Studie zu MINT-Berufen

Fachkräftemangel: Kein Hoffnungsschimmer

06.12.2012 von Werner Kurzlechner
Der Bedarf an MINT-Fachkräften steigt laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft weiter, obwohl die Ausbildungsquote gesteigert werden konnte.
Der Anteil weiblicher MINT-Absolventinnen hat sich seit Jahren sich wirklich erhöht.
Foto: IW

Fachkräfte werden in naturwissenschaftlichen und technologischen Berufen noch auf Jahre hinaus fehlen. Und die IT zählt zu den Feldern, in denen der Mangel besonders ausgeprägt ist – wenngleich es anderswo noch schlimmer zugeht, zum Beispiel in einigen Tätigkeitsfeldern für Ingenieure.

Das geht aus einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hervor. Untersuchungsgegenstand des Herbstreports war die Lage in den sogenannten MINT-Berufen, also bei den Spezialisten für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.

„Bei insgesamt 191.700 offenen Stellen in MINT-Berufen und 75.315 in MINT-Berufen arbeitslos gemeldeten Personen konnten im Oktober 2012 mindestens rund 116.400 offene Stellen in MINT-Berufen nicht besetzt werden“, heißt es in der Studie.

Der "qualifikatorische Mismatch"

„Berechnet man die MINT-Arbeitskräfte unter Berücksichtigung des qualifikatorischen Mismatchs zwischen den einzelnen MINT-Berufskategorien, resultiert für den Oktober 2012 eine MINT-Lücke in Höhe von 121.300 Personen“, so weiter das IW. Mit der kryptischen Formulierung "qualifikatorischer Mismatch" meinen die Studienautoren, dass in der Praxis – anders als in der offiziellen Arbeitslosenstatistik insinuiert – nicht jede offene Stelle von jedem beliebigen Arbeitssuchenden mit scheinbar passender Qualifikation besetzt werden kann.

Von 114.600 offenen Stellen für MINT-Akademiker entfallen laut Studie 28.500 auf Informatiker – also ziemlich genau ein Viertel. Mit etwa 19 Prozent ist der IT-Anteil im Bereich der beruflich qualifizierten Spezialisten etwas geringer. Insgesamt gab es hier laut IW im Oktober 77.100 Stellen zu besetzen, davon 14.500 für IT-Spezialisten.

43.000 offene Stellen für Informatiker

Noch deutlicher spiegelt sich das Ausmaß des personellen Engpasses in einer anderen Größe wider: dem Verhältnis von offenen Stellen und Arbeitslosen. Bei den Berufen mit akademischem Anforderungsniveau liegt diese Relation bei den Informatikern mit 4,5 deutlich über dem MINT-Durchschnitt von 2,9. Übertroffen wird dieser Wert lediglich von drei Ingenieursberufen: Maschinen- und Fahrzeugtechnik mit 7,7, Energie- und Elektrotechnik mit 6,0 und Metallverarbeitung mit 5,8.

Bei den Berufen mit geringerem Anforderungsniveau ist der Engpass in der IT weniger ausgeprägt. Die Relation beträgt hier bei den Informatikern 1,4 und liegt unter dem Durchschnittsniveau von 2,2. „In Informatikberufen des Anforderungsniveaus 3 deuten offene Stellen und Arbeitslose hingegen nur auf einen geringfügigen Engpass hin – im Unterschied zu Informatikberufen des Anforderungsniveaus 4“, fasst das Institut zusammen.

„Im Oktober 2012 waren in 17 der 24 MINT-Berufskategorien mehr offene Stellen als Arbeitslose zu verzeichnen“, kommentiert die Studie die Gesamtlage. „In sechs der 24 MINT-Berufskategorien gab es hingegen mehr Arbeitslose als offene Stellen zu verzeichnen.“ Demnach mangelt es in der Bundesrepublik beispielsweise nicht an Mathematikern, Physikern, Biologen und Chemikern. Aber auch in diversen Feldern des Ingenieurswesens fehlt es nicht Spezialisten.

Energiewende wird Nachfrage nach MINT-Akademikern erhöhen

„In den kommenden Jahren dürfte durch die Energiewende und den weiteren Höherqualifizierungstrend die Nachfrage nach MINT-Akademikern weiterhin zunehmen“, prognostizieren die IW-Autoren. Trotz einiger Erfolge in der Qualifizierung sorge auch die demografische Entwicklung dafür, dass der jährliche Bedarf an zusätzlichen MINT-Akademikern im Arbeitsmarkt von aktuell 105.400 bis 2021 auf 120.700 ansteige. „In einem vorsichtigen Szenario wird unterstellt, dass das Expansionstempo der letzten Jahre weiter bestehen bleibt“, erläutert die Studie.

Positiv wirkt sich die Knappheit offenkundig auf die Löhne aus, die MINT-Beruflern gezahlt werden. Der durchschnittliche Monatslohn von MINT-Akademikern stieg laut Studie zwischen 2000 und 2010 von 3300 auf 4600 Euro – 700 Euro mehr als der Durchschnittslohn aller Akademiker. In der Metall- und Elektroindustrie verdienten MINT-Akademiker 2010 sogar 5200 Euro im Monat.

Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel

Einigermaßen vielfältig sind auch die beruflichen Möglichkeiten der MINT-Akademiker. Knapp 60 Prozent arbeiten erwartungsgemäß in technisch-naturwissenschaftlichen Berufen. Daneben verdingen sich fast 10 Prozent im Management, jeweils rund 5 Prozent üben Medien- oder Lehrtätigkeiten aus.

Als Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel empfiehlt das IW den Ausbau der Ausbildung im MINT-Bereich sowie die Aktivierung der Potenziale von älteren Menschen, Frauen und Migranten. Mit 13,8 Prozent ist der Frauenanteil an den erwerbstätigen Informatikern sogar höher als in anderen technisch-naturwissenschaftlichen Bereichen. Allerdings zeigt die Studie auch klar, dass der Anteil der weiblichen MINT-Erstabsolventinnen seit 2005 bei knapp über 30 Prozent stagniert und zuletzt sogar rückläufig war.

Optimistisch liest sich hingegen das Urteil des Instituts zu Fachkräften mit ausländischen Wurzeln. „Die Anzahl der erwerbstätigen MINT-Akademiker mit Migrationserfahrung ist von 2005 bis 2010 um rund 86.000 Personen gestiegen, davon sind 54.800 auf die Zuwanderung und rund 31.200 auf die gestiegene Erwerbstätigenquote von Zuwanderern zurückzuführen“, heißt es in der Studie.

Hoffen auf Zuwanderer

„Gelingt es, diese positive Entwicklung der Zuwanderung in den kommenden Jahren weiter fortzuschreiben, so ist ein erheblicher Beitrag zur Fachkräftesicherung möglich.“ Die Zuwanderungshürden sollten aber nach Einschätzung der Studienautoren für Personen aus Drittstaaten mit einer beruflichen MINT-Qualifikation deutlich gesenkt werden.