Ein Erfahrungsbericht

Exotisch: IT-Outsourcing in Nordkorea

13.07.2010 von Thomas Pelkmann
Nordkorea steht für vieles, aber nicht für eine entwickelte Hightech-Industrie. Dennoch halten manche Experten das Land für einen geeigneten Outsourcing-Standort.

Repression, Hungersnöte und Schiffe versenken beim Nachbarn: Das Regime in Nordkorea genießt, um es mal vorsichtig auszudrücken, international nicht den besten Ruf. Offenbar arbeitet das asiatische Halbland aber jenseits seiner verheerenden Reputation still und heimlich am Aufbau seiner IT-Industrie.

In Nordkorea gibt es mittlerweile gut ausgebildete IT-Spezialisten, wie hier bei der Programmierung von 3D-Animationen.

Seit einigen Jahren verstärken etwa die Universitäten die Ausbildungen von Computerfachleuten und -wissenschaftlern. Und vor Ort schießen Unternehmen wie Pilze aus dem Boden, um die lokalen Talente mit den Anforderungen des Landes zu vermählen. All’ das, meint Martyn Williams vom IDG News Service im Tokioter Büro unseres Medienhauses IDG, macht Nordkorea zum vielleicht ungewöhnlichsten Platz für die Vergabe von Aufträgen für IT-Outsourcing.

Mit ein paar Ausnahmen, etwa in Indien, sind Outsourcing-Dienstleister in Entwicklungsländern eher kleine Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern. In Nordkorea ist das anders: Hier gibt es dem niederländischen Outsourcing-Berater Paul Tija zufolge bereits mehrere Unternehmen mit 1000 oder mehr Beschäftigten. "Die Regierung steckt einiges Engagement in den Ausbau der IT-Industrie", so Tija. "Die Verfügbarkeit von Personal dort ist ziemlich groß."

Im Moment konzentriert sich Nordkoreas Outsourcing-Industrie vor allem auf Nischen, heißt es. Dazu zählten die Bereiche Computer-Animationen, Data-Input und Software-Design für Mobiltelefone.

"Menschen ohne Computer-Kenntnisse sind die Idioten des 21. Jahrhunderts"

Schon in den Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts hat Nordkorea sich um die Verbesserung seiner IT-Industrie gekümmert. Aber erst im Jahr 2000 wurde diese Politik zur Staatsräson. Damals erklärte der De-facto-Chef in Pjöngjang, Kim Jong Il, Menschen ohne Computerkenntnisse zu Idioten des 21. Jahrhunderts. Ihre Leidensgenossen: Raucher und Leute, die Musik ignorieren.

Allem Aufschwung zum Trotz, und für viele Beobachter zudem wenig verwunderlich, halten die Kollegen von IDG News Service Nordkorea für keinen leichten Markt. Sprachprobleme und fehlende Erfahrung im Umgang mit fremden Ländern könnten Geschäftskontakte stark behindern, meint denn auch Berater Tija.

Der Outsourcer mit dem besten Profil ist den Experten zufolge das 2007 in der Hauptstadt Pjöngjang gegründete Unternehmen Nosotek. Die Firma ist zugleich eins der wenigen westlich unterstützten Gründungen in Nordkorea.

Der Deutsche Volker Eloesser, Präsident von Nosotek, ist vom Potenzial seines Unternehmens überzeugt: "Die nordkoreanischen IT-Spezialisten sind hervorragend ausgebildet, aber aufgrund von Kommunikationsproblemen war es bisher praktisch unmöglich, mit ihnen von außerhalb des Landes produktiv zusammen zu arbeiten".

Der nächste Schritt war für den deutschen IT-Manager dann nur folgerichtig: Er gründete kurzerhand vor Ort ein Unternehmen, das als internationaler Partner für Outsourcing dienen sollte. Beim Personal setzt Eloesser neben einheimischen Kräften stark auf internationale Mitarbeiter als Schnittstelle zwischen ausländischen Kunden und koreanischen Experten.

So kann er das Kommunikationsverhalten und den Service-Level bieten, die seine Kunden außerhalb von Nordkorea erwarten. Umgekehrt öffnet er diesen so den Zugang zu den besten Programmierern des Exotenstaates. "Wir haben Experten in allen wichtigen Programmiersprachen, für 3D-Entwicklung sowie für Server-Technologien auf Linux-, Windows- und Mac-Basis", so Eloesser bei der Leistungsschau seiner Fachkräfte.

