilich, dass sich daraus statistische Vorhersagen gewinnen lassen, die viel tiefere, sensiblere Einblicke gewähren. Wenn uns nun der Staat verdächtigt, nicht für das was wir getan haben, sondern für das was wir – durch Big Data vorhersagt – in der Zukunft tun werden, dann drohen wir einen Grundwert zu verlieren, der weit über die informationelle Selbstbestimmung hinausgeht."
Prof. Dr. Gunter Dueck, Autor und ehemaliger CTO bei IBM
"Ich glaube, die NSA-Unsicherheitsproblematik ist so ungeheuer übergroß, dass wir uns dann lieber doch gar keine Gedanken darum machen wollen, so wie auch nicht um unser ewiges Leben. Das Problem ist übermächtig. Wir sind so klein. Wir haben Angst, uns damit zu befassen, weil genau das zu einer irrsinnig großen Angst führen müsste. Wir haben, um es mit meinem Wort zu sagen, Überangst."
Oliver Peters, Analyst, Experton Group AG
"Lange Zeit sah es so aus, als würden sich die CEOs der großen Diensteanbieter im Internet leise knurrend in ihr Schicksal fügen und den Kampf gegen die Maulkörbe der NSA nur vor Geheimgerichten ausfechten. [...] Insbesondere in Branchen, die große Mengen sensibler Daten von Kunden verwalten, wäre ein Bekanntwerden der Nutzung eines amerikanischen Dienstanbieters der Reputation abträglich. [...] Für die deutschen IT-Dienstleister ist dies eine Chance, mit dem Standort Deutschland sowie hohen Sicherheits- und Datenschutzstandards zu werben."
Dr. Wieland Alge, General Manager, Barracuda Networks
"Die Forderung nach einem deutschen Google oder der öffentlich finanzierten einheimischen Cloud hieße den Bock zum Gärtner zu machen. Denn die meisten Organisationen und Personen müssen sich vor der NSA kaum fürchten. Es sind die Behörden und datengierigen Institutionen in unserer allernächsten Umgebung, die mit unseren Daten mehr anfangen könnten. Die Wahrheit ist: es gibt nur eine Organisation, der wir ganz vertrauen können. Nur eine, deren Interesse es ist, Privatsphäre und Integrität unserer eigenen und der uns anvertrauten Daten zu schützen - nämlich die eigene Organisation. Es liegt an uns, geeignete Schritte zu ergreifen, um uns selber zu schützen. Das ist nicht kompliziert, aber es erfordert einen klaren Willen und Sorgfalt."
James Staten, Analyst, Forrester Research
"Wir denken, dass die US-Cloud-Provider durch die NSA-Enthüllungen bis 2016 rund 180 Milliarden Dollar weniger verdienen werden. [...] Es ist naiv und gefährlich, zu glauben, dass die NSA-Aktionen einzigartig sind. Fast jede entwickelte Nation auf dem Planeten betreibt einen ähnlichen Aufklärungsdienst [...] So gibt es beispielsweise in Deutschland die G 10-Kommission, die ohne richterliche Weisung Telekommunikationsdaten überwachen darf."
Benedikt Heintel, IT Security Consultant, Altran
"Der Skandal um die Spähprogramme hat die Akzeptanz der ausgelagerten Datenverarbeitung insbesondere in den USA aber auch in Deutschland gebremst und für mehr Skepsis gesorgt. Bislang gibt es noch keinen Hinweis darauf, dass bundesdeutsche Geheimdienste deutsche IT-Dienstleister ausspäht, jedoch kann ich nicht ausschließen, dass ausländische Geheimdienste deutsche Firmen anzapfen."
Viktor Mayer-Schönberger, Professor für Internet Governance and Regulation
"Die NSA profitiert von ihren Datenanalysen, für die sie nun am Pranger steht, deutlich weniger als andere US-Sicherheitsbehörden, über die zurzeit niemand redet. Das sind vor allem die Bundespolizei FBI und die Drogenfahnder von der DEA. [...] Es gibt in der NSA eine starke Fraktion, die erkennt, dass der Kurs der aggressiven Datenspionage mittelfristig die USA als informationstechnologische Macht schwächt. Insbesondere auch die NSA selbst."
Aladin Antic, CIO, KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplationen e.V.
"Eine der Lehren muss sein, dass es Datensicherheit nicht mal nebenbei gibt. Ein mehrstufiges Konzept und die Einrichtung zuständiger Stellen bzw. einer entsprechenden Organisation sind unabdingbar. [...] Generell werden im Bereich der schützenswerten Daten in Zukunft vermehrt andere Gesichtspunkte als heute eine Rolle spielen. Insbesondere die Zugriffssicherheit und risikoadjustierte Speicherkonzepte werden über den Erfolg von Anbietern von IT- Dienstleistern entscheiden. Dies gilt auch für die eingesetzte Software z.B. für die Verschlüsselung. Hier besteht für nationale Anbieter eine echte Chance."
ein nicht genannter IT-Verantwortliche einer großen deutschen Online-Versicherung
"Bei uns muss keiner mehr seine Cloud-Konzepte aus der Schublade holen, um sie dem Vorstand vorzulegen. Er kann sie direkt im Papierkorb entsorgen."

Bei der seit Jahren anstehenden Reform des Datenschutzes in Europa drohe eine weitere Verzögerung, sagte Albrecht. Der Ministerrat müsse noch vor dem Sommer die Verhandlungen über die europäische Datenschutzverordnung beginnen. "Dann gibt es eine Chance, dass wir noch in diesem Jahr eine Einigung erreichen können", sagte Albrecht.

Albrecht hatte als Verhandlungsführer im zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlaments erreicht, dass trotz rund 4000 Änderungsanträgen im März 2014 eine breite fraktionsübergreifende Mehrheit für ein schärferes Datenschutzniveau erzielt wurde. Im vergangenen Sommer bewegten sich auch die Mitgliedsstaaten im Rat auf eine gemeinsame Position zu. Würden die "Trilog"-Verhandlungen im Jahr 2015 erfolgreich abgeschlossen, würde das neue Recht nach zwei Jahren Übergangszeit in allen EU-Staaten gelten. (dpa/tc)