Viele Unternehmen fürchten die "Servicefalle"

Firmen bleiben bei Open Source defensiv

28.10.2004 von Detlef Scholz
Die meisten europäischen Unternehmen verfügen über klare Strategien für den Einsatz von Open-Source-Applikationen, selbst in unternehmenskritischen Bereichen. Die tatsächliche Nutzung dieser Anwendungen steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Eine Analyse von Forrester Research untersucht die Gründe, die den massiven Einsatz von Open Source in Firmen bis jetzt blockieren.

Laut Forrester haben zahlreiche Unternehmen bereits Open-Source-Lösungen implementiert. 43 Prozent der befragten Firmen erwägen den Einsatz von Open-Source-Anwendungen oder haben schon in Pilotprojekten damit begonnen. Fast jede dritte beabsichtigt, komplett auf die lizenzfreie Software umzusteigen. Künftig mehr für Open Source aufwenden wollen nahezu 60 Prozent der Befragten.

Dennoch werde der Durchbruch von Open Source in Unternehmen durch ungelöste Fragen und Befürchtungen gehemmt, so die Analysten. Beispielsweise fürchten viele IT-Verantwortliche, durch den Einsatz von Open Source in eine "Service-Falle" zu geraten. Das gilt vor allem für die Aspekte langfristige Wartung und technischer Support. Die Entscheider warten zu diesem Thema noch auf eindeutige Signale der Service-Provider. Erst dann wollen sie weitere Open-Source-Projekte in Angriff nehmen.

Das zugehörige Marktsegment hat nach Forrester attraktive Potenziale, die bisher noch nicht ausreichend genutzt wurden. Service-Provider müssten aber, um sie anzuzapfen, strategisches Engagement demonstrieren können. Ihr derzeit noch flaches Service-Angebot sollte qualitativ erweitert werden. Forrester empfiehlt den Service-Providern, ihr Know-how über Open Source stärker zu vermarkten. Außerdem legen die Marktforscher ihnen ein strategisches Mittel für die stärkere Verbreitung von Open Source nahe: Die Service-Provider sollten aus bereits vorhandenen "Open-Source-Enthusiasten" aktive Einflussgruppen machen.

Abteilungen sind sich nicht einig

Dem Markt für Open-Source-Lösungen fehlen noch wichtige Anreize. Viele multinationale Firmen stehen einer generellen Nutzung von Open Source noch zurückhaltend gegenüber. Diese defensive Haltung könnte aber zu einem stagnierenden Markt führen. Ein entscheidender Impuls wäre zum Beispiel der breite Einsatz von Linux auf dem Desktop. Auch illustrative Großprojekte in unternehmenskritischen Bereichen könnten den Markt beleben, sagen die Marktforscher.

Als weitere Hürde für die Open Source-Lösungen sieht Forrester den fehlenden Konsens der einzelnen Anwender innerhalb der Unternehmen. Es bestehen Meinungsunterschiede zwischen verschiedenen Nutzergruppen, dem IT-Management, den Abteilungsleitern und manchmal auch der Unternehmensleitung. Projekt- und Abteilungsleiter argwöhnen beispielsweise, nachdem sie seit Jahren an Software von der Stange gewöhnt sind, eine Rückkehr der "Code-Kultur" der Entwickler. Außerdem befürchten sie Kürzungen des eigenen Budgets aufgrund von Investitionen in die technologische Neuerung. Forrester spricht von einer Art "Kulturkampf".

CIOs sind zu fast 50 Prozent Open-Source-Befürworter. Sie versprechen sich davon vor allem Kosteneinsparungen. Der damit einhergehende Zuwachs von Plattform-Unabhängigkeit und Flexibilität wird jedoch von ihnen kaum ins Feld geführt. Laut Forrester unterstützen die IT-Verantwortlichen insgesamt Open-Source-Software aber eher halbherzig. IT-Strategen bilden dagegen eine stärkere Verfechtergruppe von Open Source. Fast 60 Prozent von ihnen machen alle Vorteile wie Kosteneinsparungen, Flexibilität, Unabhängigkeit von der Hardware-Plattform etc. geltend. Für sie ist Open Source eine zwingende Alternative zu kommerziellen Produkten.

Unternehmen sollten laut den Analysten eine klare Open-Source-Strategie ausarbeiten. Das schließt eine sorgfältige Auswahl der Service-Provider ein. Vor allem muss geklärt werden, welche Open-Source-Komponente für welchen Bereich eingesetzt werden soll. Unternehmen sollten jedes Open-Source-Projekt detailliert planen. Forrester warnt zudem davor, sich auf schwache Start-Up-Unternehmen zu verlassen.

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