Der Erfolg scheint ihm Recht zu geben, auch wenn er sich mit Details überraschend zurück hält: Eine seiner iPhone-Apps - welche das ist, verrät der Manager nicht - stehe im deutschen iTunes-Store in den Top-Ten.

Ob es sich um das App "Bobby’s Blocks" handelt, bleibt offen. Der deutsche Vertrieb des Programms, Exozet Games in Berlin, lobt die Zusammenarbeit dennoch: "Sie haben einen guten Job gemacht, und die Kommunikation lief absolut reibungslos", so Vertriebschef Marc Busse. "Wenn jemand die Entwicklung von Spielen outsourcen möchte, würde ich die nordkoreanische Firma uneingeschränkt empfehlen."

Kein Internet-Zugang in Nordkorea

So zufrieden mit seiner Arbeit ist allerdings nicht einmal Volker Eloesser selbst, der noch einige Herausforderungen für die IT-Industrie vor Ort sieht: "Aufgrund rechtlicher Einschränkungen haben normale IT-Experten keinen direkten Zugang zum Internet", beklagt der Manager, für den das eins der größten Hindernisse für das aufstrebende IT-Business in Nordkorea ist. Entwicklungsarbeiten, die uneingeschränkten Internet-Zugang benötigten, müssten daher nach China ausgelagert werden.

Genau hier scheint es unterdessen Bewegung zu geben, wie ebenfalls der IDG News Service berichtet. So sei in den vergangenen Monaten ein Block von 1024 bisher ungenutzten nordkoreanischen Internet-Adressen von einer Firma registriert worden, die eng mit der nordkoreanischen Regierung zusammen arbeite. "Freier Zugang für die nordkoreanische Bevölkerung zu weltweit verfügbaren Informationen ist das aber noch nicht", kommentiert IDG-Korrespondent Martyn Williams. Auch über die Verwendung der nun registrierten Domains gebe es keine Klarheit, heißt es. Bisher haben Nordkoreaner nur über ein nationales Intranet die Möglichkeit, sich im Internet zu bewegen. Zugang zu Seiten des WWW gibt es für normale Bürger nicht.

Die größten Probleme sind politisch bedingt

Die größten Probleme des Landes für die aufstrebende IT-Industrie aber sind nach Meinung der Experten politisch bedingt. So verhinderten Sanktionen der USA jeden Handel amerikanischer Firmen mit Nordkorea. Der niederländische Outsourcing-Berater Paul Tija kennt eigenen Worten zufolge verschiedene Unternehmen, die "liebend gerne" mit dem asiatischen Land zusammen arbeiten würden. "Aber die politische und rechtliche Lage verhindern das", so Tija.

Für Unternehmen außerhalb der USA, etwa in der EU, ist die Sache nicht so kompliziert. Dennoch wirke sich auch hier die Embargo-Politik der USA aus, wenn Unternehmen aufgrund des möglichen Stigmas der Kooperation mit den nordkoreanischen Machthabern "zweimal nachdenken", ob sie Verträge mit dem Land abschließen sollen.

An den schwierigen Bedingungen arbeitet auch Nordkorea aktiv mit: durch willkürliche Inhaftierungen und Internierungen oder Misshandlungen kritischer Mitbürger sowie durch das Verbot jeglicher bürgerlichen Freiheiten und Opposition. Mehrere Hunderttausend Nordkoreaner sitzen in Gefangenenlagern, hat die Menschenrechtsorganisation Human Right Watch festgestellt. Grund genug für viele Unternehmen, eine große Scheu gegenüber geschäftlichen Kontakten ins Land zu haben. Für andere aber auch nicht, wie Vertriebsmanager Busse von den Berlinern Exonet Games betont: "Wir haben diese Skrupel nicht. Schließlich arbeiten wir nicht mit der Regierung zusammen, sondern mit hochqualifizierten Experten, die nichts mit dem Regime zu tun haben."

Auf der Liste der 25 gefährlichsten Outsourcing-Standorte taucht Nordkorea erst gar nicht auf, wie unsere US-amerikanische Schwesterpublikation CIO.com berichtet. Im dieser Tage erscheinenden Black Book Outsourcing der Brown Wilson Group rangiert vielmehr das pakistanische Karatchi auf Platz 1, gefolgt von den Drogenmetropolen Medellin in Kolumbien und Juarez in Mexiko.

Umgekehrt schafft es Nordkorea aber auch noch längst nicht auf die Liste der sichersten Standorte. Dort führen Prag und Brünn aus Tschechien sowie Warschau und Krakau aus Polen die Rangfolge an.